Nach fast vier Jahren ist die Ära Frank Schiel in Gladbeck beendet. "Ich bin menschlich sehr enttäuscht, aber auch erleichtert", berichtet Schiel, den die Nachricht seiner Suspendierung aus heiterem Himmel traf. Als Nachfolger übernimmt sein bisheriger Co-Trainer Holger Gehrmann das Amt. Beide hatten sich beim C und B-Lizenz-Lehrgang kennen gelernt, Schiel holte Gehrmann zur DJK. "Er hat immer betont, dass er auch geht, wenn ich fliege. Ich bin gespannt, wie er reagiert", wartet Schiel auf ein Statement Gehrmanns, der antwortet: "Korrekt, das habe ich gesagt", stimmt Gehrmann zu: "Die Sache war so nicht geplant, war auch für mich überraschend. Es kommt aber auch auf die Qualität des Gespanns an. Es gibt einen Ehrenkodex unter Kollegen, den ich auch nicht brechen werde. Aber ich habe einen Vertrag mit dem Verein Gladbeck, nicht einen Kontrakt bei Schiel. Zudem wollte ich schon als kleiner Junge diesen Job haben, jetzt ist es endlich so weit. Deswegen übernehme ich auch die Aufgabe." Schiel sowie die Vereinsführung um den Tausendsassa Ulrich Stienen wollen zu Gründen der Entlassung nichts sagen. Stienen wird sich den Schritt aber mit Sicherheit nicht leicht gemacht und ihn genauestens durchgerechnet haben. Ob die Zahlen am Ende richtig sind oder die Spieler mit einer erneuten Nullrunde kalkulieren müssen, bleibt abzuwarten.
Gehrmann will neue Strukturen schaffen "Weg vom klassischen Spielmacher" Gladbeck (RS). Holger Gehrmann ist der neue Mann auf der Kommandobrücke der Gladbecker Germanen. Der noch 43-Jährige (feiert am 6. Dezember Geburtstag) kennt die Mannschaft und die Vereinsstrukturen genauestens, da er seit rund sechs Monaten als "Co" engagiert war. Der studierte Betriebswissenschaftler verfolgt ein völlig anderes Konzept. RS sprach mit dem Familienvater (Frau Andrea, 16-Jähriger Sohn Tim) über die Veränderungen.
Herr Gehrmann, wie haben Sie Ihre Beförderung aufgenommen? Ich war genauso überrascht wie alle anderen auch. Sie kennen das Team, die Stärken und Schwächen. Wo setzen Sie als erstes den Hebel an? Wir haben am Sonntag begonnen, neue Strukturen zu schaffen, die auch unbedingt nötig sind. Es ist alleine schon ein Unterschied, ob jemand an der Außenlinie steht, oder mitspielt. Was meinen Sie genau? Beispielsweise waren alle Standards Chefsache. Das gibt es ab sofort nicht mehr. Warum soll einer 30 Meter laufen, um einen Freistoß zu schießen? Das ist ökonomisch absoluter Quatsch. Welches Prinzip verfolgen Sie? Es bringt nichts, den Jungs ein schwachsinniges Straftraining aufzubrummen, wenn sie schlecht spielen. Da muss ich mich auch mal hinterfragen, ob ich es nicht vernünftig rüber gebracht habe. Außerdem müssen wir endlich unseren Aschenplatz als Vor- und nicht Nachteil bewerten. Zudem will ich schnellstens vom klassischen Spielmacher weg. Wir müssen die Aufgaben auf vielen Schultern verteilen, damit wir schwerer auszurechnen sind. Wir haben einen außergewöhnlich guten Kader, dieses Potenzial müssen wir nutzen. Um das Ziel, den Aufstieg, zu realisieren. Klar, wir wollen um den Aufstieg mitspielen. Wer dachte, dass die Gruppe I aber leichter sei, als die Staffel II, der hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Hier wird ein rustikaler Fußball gepflegt, der diese Aufgabe nicht leichter macht. Durch den Dreier in Münster haben wir eine tolle Basis für das Topmatch gegen Emsdetten. Wie gehen Sie mit dem Thema Jugendarbeit um? Die muss verbessert werden. Am Sonntag werde ich bereits einen A-Jugendlichen auf der Bank haben. Unser Ziel kann nur lauten, den Nachwuchs zu fördern. Wenn das alle Vereine machen würden und keine teuren Kicker aus dem Ausland holen würden, bräuchte man sich um die Nationalmannschaft keine Gedanken machen. In der großen Fußball-Welt angekommen, haben Sie ein Vorbild? Die Arbeit von Mainz-Coach Jürgen Klopp kann man gar nicht hoch genug anerkennen. Er muss mit einem kleinen Etat und ohne Stars auskommen. Ein Felix Magath hat in Bayern hingegen einen einfachen Job. Er braucht seine Super-Leute nur bei Laune halten. Aber mir stellt sich eine generellere Frage. Was ist mit der Trainer-Gilde bloß passiert? Es ist unglaublich, man wird beispielsweise in eine Coaching-Zone verfrachtet. Stellt man sich mal vor, dass ein Chef sein Büro nicht mehr verlassen darf, um seine Mitarbeiter zu motivieren, ist der Aufschrei hingegen groß. Dennoch ist es der schönste Job.