"Wir sind noch motivierter und haben extra hart gearbeitet", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug vor dem WM-Start am Sonntag (5.30 Uhr MEZ/live bei Premiere und RTL) in Melbourne im Interview des Sport-Informations-Dienstes (sid). Das deutsch-englische Team hat einen Test-Marathon wie selten zuvor hingelegt. "Wir haben mit zwei Testautos an 19 Tagen mehr als 14.000 Kilometer zurückgelegt. Wir waren von Anfang an zuverlässig und haben unsere Rundenzeiten fortgesetzt verbessert", sagt Haug. Für BMW gibt es keine Ausreden mehr. "Wir wollen unser erstes Rennen gewinnen und aus dem Zweikampf an der Spitze einen Mehrkampf machen", sagte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen dem sid. Um die ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen, hat BMW-Sauber mehr riskiert als in den Jahren zuvor. Theissen bestätigt: "Wir haben uns beim Konzept weit nach vorn gewagt." Das erste Rennwochenende sei deshalb für ihn die Stunde der Wahrheit. Er geht aber davon aus, dass sein Team das volle Potenzial in Melbourne noch nicht umgesetzen kann.
Während BMW mit dem eingespielten Fahrer-Duo Nick Heidfeld (Mönchengladbach) und Robert Kubica (Polen) in die Saison startet, bekam Vize-Weltmeister Lewis Hamilton (Großbritannien) bei den Silberpfeilen einen neuen Partner. Der Finne Heikki Kovalainen ersetzt den zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso (Spanien), der das Team nach internen Streitigkeiten nach nur einem Jahr wieder verließ und zu Renault zurückkehrte.
Auch wenn laut Haug beide Fahrer gleichberechtigt sind, gilt Hamilton als klare Nummer eins. Der Brite wird in seinem zweiten Formel-1-Jahr als größter Widersacher von Ferrari-Weltmeister Kimi Räikkönen gesehen. Wie kommt der erst 23-Jährige mit dieser Rolle zurecht? Haug: "Wäre er ohne Druck, wäre er kein Titelkandidat." Immer wieder muss sich Haug den Fragen stellen, warum Mercedes nicht nach dem Vorbild von BMW deutschen Fahrern eine Chance gebe. Es seien keine deutschen Piloten auf dem Markt gewesen, an denen sein Team ein Interesse gehabt hätte, erwidert der Sportchef. Und Kovalainen sei dann schließlich der Wunschpilot gewesen. Haug: "Ich verstehe, dass sich deutsche Formel-1-Betrachter einen deutschen Fahrer im Silberpfeil wünschen, und irgendwann werden wir diesen auch haben."
Was war mit Ralf Schumacher, der von Toyota ausgemustert wurde und jetzt für Mercedes in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) startet? "Wir haben das nicht diskutiert, aber ich schließe nicht aus, dass Ralf das Zeug hat, mit dem richtigen Auto auch in der Formel 1 erfolgreich zu sein", sagte Haug und deutete vielsagend an: "Wir haben Kovalainen für so talentiert wie seine deutschen Alternativen eingeschätzt, diese waren für dieses Mal nicht verfügbar. Vielleicht aber nächstes Mal."
Auf einen WM-Tipp will sich Haug nicht festlegen. Weder Ferrari noch sein Team hätten ein Titel-Abo. Er habe bei den Tests vielmehr den Eindruck gewonnen, dass das ganze Feld dichter zusammengerückt sei, erklärt der Schwabe. Haug weiß aber auch, dass Mercedes jetzt noch kritischer beobachtet wird. "Mercedes wird ja schon bei Platz drei kritisiert und nicht wie andere gelobt", klagt der Sportchef. Theissens Favoriten sind Titelverteidiger Kimi Räikkönen (Finnland) und dessen Ferrari-Teamkollege Felipe Massa (Brasilien). Bei den Silberpfeilen müsse man sehen, wie das Team mit der neuen Konstellation umgehe. Hinter den Top 4 traut er Renault-Rückkehrer Alonso einiges zu. "Und ich hoffe, dass unsere beiden Fahrer bei einzelnen Rennen ein Wörtchen mitreden können", sagt Theissen.
Bei BMW-Sauber gibt es keinen Nummer-eins-Status, Heidfeld und Kubica sind daher zunächst gleichberechtigt. "Natürlich will ich der Fahrer sein, der den ersten Sieg für das Team holt", meint "Quick Nick" und meldet Ansprüche auf eine Führungsrolle an. Im vergangenen Jahr war er als WM-Fünfter "Best of the Rest, also die Nummer eins hinter den großen Vier.