Timo Brauer eilt der Ruf voraus, auf dem Fußballplatz ein Kämpfer zu sein. Nach einer Trainingseinheit am Mittwochnachmittag in einer Soccerhalle in Altenessen wirkt er gezeichnet. Das kleine Kunstrasen-Spielfeld verlässt er mit blutigen Knien. "So bin ich halt", nimmt der 26-Jährige die Schrammen mit Humor.
Mangelnden Einsatz hat ihm während seines ersten Halbjahres nach seiner Rückkehr an die Hafenstraße niemand vorgeworfen. Wohl aber, dass seine Leistungen den hohen Erwartungen an seine Person phasenweise nicht gerecht wurden. Nach seinem Wechsel aus der Eliteliga Österreichs war die Euphorie groß. Brauer war Teil der "Zusammen Hoch 3"-Kampagne, die nach der katastrophalen Saison im Vorjahr ins Leben gerufen wurde.
Der Bergeborbecker war als einer der Leistungsträger eingeplant, in den letzten drei Spielen vor der Winterpause setzte ihn Trainer Sven Demandt auf die Bank. Stattdessen erhielten im zentralen Mittelfeld Kasim Rabihic, Benjamin Baier und das 19-jährige Eigengewächs Nico Lucas den Vorzug. In den letzten Monaten hielt sich Brauer verbal zurück. Nun sprach er im Interview mit RevierSport über die Hinrunde, die Kritik an seiner Person und die Ziele von RWE.
Timo Brauer, welche Schulnote würden Sie sich für Ihre persönliche Leistung in der Hinrunde geben? Schulnoten erteile ich mir selbst nur ungern. Das machen dafür die Medien. Ich kann lediglich betonen, dass ich für den Verein und die Mannschaft alles gegeben habe. Sowohl im Training als auch im Spiel. Mal hat es gut geklappt, mal weniger. In Sachen Engagement kann ich mir keinen Vorwurf machen. Natürlich kann es bei mir persönlich besser laufen. Das gilt aber auch für die komplette Mannschaft. Wir wissen alle, dass wir noch an uns arbeiten und uns verbessern müssen. Wenn man das nicht will, ist man fehl am Platz.
Während meiner gesamten Karriere habe ich noch nie dreimal in Folge auf der Bank gesessen
Timo Brauer
Kritik gab es für Sie nicht nur von Seiten der Medien, sondern auch von Ihrem Trainer. Nach dem Aachen-Spiel hat er angemerkt, dass er Sie auf dem Platz nicht wahrgenommen habe. Wie ist das bei Ihnen angekommen? Das ist Vergangenheit und darüber möchte ich nicht mehr reden. Ich denke, dass dieses Thema in den Medien hochgepusht wurde, da man mich im Sommer extrem gehypt hat. Das entspricht eigentlich nicht meinem Naturell. Ich bin schon immer ein Teamspieler gewesen. Man kann von mir nicht erwarten, dass ich pro Saison mindestens zehn Tore erziele. Ich gehe gerne voran, gewinne Zweikämpfe und treibe meine Mitspieler an.
Trotzdem haben Sie zum Ende der Hinrunde auf der Bank gesessen. Das kann nicht Ihr Anspruch sein. Das war natürlich nicht schön. In dem Fall will ich auch nicht drum herumreden. Während meiner gesamten Karriere habe ich noch nie dreimal in Folge auf der Bank gesessen. Die Hinrunde ist nun abgehakt. Wer an mir zweifelt, kann das ruhig weiterhin tun. Ich weiß, was ich kann und was ich für den Verein in die Waagschale werfe. Es war mit Sicherheit nicht alles schlecht. Man redet viel über mich. Das ist auch in Ordnung. Wichtig ist, dass man bei aller Kritik sachlich bleibt.
Haben Sie die Rückkehr nach Essen zu irgendeinem Zeitpunkt bereut? Ich habe diesen Schritt bewusst gewählt. Es gab noch andere Möglichkeiten für mich, aber ich wollte diese Herausforderung annehmen. Der Wechsel war vielleicht die schwierigste Entscheidung meiner Laufbahn, weil ich wusste, was für ein Druck entstehen würde. Aber ich selbst habe mir den Druck nie gemacht. Bereut habe ich es dennoch nie. Ich bin hier zu Hause. Meine Eltern freuen sich, meine Freunde freuen sich. Auch viele Leute aus der Kurve haben mir bestätigt, dass sie sich über meine Anwesenheit freuen. Ich merke, dass ich zu Hause bin. Ich habe Bock auf RWE.
Haben Sie in den Gesprächen mit den Fans ein Feedback zu Ihrer Leistung erhalten? Das war weitestgehend positiv. Die Leute wissen, was ich kann und wie viel Einsatz ich zeige. Kritik gibt es immer, aber ich muss nun nach vorne schauen.
Wie beurteilen Sie das Abschneiden der Mannschaft? Platz vier in der Winterpause ist auf den ersten Blick eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur letzten Saison. In der Sommerpause und in den ersten Spielen lief es richtig rund. Dann kam die Partie gegen Viktoria Köln. Das 0:4 war ein kleiner Knackpunkt. Danach haben wir unnötig Punkte verloren, obwohl wir nicht die schlechtere Mannschaft waren. Das hat uns zurückgeworfen. Diese Spiele, in denen wir überlegen sind und genug Chancen haben, müssen wir für uns entscheiden.
Vor dem besagten Spiel gegen Viktoria Köln war die Hoffnung groß, dass RWE schon auf einem Level mit dem Spitzentrio ist. War das Resultat deshalb besonders bitter? Ich würde sagen, dass wir uns vor diesen drei Mannschaften nicht verstecken müssen, wenn wir unsere Leistung abrufen. Die Leistungen waren größtenteils in Ordnung. Leider gab es Spiele wie zu Hause gegen Rödinghausen, die wir unnötig verloren haben. Das darf uns nicht mehr passieren.
Zwölf Punkte beträgt der Rückstand auf Platz eins. Der Zug nach oben scheint abgefahren zu sein. Mit welchen Zielsetzungen gehen Sie in die Hinrunde? Erstmal ist wichtig, dass wir alle gesund durch die Vorbereitung kommen. Das Schöne ist, dass wir gleich zum Start ein echtes Kracherspiel in Köln haben. Wenig später folgt ein ähnliches Spiel gegen Gladbach. Warum sollten wir denn nicht positiv denken? Wenn wir unsere Leistung bringen, wer weiß, vielleicht können wir noch einmal oben anklopfen. In der Vorbereitung läuft es gut, wir arbeiten hart. Ich vertraue dem Team.
Kann das Team in der Rückrunde auch Timo Brauer vertrauen? Was haben Sie sich persönlich vorgenommen? Ich werde mich mit Sicherheit nicht hängen lassen und so engagiert spielen wie immer. Faktoren wie Vertrauen und Glück spielen immer eine Rolle. Natürlich ist es mein Anspruch, regelmäßig zu spielen. Wenn das nicht so wäre, könnte ich auch in die Kreisliga gehen.