Hohe Kosten, wenig Qualität, kaum Perspektive: Nachdem die Mitgliederversammlung des Ligaverbandes den deutschen Profifußball-Vereinen die Entscheidungshoheit übertragen hat, melden immer mehr Klubs ihre U23-Teams vom Spielbetrieb ab. Die Gründe für den Niedergang der Reservemannschaften sind vielfältig, vor allem aber ist den Verantwortlichen der offenbar unmögliche Aufstieg vom Amateur- in den Profibereich ein Dorn im Auge.
Bayer liegt voll im Trend
"Wir mussten erkennen, dass unseren Toptalenten der Sprung in die Bundesligamannschaft nicht über eine zweite Mannschaft in der vierten Liga gelingen kann", sagte Rudi Völler, Sportchef des Erstligisten Bayer Leverkusen. Geschäftsführer Michael Schade betonte auch deshalb, die Nachwuchsarbeit "neu auszurichten und weiter zu verbessern". Der Fokus werde fortan noch deutlicher auf die U19- und U17-Bundesliga-Teams gelegt.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) befürchtet momentan keine "Massenabmeldung" von U23-Teams zur kommenden Spielzeit. "Es ist derzeit nicht erkennbar, dass eine Vielzahl an Lizenzvereinen ihre zweite Mannschaft abmeldet, so dass die kurzfristigen Auswirkungen überschaubar bleiben", sagte ein DFB-Sprecher der Rheinischen Post (Freitagausgabe).
Mit seiner am Mittwoch verkündeten Entscheidung und der geplanten neuen Zielsetzung liegt Bayer voll im Trend. Erst hatte Ligakonkurrent Eintracht Frankfurt die Abmeldung seines U23-Teams vermeldet, kurze Zeit später zog dessen Stadtrivale FSV Frankfurt nach. Beide Vereine wollen wie Leverkusen künftig die nun frei werdenden finanziellen Mittel gezielter in das Nachwuchsleistungszentrum stecken.
Welche Auswirkungen der Rückzug der U23-Mannschaften haben wird, ist derzeit (noch) unklar. Den Regionalligen, in denen die meisten Reserveteams der 36 Profivereine gemeldet sind (oder waren), droht der Wegfall zahlreicher Klubs. Die zuständigen Landesverbände sind machtlos.
Hoffenheim schwört auf U23 als Perspektivteam
"In jedem Verein gibt es unterschiedliche Strukturen und Ausbildungsschwerpunkte", hatte Reinhard Rauball, Präsident des Ligaverbandes, bei der Mitgliederversammlung Ende März die Änderung begründet: "Dem haben wir Rechnung getragen." Die "Entscheidungshoheit" liege daher nun bei den Klubs selbst: Ab dem 1. Juli können diese, müssen aber nicht mit U23-Teams am Spielbetrieb teilnehmen.
Während in Leverkusen und in Frankfurt künftig das Hauptaugenmerk also auf Teams im Jugend- und Juniorenbereich gerichtet werden soll, glauben die Verantwortlichen des Bundesligisten 1899 Hoffenheim hingegen an den Erfolg mit dem U23-Projekt. "Eine hervorragende Infrastruktur" konstatierte Bernhard Peters, der im Kraichgau als Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung agiert. "Der Übergang vom Leistungs- in den Hochleistungsbereich der Profis ist der größte Schritt in der Entwicklung eines jungen Fußballers."
Daher erklärte Alexander Rosen, Direktor Profifußball, dass Hoffenheim zu keinem Zeitpunkt an eine Abmeldung gedacht habe. "Die U23 ist für uns eine ideale Entwicklungsmannschaft, in der unsere besten Talente aus der Akademie und junge Spieler aus dem Lizenzspielerkader wichtige Wettkampfzeit auf einem guten Niveau erhalten."
Derzeit kämpft die Hoffenheimer Reserve in der Regionalliga Südwest um den Klassenerhalt. Ob der von Peters angesprochene Übergang auch im Falle eines Abstiegs in die Oberliga gelingen kann, ist fraglich. Beim FSV Frankfurt scheiterte er: "Der Betrieb einer Oberligamannschaft blieb in den letzten Jahren ohne sportlichen Erfolg, obwohl etwa 55 Prozent des Gesamtetats des Nachwuchsleistungszentrums in Anspruch genommen wurden", sagte Clemens Krüger, Geschäftsführer Finanzen der Hessen.