Eine Art der Grübelei, die zwischen Frustration und Wut schwankt, dazu auch einen Schuss Verzweiflung birgt. Die 90 Minuten gegen Lotte (1:1) ließen den Kaffee, den die Verantwortlichen letztendlich schon seit längerer Zeit auf hatten, noch richtig überkochen. Vor allen Dingen bei Coach Michael Kulm, der die Tür für eine Winterdiskussion rund um den Club auf der Pressekonferenz weit aufstieß. "Es gelang nicht, den Gegner dauerhaft zu beschäftigen und in die Bewegung zu bekommen und sich Chancen heraus zu spielen."
Lob des Gästtrainers Maik Walpurgis lehnte der A-Lizenzinhaber kategorisch ab, weil er nicht wusste, wofür. "Ich sage, wenn es normal läuft, liegt man in der zweiten Halbzeit zurück. Ich glaube, es wäre uns dann auch nicht gelungen, überhaupt noch einen Zähler mitzunehmen." Harte Formulierungen, die einige Betrachter in Staunen versetzte. Der "liebe Herr Kulm" kann auch öffentlich mächtig auf den Tisch hauen.
Für Kulm gibt es nur einen Weg: "Es ist an der Zeit, in der Winterpause über diese Dinge zu reden. Es sind Leistungen angeboten worden, bei denen ich mir ernsthaft Gedanken machen muss, ob es Sinn macht, mit dem einen oder anderen weiter zu arbeiten. So geht das nicht."
Weil man nach dem doppelten Abstieg - der bekanntlich bereits einmal fatal vor zehn Jahren erfolgte - eigentlich vor hatte, die Liga sofort wieder zu verlassen. "Wir haben etwas vorgehabt, haben es in den letzten Matches womöglich geschafft, dieses gesetzte Ziel zu verspielen." Heftige Worte, letztendlich könnte man meinen, alles auch noch Nachwirkungen des letzten Spieltags der vergangenen Saison, als es gegen Lübeck - einen feststehenden Absteiger, der dazu nahezu pleite war - nicht geschafft wurde, einen ligaerhaltenden Matchball zuhause zu verwandeln.
Alles "große" Psychologie. Kulm: "Es muss sich jeder einzelne hinterfragen, ob das, was für RWE notwendig ist, angeboten wurde. Wir sind ein Stück weit weg von dem, was wir erreichen wollten." Deshalb macht Kulm weiter deutlich: "Es macht jetzt keinen Sinn, über irgendwelche Ziele nachzudenken. Wir müssen uns sammeln, viele Dinge analysieren und in der Pause auch viele Gespräche führen."
Die spätestens am 11. Januar 2009 durch sein müssen, dann startet die Vorbereitung auf die Restrunde: "Aus der Winterpause müssen wir gestärkt raus kommen, Konstanz ist wichtig, um dem Anschluss wieder herzustellen." Auf Kaiserslautern, das aber vielleicht andere Sorgen hat, als die zweite Mannschaft unbedingt in die dritte Klasse zu hieven, weil man "oben" mit einem Zweitligaaufstieg mächtig beschäftigt ist - auch finanziell. Viel mehr sollte man vielleicht ein Auge auf Dortmund werfen, schließlich gab beim Nachbarn Cheftrainer Jürgen Kloppe den Abgang nach oben ausdrücklich als Ziel aus.
Kulm konzentriert sich auf die Zustände in Essen: "Ich bin weiterhin davon überzeugt, es geht nur gemeinsam. Diese Lösungen müssen wir finden. Wir müssen im Detail herausfinden, woran es liegt, das wir nicht permanent die Leistung abrufen können, die wir ja mehrfach gezeigt haben."
Bissiger Zungenschlag ist das eine, das Bemühen, das Schiff nicht kentern zu lassen, das andere. Kulm weiß das: "Zerfleischen wird sich keiner. Es muss gestattet sein, Unzufriedenheit zu zeigen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir sind weiter eine Einheit, das muss aber auch von allen gezeigt werden, das Beste muss ständig angeboten werden, nur so geht es. So was wächst im Laufe der Zeit." Sein Fazit, auch wenn es zuletzt schwer fiel: "Ich bin überzeugt, unser eingeschlagener Weg ist richtig, wenn alle mitmachen."