Pro (von Martin Herms): Es war schon abenteurlich, was Marc Fascher nach der Blamage gegen den FC Kray von sich gab. Ein Fluch laste seit der Doping-Affäre um Cebio Soukou auf seiner Mannschaft. Zudem fehle dieser ja die Erfahrung und darüber hinaus habe er nur zwei Führungsspieler in seinen Reihen. Für jeden RWE-Fan, jeden Sponsor und jeden Mitarbeiter des Vereins sind diese Aussagen ein Schlag ins Gesicht. Fascher durfte sich vor der Saison zusammen mit seinem Kumpel Dr. Uwe Harttgen einen sündhaft teuren Kader zusammenstellen, der gespickt ist mit Zweit- und Drittligaspielern. Um diesen zu finanzieren, musste die eigene U23 dran glauben. Im Winter wurde sogar nochmal kräftig nachgelegt. Herr Fascher, wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass Spielern wie Philipp Zeiger, Benjamin Baier, Patrick Huckle, Kevin Freiberger oder Björn Kluft die Erfahrung fehlt?
Was diesem stark besetzten Kader fehlt, ist ein Trainer mit einem Spielsystem, das gehobenen Regionalliga-Ansprüchen genügt. Jeder Bezirksligist kann einen kreativeren Spielaufbau als RWE vorweisen. Weber auf Binder, Binder zurück auf Weber, Langholz nach vorne - über die gesamten 90 Minuten wurde der eigene Anhang mit diesem Spielzug gequält, der in dieser Form selbst in den 70er Jahren wenig Erfolgschancen gehabt hätte. Offensivspieler mit einer hohen Qualität wie Sven Kreyer, Marcel Platzek oder Marwin Studtrucker, die allesamt nicht unbedingt durch ihre Körpergröße glänzen, hängen dadurch komplett in der Luft und verlieren offensichtlich die Lust am Fußball. Dazu kommen die ständigen Umstellungen, die einzig und allein die Planlosigkeit des Trainers unterstreichen. Was hatte sich Fascher etwa dabei gedacht, mit Philipp Zeiger den besten Innenverteidiger im Mittelfeld aufzubieten? Sollte gegen tief stehende Krayer die Defensive gestärkt werden?
All diese Fragen stellten sich rund 8000 frustrierte Essener Anhänger. In einer Sache waren sich einige jedoch einig: Marc Fascher muss gehen - und zwar sofort! Diesen Folterfußball kann ein Verein wie Rot-Weiss Essen seinem treuen Anhang nicht mehr bis zum Ende der Saison anbieten. Doch Fascher alleine zu entlassen, wäre nicht des Rätsels Lösung. Die Farce um die offenbar vergessene U23-Regel hat in erster Linie Dr. Uwe Harttgen zu verantworten.
Der anvisierte Aufstieg wurde innerhalb von knapp vier Wochen verspielt. RWE hatte vor der Saison alles auf eine Karte gesetzt und ist vor allem wirtschaftlich in die Offensive gegangen. Was den Zuschauern jedoch dafür am Freitag angeboten wurde, ist völlig inakzeptabel und für einen Traditionsverein wie Rot-Weiss Essen nicht würdig. Die erste daraus resultierende Konsequenz darf nicht mehr auf sich warten lassen: Marc Fascher muss gehen!
Contra (von Tim Müller): Marc Fascher wirkte auf der Pressekonferenz nach der 0:1-Niederlage gegen den FC Kray ziemlich konsterniert. Die dritte Pleite ohne eigenes Tor im vierten Spiel der Rückrunde hatte ihn mitgenommen. Dass er nachher mit dem Spielverlauf haderte, war durchaus verständlich. Seine Mannschaft war überlegen und wirkte gefährlicher als der Gegner, brachte den Ball aber nicht im Tor unter. Kray seinerseits brauchte nur eine echte Chance in 90 Minuten, um das Siegtor Marke „Tor des Monats“ zu erzielen.
Und obwohl Fascher Recht hat, wenn er diesen Spielverlauf als symptomatisch für die aktuelle Phase der Essener beschreibt, kann eine Formkrise nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Essener Spiel einiges im Argen liegt. Viele Fans stören sich daran, dass die Art von Fußball, die Fascher seiner Mannschaft eingeimpft hat, nicht gerade ansehnlich ist. Es lässt sich argumentieren, dass Erfolg wichtiger ist als schönes Spiel, doch wenn der Erfolg ausbleibt, dann bekommt der Trainer umso mehr Probleme. Die vielen langen Bälle wirken planlos, die Standards sorgen nicht mehr für Gefahr. Die Rufe nach einem Wechsel wurden deshalb so laut wie zuletzt in der Hinrunde nach dem Schalke-Spiel.
Zum aktuellen Zeitpunkt einen Wechsel auf der Trainerposition vorzunehmen, wäre allerdings nicht die richtige Lösung. Der Rückstand auf die Spitze könnte schon am Sonntagnachmittag auf zehn Punkte angewachsen sein – wenn Gladbach II seine Nachholspiele gewinnt, wären es sogar elf. Fascher wenige Monate vor seinem regulären Vertragsende zu entlassen und einen neuen Mann zu installieren, würde den Verein unnötig viel Geld kosten. Ein möglicher Nachfolger hätte kaum eine Chance, den Aufstieg schon in diesem Jahr zu realisieren. Und ob am Ende Platz zwei oder fünf steht, spielt in dieser Liga sowieso keine Rolle..
Fascher sollte die Chance bekommen, gemeinsam mit der Mannschaft das Ruder herumzureißen. Im Sommer hätte er eine komplette Saison Zeit gehabt, seine Vorstellungen mit einer nach seinen Wünschen zusammengestellten Truppe umzusetzen. Diese Zeit hat er verdient. Verbessert sich die Situation nicht entscheidend, kann die Vereinsführung sich immer noch für einen Wechsel zur neuen Saison entscheiden.