Die SG Wattenscheid 09 steckt mitten in einer großen Krise. In diesem Jahr läuft nichts zusammen beim Regionalliga-Aufsteiger. Aus zehn Partien 2023 setzte es neun Niederlagen - eine katastrophale Bilanz.
Durch die enttäuschenden Ergebnisse rückt den Klassenerhalt in weite Ferne. Für die so dringend benötigte Aufholjagd muss die SGW am Samstag (22. April, 14 Uhr) den bereits feststehenden Absteiger Kaan-Marienborn bezwingen und auf Patzer der Konkurrenz hoffen.
Acht Punkte Rückstand hat Wattenscheid aktuell auf Rot Weiss Ahlen und Platz 16, der zum Klassenerhalt reichen könnte. Fünf wären es, sollte das Urteil, das der Verband bezüglich der Partie gegen den 1. FC Köln II ausgesprochen hat, auch Bestand haben. Doch die Entscheidung ist noch offen.
Vor dem Saisonendspurt hat der Verein nun an seine Fans appelliert. Hier der komplette Brief:
Wir als Vorstand könnten natürlich nun auf unsere Schützlinge zugehen und sagen "da müsst ihr durch, das ist euer Job!" Das Problem ist aber: Es ist nicht ihr Job. Niemand bei uns bestreitet seinen Lebensunterhalt allein mit Fußball. Und selbst wenn es so wäre – hier wurden Grenzen überschritten.
SG Wattenscheid 09.
"Liebe 09erinnen, liebe 09er!
Hinter uns liegt ein Wochenende, das wir uns alle so nicht gewünscht haben. Mannschaft, Staff, Aufsichtsrat und Vorstand, wir alle sind vom Ergebnis unseres Spiels im Parkstadion bitter enttäuscht, erst recht, wenn man sich den Verlauf der 90 Minuten nochmal vor Augen führt. Jeder hat seine eigene Art, mit solchen Ereignissen umzugehen. Frust, sowohl von innen, als auch hör- und spürbar von außen, gehört beim Fußball dazu. Und damit können wir grundsätzlich umgehen.
Leider lässt sich seit einigen Wochen eine Entwicklung beobachten, die Anlass zur Sorge gibt. Bereits nach dem Spiel gegen Rödinghausen wurden Teile der Mannschaft, des Trainer- und des Funktionsteams am Zaun "abgefangen", beschimpft und beleidigt. Wir als Vorstand könnten natürlich nun auf unsere Schützlinge zugehen und sagen "da müsst ihr durch, das ist euer Job!" Das Problem ist aber: Es ist nicht ihr Job. Niemand bei uns bestreitet seinen Lebensunterhalt allein mit Fußball. Und selbst wenn es so wäre – hier wurden Grenzen überschritten.
Beunruhigend ist zudem, dass wir am vergangenen Wochenende mehrere Zuschriften erhalten haben, die mutmaßlich von ein und derselben Person stammen. Wir wollen den Inhalt dieser E-Mails hier nicht wiedergeben. Was wir sagen können ist jedoch, dass wir Strafanzeige gestellt haben, da der Inhalt ohne jeden Zweifel justiziabel ist. Wir kennen die Motivation und die Hintergründe dieser Person nicht, wollen und müssen jedoch eines mitteilen: Wir müssen anders miteinander umgehen, wenn wir alle zusammen auch zukünftig den gemeinsamen Weg weiter beschreiten wollen.
Niemand in verantwortlicher Funktion wehrt sich gegen konstruktiv vorgetragene, sachliche Kritik. Wir alle hinterfragen uns und unsere Entscheidungen täglich selbst. Mannschaft, Trainer, Vorstand – wir sind ansprechbar. Man kann uns beispielsweise beim Training besuchen und mit allen Verantwortlichen ins persönliche Gespräch kommen. Einige wenige nutzen dieses Angebot, andere offensichtlich nicht.
Die Entwicklung, die wir beobachten, die beunruhigt uns. Anonym oder unter falschen Identitäten werden kleine Feuer entfacht, die sich ganz schnell zu bedrohlichen Bränden entwickeln, die man nur noch schwer unter Kontrolle bringen kann. Die erwähnten Hass- und Droh-Mails vom Wochenende sind der vorläufige Höhepunkt dessen.
Wir als Vorstand der SG 09 sind allesamt Freunde klarer Worte. In den vergangenen Jahren war es sicherlich eines der größten Probleme dieses Vereins, dass persönliche Animositäten auf Kosten der Sportgemeinschaft ausgetragen wurden. Viele Menschen, denen dieser Verein am Herzen lag, haben ihm aus diesem Grunde in der Vergangenheit den Rücken gekehrt. Einen Teil davon konnten wir vom neuen Weg begeistern und wieder für uns gewinnen. Aktuell ist jedoch zu befürchten, dass sich einige hiervon gerade wieder abwenden.
Der Verein steht wirtschaftlich solide da. Die Nachwuchsabteilung konnte sich in den vergangenen drei Jahren spürbar stabilisieren und sportliche Erfolge feiern. Mit unserer ersten Mannschaft befinden wir uns mit mehr als 1.300 Zuschauern im Schnitt in der Top-6 der Regionalliga West. Dass wir mit unseren begrenzten, finanziellen Möglichkeiten in dieser Liga sportlich und organisatorisch vor großen Herausforderungen stehen, das war jedem bewusst und wurde zu jeder Zeit sehr deutlich kommuniziert. Nichtsdestotrotz würden wir uns eine andere, sportliche Bilanz wünschen.
Dennoch resultiert daraus unsere Bitte: Lasst uns das Erreichte nicht gefährden. Dieser Verein lebt, egal in welcher Liga. Wir sollten darauf stolz sein und gemeinsam weiter an der Entwicklung arbeiten. Nur weil wir als Verein nicht jede These kommentieren und jede Meinung moderieren, stimmen wir dieser nicht automatisch zu. Nur weil eine These ständig und unübersehbar wiederholt wird, wird diese dadurch nicht wahrer.
Aber an einer Sache sollten keine Zweifel herrschen: Wenn der gegenseitige Respekt auf der Strecke bleibt, dann wird auf kurz oder lang auch der Verein auf der Strecke bleiben. Bitte lasst uns das gemeinsam mit aller Kraft verhindern.
Der Vorstand der SG 09 Wattenscheid"