Wie steht ihr zur Trainerdiskussion der letzten Wochen?
Unser Statement zur aktuellen Lage, eben auch zur Trainerdiskussion, ging durch alle Medien. Wer es nicht gelesen hat, kann es sich auf [url]www.ultras-essen.de[/url] durchlesen.
Wie ist der Draht zwischen Michael Welling und den Ultras, wie steht ihr zu seiner Person?
Wir werden einen Teufel tun, öffentlich über eine Person zu urteilen bzw. diese zu beurteilen. Das ist nicht unser Stil. Wenn wir das wollten, würden wir es mit der jeweiligen Person direkt ausmachen. Ganz ausweichen möchten wir der Frage aber dennoch nicht, wobei wir uns eher auf die komplette Vereinsführung beziehen wollen. Wir haben traditionell einen recht guten Draht zur Geschäftsstelle und den Vereinsverantwortlichen, das war auch schon vor der Personalie Michael Welling der Fall. Wir sehen uns als Teil des Vereins und möchten daher eben auch zu den Verantwortlichen eine gute Beziehung haben. Sicherlich ist man nicht immer einer Meinung, aber wichtig ist der gegenseitige Austausch und vor allem, dass man miteinander statt übereinander spricht. Wenn man sich die Szenerien bei anderen Vereinen anschaut, dass man dort Wochen oder Monate auf einen Termin warten muss, wenn man mal was auf dem Herzen hat, oder eben gar kein Austausch stattfindet und beide Parteien aneinander vorbei leben, dann sind wir durchaus froh, dass es in Essen alles etwas kleiner bzw. familiärer ist. Von daher können wir uns, so wie es jetzt in Essen läuft, nicht beschweren.
Klatschpappen und Familienblock: Rot-Weiss Essen ist von diesen Auswüchsen zum Glück noch weitgehend verschont geblieben. Auch Michael Welling kokettiert immer wieder damit, dass bei RWE noch „Old-School-Football“ erlebt werden könne. Wie viel davon ist durch den Umzug verloren gegangen und habt ihr die Befürchtung, dass es irgendwann so werden könnte wie überall sonst auch?
Es ist schon viel zu sehr Einheitsbrei geworden! Das ist aber wohl weniger dem Umzug geschuldet, sondern ein schleichendes Phänomen, welches jetzt erst richtig zum Ausdruck kommt. Was ist denn noch wirklich für Essen typisch? Davon ab sind solche Header wie „Old-School-Football“ und „Kulturgutschützer“ für uns eher leere PR-Phrasen denen wir keine Beachtung schenken. Die Wahrheit liegt auf dem Platz und da muss man leider sagen, da haben sich die Zeiten eben geändert.
In England werden die Zuschauer in einer Kampagne schon darauf hingewiesen, darauf zu achten, keine Schimpfworte zu benutzen. Von Stehplätzen ganz zu schweigen. Offiziell darf in der Regionalliga sogar kein echtes Bier ausgeschenkt werden, usw. Muss man für die deutsche Fußballkultur und die Stehplatzkultur überhaupt völlig schwarz sehen?
Die Gefahr besteht zumindest. Im Zuge der Kommerzialisierung ist man doch nur auf eine Gewinnmaximierung aus. Für manchen geht es gar nicht mehr um die sportliche Tabelle, sondern nur noch darum, welcher Verein in der Wirtschaftlichkeit oben steht. Dortmund wird Meister? Ist doch egal, Bayern hat 50 Millionen Euro mehr Umsatz gemacht. Wenn man sich England anschaut, dann ist es jedenfalls der krasseste Film, den man hätte drehen können. Da ereignet sich eine schlimme Katastrophe (Hillsborough) auf Grund dessen man die Stehplätze sperrt und die Fans zu Sündenböcken ernennt. Dann werden Ticketpreise immens angehoben, das Publikum komplett ausgetauscht und der Sport zum Event gemacht. Dabei verdient die Industrie Millionen, der Fan schaut in die Röhre. Nach Jahren wird klar, dass eigentlich die Behörden und Sicherheitsorgane Schuld am Unglück hatten und die Medien dies mit vertuscht haben. Keine Verschwörungstheorie, sondern alles mittlerweile dank neuer Gutachten öffentlich nachzulesen. Weit weg sind wir von diesen Zuständen in Deutschland nicht, nur dass man zum Glück kein Hillsborough hatte. Dafür wird jede Woche aus einer kleinen Auseinandersetzung zwischen zwei besoffenen Anhängern gegnerischer Vereine, eine riesige Massenschlägerei von verfeindeten Hooligans gemacht und so ein künstliches Klima der Angst und Gefahr erzeugt, um wiederum so Diskussionen um die Abschaffung der Stehplätze in Gang bringen zu können. Wir haben uns in einer Ausgabe unserer Kurvennews mit dieser Thematik etwas ausführlicher beschäftigt. Wer mag kann sich in unserem Archiv auf [url]www.ultras-essen.de[/url] mal die Ausgabe 11 der Saison 2012/2013 durchlesen.
Wie habt ihr die gesamte Debatte über Ultras, gerade im Zusammenhang mit 12:12 in den Medien verfolgt? Habt ihr das Gefühl, dass inzwischen etwas ausgewogener berichtet wird oder fühlt ihr euch noch immer oft missverstanden und mit Bullshit wie „Taliban der Fans“ konfrontiert?
Wir haben mittlerweile nicht mehr nur das Gefühl missverstanden zu werden, sondern werfen gewissen Leuten und Medien vielmehr Vorsatz und Stimmungsmache vor. Eigentlich haben wir keine Lust mit Namen um uns zu werfen, aber die Bildzeitung ist und bleibt das beste Beispiel in Deutschland. Hauptsache die Schlagzeile stimmt. Inhaltliche Auseinandersetzung gleich null. Gerade auch bei Artikeln und Berichten der Polizeipresse fällt das immer sehr schnell auf. Da gibt es gewisse Plattformen, die diese Berichte eins zu eins übernehmen - gern auch mit Schreibfehlern - und dann verbreiten. Dass solche Berichte aber sehr subjektiv verfasst sind, dürfte doch jedem klar sein. Leider nehmen es auch gerade die lokalen Blätter meist nicht so genau mit der eigenen Recherche. Kopieren und einfügen heißt da das Motto. Der Leser glaubt es natürlich. Ein Teufelskreis. Das ist auch wieder mit ein Grund, warum manch eine Gruppe mit der Presse gar nichts zu tun haben will. Es ist ein enormer Vertrauensvorschuss, wenn sich zum Beispiel Gruppen, wie wir an dieser Stelle, so einem Interview stellen. Leichter wäre es, einfach nichts zu sagen, da kann man ja schließlich auch nichts Falsches sagen oder ins falsche Licht gestellt werden. Zudem haben sich wie gesagt gerade die regionalen Medien bei den fanrelevanten Themen nicht immer mit Ruhm bekleckert. Wenn da aus dem Zusammenhang Zitate in anderen Kontexten falsch dargestellt werden oder man schlicht am Thema vorbeischreibt und reißerische Berichte von bürgerkriegsähnlichen Zuständen bei Fußballspielen bringt, darf man sich nicht wundern, wenn keiner mehr mit einem spricht. Gewisse Medien beschäftigen sich mittlerweile aber tatsächlich mit den Gegebenheiten, recherchieren und hinterfragen damit auch gewisse Sachen. Auch hier passt der genannte Artikel unserer Kurvennews wie die Faust aufs Auge.
Habt ihr die Hoffnung, dass das Thema Polizeigewalt durch den Einsatz auf Schalke etwas mehr in die öffentliche Diskussion rückt und auch die Einsätze der Ordnungshüter kritisch hinterfragt werden?
Nicht wirklich. Das Thema ist doch schon wieder durch bzw. wurde zum Schluss ja noch so gedreht, dass die Schalker Anhänger die Blöden waren und den Einsatz provoziert haben. Dass von Seiten der Polizei, insbesondere der hiesigen Gewerkschaften, keine Kritik zugelassen wird, ist ja bekannt. Wenn aber der Innenminister einen auf beleidigte Leberwurst spielt, nimmt das neue Dimensionen an. Dass in diesem Fall dann aber auch noch der Vorstand vom S04 einknickt und sich dafür entschuldigt, Kritik am Polizeieinsatz geübt zu haben und final auch noch verlautet ließ, dass man in Zukunft auf öffentliche Kritik verzichten wird, rammt den eigenen Leuten doch nur noch mehr das Messer in den Rücken und gibt dem Fußballfan umso mehr das Gefühl Freiwild zu sein. Der Polizeiberuf ist zweifelsohne kein leichter und wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Das ist unvermeidbar. Was uns aber fehlt ist ein aufrichtiges Hinterfragen des eigenen Verhaltens, so wie wir es auch machen. Wenn wir über die Stränge schlagen und dafür Pfeffer, Schlagstöcke und Anzeigen kassieren, stellt sich auch niemand von uns hin und zeigt mit dem Finger auf die Polizei, weil man eben „selber Schuld“ ist und dann hierfür auch gerade stehen muss. Wir haben aber auf der anderen Seite nicht das Gefühl, dass die Polizei Fehler eingesteht und dies auch mal offen zur Sprache bringt und sich hierfür sogar entschuldigt. Alleine diese Einsicht würde das Verhältnis merklich entspannen. Vielmehr wird jegliche Kritik abgeblockt, die Einsätze teilweise mit falschen oder selbst erhobenen Zahlen begründet oder Tatsachen ins Gegenteil verkehrt. Zudem ist das leidige Thema „Identifizierung von Polizeibeamten“ ein rotes Tuch in diesen Kreisen. Warum denn, wenn alles so astrein abläuft, wie es immer nach außen hin dargestellt?
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