Der Rauswurf von Olaf Janßen wurde von der Kulisse gefordert. Bonan selbst stellte sich den Fragen nach dem schlimmen 0:2 gegen Ahlen.
Heiko Bonan, was ist mit Daniel Sereinig als zentraler Akteur der Dreierkette los?
Es geht nicht darum, dass das 0:2 aus seinem Fehlpass fällt. Es geht darum, dass ich mir die Rolle, die Daniel spielt, anders vorstelle. Er muss das neu interpretieren. Wir müssen ihn dahin bringen, dass er endlich mit Selbstvertrauen an der Hafenstraße agiert. Er muss das als Unterstützung sehen, nicht als Druck. Die Auswechselung drückt deutlich aus, was ich empfunden habe. Sie durften nur dreimal austauschen.
Der eine oder andere Akteur muss sich vor den Spiegel stellen und sich fragen, was er veranstaltet hat. Es kann nicht sein, dass man so kopf- und herzlos über den Platz läuft. Viel mehr war es nicht.
David Czyczszon agierte zum Beginn in der Sturmspitze. Was war der Hintergedanke?
Was spielt es für eine Rolle, wo David rumgelaufen ist? Ich sah Ahlen zuvor, das Team spielt aus guter Ordnung, sehr eng vor dem eigenen Strafraum. Wir wollten ins Halbfeld, daraus auf André Schei Lindbaek und David mit hohen Flugbällen. Viermal ist es durch knappe Abseitsentscheidungen schief gegangen. Das 0:1 fiel, aber das hatte nichts damit zu tun, dass David zu dieser Zeit vorne agierte. Die Aufgabenverteilung war abgesprochen.
Ihr Kapitän blieb in der Pause drin, das galt auch für Rafael Kazior. Warum? Michael Lorenz war gelb-rot gefährdet, Rafael war kräftemäßig offenbar nicht weit oben. Gegen Energie lief es bei ihm klasse, in Düsseldorf war er auch 90 Minuten unterwegs. Wenn man später einsteigt, fällt man irgendwann in ein Loch. Sie klingen komplett bedient.
Wenn man die Fans an der Hafenstraße als Druck empfindet, dann haben wir ein Problem. Ich habe drei Jahre hier gespielt, war auch nicht immer gut. Aber vor Angst in die Hose habe ich mir nie gemacht. Pfiffe muss man in positive Energie umsetzen, in Aggressivität. Aber so weit sind die Spieler nicht. Wo ist das Problem?
Ich dachte eigentlich, die Truppe hätte das System schon gefressen. Gegen RWO wurde es wieder vergessen, gegen Cottbus hat es geklappt. Gegen die Fortuna war es defensiv auch da. Es hat einfach damit zu tun, mitzudenken, situativ dabei zu sein.
Man spürt die komplette Verunsicherung. Mut hat nichts mit System zu tun, das ist einfach eine Einstellungsfrage. Was können Sie machen?
Die Videoaufnahmen haben wir ja, daran können wir das Fehlverhalten deutlich zeigen, was zusammengespielt wurde. Wie nach RWO werden sich die Jungs fragen, ob sie das wirklich selbst sind. Es war stellenweise völlig unverständlich. Man kann den Akteuren immer nur Sachen mitgeben. Was davon umgesetzt wird, kann man als Coach kaum beeinflussen.
Warum klappt es einmal, dann aber nicht?
Vielleicht liegt es daran, gegen Energie nur positiv überraschen zu können, der Mut war da. Jedem war klar, nach einer Niederlage gegen Ahlen würde es unruhig. Mit einem Sieg hätten wir entspannt in die nächsten Matches gehen können. Vielleicht war die Angst da, dass das in die Hose geht.
Sercan Güvenisik meinte, die Erfahrenen müssten jetzt einmal das Ruder ergreifen.
Akteure wie Stijn Haeldermans, Sercan oder Stefan Lorenz waren ja draußen. Ich habe nichts dagegen, habe immer gesagt, die Truppe muss aus sich selbst heraus geführt werden. Im Stadion komme ich doch nicht durch. Das Eigenleben der Mannschaft muss so sein. Das dauert, ein komplett neu zusammengestellter Kader benötigt seine Zeit. Michael Lorenz geht voran, danach habe ich keinen mehr gesehen, der führt. Ein Hierarchieproblem?
Der Kapitän ist seit Wochen verletzt, Haeldermans auch, Sercan weg, drei fallen schon aus der Struktur. Das ist eine Schwierigkeit, aber das kann keine Ausrede sein. Man muss von sich aus Führungsspieler sein, das kommt aus dem Anspruchsdenken heraus. Wir reden darüber, sich den sauberen Eröffnungsball zuzutrauen, auch wenn die Leute pfeifen. Risiko muss sein, sonst passiert nie etwas überraschendes. Die meisten Heimspiele werden ablaufen wie das gegen Ahlen, der Gegner steht tief und ist aggressiv. Rollen sich bei den Standards nicht Ihre Zehennägel auf? Ganz ehrlich, wenn ich in der dritten deutschen Liga spiele, dann werde ich ja wohl in der Lage sein, ohne 1500 Mal in der Woche zu üben, den Ball geradeaus in die Mitte zu schießen. Wir haben es trainiert. Ich habe fünf verschiedene Freistoßschützen gezählt. Das ist das Hauptproblem. Die Hose war voll. Man wird doch wohl über knapp 30 Meter Entfernung einen bestimmten Raum treffen, ohne dass ich dem Gegenspieler die Kniescheibe wegschieße. Ich verstehe das nicht. Angsthasenfußball vom Allerfeinsten. Normalerweise musste Ahlen Angst haben, das ist paradox. Sie werden schon wieder auf neue Stürmer angesprochen.
Wie lange ging das Ding mit André Schei Lindbaek? Jetzt wird direkt nach einem neuen Stürmer gefragt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Verein soviel Kohle hat, noch einen zu verpflichten, weil man Angst hat, dass gar keiner mehr trifft. Mir ist völlig wurscht, ob es einen Torjäger gibt, der alle Treffer macht. Schön wäre es, wenn viele abschließen. Gegen den Erstligisten Cottbus wurden zwei Treffer erzielt, die nicht reingestolpert wurden.
Was macht das Lazarett?
Die verletzten Akteure kommen zurück. Bei Stijn hoffe ich, dass er in zwei Wochen wieder soweit ist, auf Stefan Lorenz auch, "Güve" wird nicht ewig ohne Zähne rumrennen.
Das Umfeld kocht schon wieder. Es gibt in Essen nur schwarz oder weiß. Allerdings ist man dafür selbst verantwortlich. Gegen Ahlen haben wir alles für schwarz getan. Wir reden von einem Zeitfenster von vier Tagen. Damals war noch alles in Ordnung. Jetzt ist alles nur noch katastrophal. Aber auch ich war ganz schön baff, was da so ablief. Der Kopf von Olaf Janßen wird gefordert. Das wurde schon beim ersten Match formuliert. Schade, dass nicht jeder richtigen Einblick hat in den Arbeitsalltag von Olaf. Er reißt sich den Hintern auf für den Club und die Mannschaft. Normalerweise müssen sich die Spieler bei ihm entschuldigen, dafür dass er Spießruten läuft. Die Ränge fordern seinen Rauswurf, er hat aber nicht gegen den Ball getreten. Die Akteure haben eine Bringschuld. Rennen alleine reicht nicht, das Hirn muss eingeschaltet werden.
Sie vollziehen die Gratwanderung zwischen Aufgewühltheit und sachlicher Erklärung.
Aber ich bleibe dabei, Panik machen wir nicht, die Qualität ist da. Jeder muss an St. Pauli denken, der Club war im Winter Zwölfter, stieg hinterher auf. Die Liga bleibt spannend. Grundvoraussetzung ist, Konstanz reinzukriegen. Wenn wir die nicht haben, benötigen wir keine großen Ziele, dann müssen wir mit der dritten Klasse zufrieden sein.