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Annegret Richter: Über Gold, Boykott und die Faszination Sprint
Erfolgsrezept: Bereitschaft zur Qual

Annegret Richter: Über Gold, Boykott und die Faszination Sprint

Annegret Richter gehörte neben Heide Rosendahl und Ulrike Mayfarth zu den deutschen Stars der Leichtathletik-Szene. 1972 und 1976 gewann die Dortmunderin olympisches Gold, 1980 fiel auch sie dem Boykott der Spiele in Moskau zum Opfer. Im Interview mit RevierSport spricht die ehemalige Weltrekordlerin über Ihre Karriere, Diskussionen um die Spiele in Peking, Doping sowie die Voraussetzungen für eine große Karriere.

Vier Jahre später ging es nur um den Sport. Gold gewonnen, den Weltrekord geholt, da mussten Sie andere Ziele in Augenschein nehmen! Nachdem ich in Montreal mein Ziel mit der Goldmedaille erreicht hatte, wollte ich noch ein Jahr weitermachen. Mein Ziel war es als erste Frau unter elf Sekunden zu laufen. Im Halbfinale 1976 bin ich in 11,01 Sekunden Weltrekord gelaufen, da lag es nahe, als nächstes die magische elf knacken zu wollen. Dann ist mir Marlies Göhr in 10,88 zuvor gekommen. Danach haben Sie Ihren Abschied erklärt, sich aber dennoch zu einem Comeback entschieden. Ich habe schnell gemerkt, dass das Aus für mich zu früh gekommen ist. 1978 habe ich wieder angefangen zu trainieren, mein Ziel waren die Spiele in Moskau 1980, danach wollte ich meine Karriere beenden. Sie haben 1980 erlebt, was zurzeit groß diskutiert wird: Einen Boykott der Olympischen Spiele. Es wäre für mich ein schöner Abschluss gewesen, auch wenn ich meine größten Erfolge nicht hätte wiederholen können. Im Vorfeld bin ich durch Verletzungen zurückgeworfen worden und war nicht so fit wie zuvor. Für die Athleten ist das natürlich schwer, man hat sich vier Jahre umsonst vorbereitet. Zumal es auch ärgerlich war, dass wir Sportler zuhause bleiben mussten, Manager sich aber nicht fern gehalten haben. Im Nachhinein musste man auch erkennen, dass dieser Boykott nichts gebracht hat. Für die Athleten, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt waren, ich denke an den Zehnkämpfer Guido Kretschmar, war das eine ganz bittere Geschichte. Der wäre in Moskau unschlagbar gewesen. Olympia in Peking, ja oder nein? Der Sport kann keine Politik machen. Die Sportler müssen nach Peking, dort sollen sie ruhig Zeichen setzen, wie auch immer das möglich sein wird. Innerhalb der Stadt darf man sich ja anscheinend äußern, diese Chance kann man doch durchaus nutzen.

Florence Griffith-Joyner hat 1988 mit 10,49 Sekunden einen unglaublichen und bis heute nicht unterbotenen Weltrekord aufgestellt. Über diese Leistung wie auch ihren frühen Tod im Alter von 38 Jahren gab es immer wieder Gerüchte, die auch mit Doping in Verbindung standen. Sollte dieser Rekord nicht aus den Geschichtsbüchern gestrichen werden? Griffith-Joyner ist nie überführt worden, deshalb ist es natürlich schwierig diesen Rekord abzuerkennen. Es gab mal eine Überlegung, mit dem neuen Jahrtausend alle Bestzeiten zu streichen und noch mal bei Null anzufangen. Das hätte ich gut gefunden, aber die Sache hat sich nicht durchsetzen können. Wie kann man sich als Athlet motivieren, wenn ein großer Teil der Konkurrenz offensichtlich nicht sauber ist? Man muss sich auf seine Leistung konzentrieren. Es war auch damals ein offenes Geheimnis, dass die DDR-Sportler was nehmen. Da konnte man nicht mit der Einstellung ran gehen, ich hab ja eh keine Chance. Ich habe doch 1976 gezeigt, dass jeder schlagbar ist. Was muss für einen dopingfreien Sport getan werden? Marion Jones wurde überführt, Gott sei dank. Um den Sport noch sauberer zu halten, würde ich eine strafrechtliche Verfolgung für gut befinden. Aber viele zieren sich, die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Wer sauber ist, hat doch nichts zu verbergen.

Geht der deutsche Verband gut mit dem Thema um? Das Kontrollsystem in Deutschland ist eines der optimalsten. Wenn man nicht am Heimatort trainiert, muss man sich abmelden, damit man zu jeder Zeit kontrolliert werden kann. Sie waren die schnellste Frau der Welt, wird es in absehbarer Zeit eine Nachfolgerin aus Deutschland geben? In naher Zukunft wird es glaube ich keinen deutschen Sprinter oder eine deutsche Sprinterin ganz oben auf dem Podest geben. Viele Talente verschwinden einfach wieder, da muss man nach den Gründen suchen. Wurde zuviel trainiert, waren es Verletzungen oder hat man sich doch für Beruf und Studium entschieden? Viele sind aber auch einfach nicht bereit, sich zu quälen.

Dabei kann heute ganz anders verdient werden, mit Ihren Erfolgen wäre man Werbestar und Millionär. Das war eine ganz andere Zeit. Mittlerweile hat man die Chance in der Golden League viel Geld zu verdienen. Heute kann man aussorgen, wenn man entsprechende Leistungen zeigt und sich vermarkten lässt. Haben Sie nie überlegt als Trainerin zu arbeiten? Das kam für mich nie in Frage. Zu meiner aktiven Zeit stand der Sport im Vordergrund, danach meine Familie und der Beruf, da musste der Sport zurückstecken. Obwohl ich schon einiges an Erfahrungen hätte weitergeben können, das ist vielleicht etwas schade. Haben Sie Ihrem eigenen Nachwuchs in Sachen Sport Tipps gegeben? Meine Tochter und mein Sohn haben sich auch in der Leichathletik probiert. Mein Sohn war Hammerwerfer, aber durch seine für diese Disziplin eher untypische schmächtige Figur, hat er es nach dem Juniorenbereich nicht mehr weiter verfolgt. Meine Tochter hat Weitsprung und Sprint gemacht und hatte es extrem schwer, da immer der direkte Vergleich mit mir gezogen wurde.

Welche Rolle spielt der Sport heute in Ihrem Leben? Wenn es die Zeit erlaubt, gehe ich ins Fitness-Studio oder Laufen, tue etwas für meinen Körper. Dauerlauf ist für mich noch nie etwas gewesen, das liegt in der Natur der Sprinter.

Was ist das faszinierende an den 100 Metern? Der Sprint ist die Königsdisziplin. Ein ganz kurzer Moment, der keine Schwäche erlaubt, ein Lauf, in dem wirklich alles passen muss, vom Start bis zur Ziellinie. Nach dem Startschuss zählt nur noch Volldampf, sonst ist alles vorbei. Wie kann man diese Begeisterung an Schüler und Jugendliche vermitteln? Die Kinder und Jugendlichen treiben viel zu wenig Sport, es gibt aber auch zu viele Ablenkungen, ob Videospiele, Fernsehen oder ähnliches. Viele wollen sich auch nicht mehr an einen Verein binden. Dabei kann gerade die Leichtathletik einiges dazu beitragen, den Körper auszubilden.

Wie lautet das Rezept für eine große Sportkarriere? Um in die Weltspitze vorzustoßen, muss man Talent haben, damit kann man einiges erreichen. Aber dann muss man hart trainieren, eine unglaubliche Disziplin zeigen, auf Freizeit weitgehend verzichten. Man muss hart mit sich selbst sein, das spiegelt sich in verschiedenen Bereichen des Alltags und diese Selbstdisziplin kann einem auch im Beruf von Nutzen sein. Haben Sie sich mal wieder auf der Tartanbahn überprüft? Nach meinem Karriereende bin ich nie wieder 100 Meter gelaufen. Ich wäre über das Ergebnis eher nur enttäuscht.

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