Es war ziemlich genau 21 Uhr am Freitagabend. Das Spiel längst gelaufen – und doch hielte das Stadion Essen plötzlich den Atem an. Kerim Avci, der den Platz nach ansprechender Leistung Platz verließ, hatte sich den warmen Applaus verdient. In Wahrheit jedoch galten die Ovationen einem anderen.
Waldemar Wrobel rief Damir Ivancicevic kurz vor der Einwechslung noch einmal zurück, nahm sein Gesicht in beide Hände, drückte seine Stirn beinahe gegen die seine und gab ihm ein paar kurze, energische Worte mit aufs Feld. Man muss kein Lippenleser sein, um zu erahnen, was Inhalt der Unterhaltung war. Taktische Anweisungen hatten sich beim Stand von 4:0 erübrigt. Ivancicevic sollte den Moment wohl einfach genießen. Inklusive der Standing Ovations von 6645 Zuschauern. Dabei ist er für die meisten ein Unbekannter. Ganze zwei Teilzeiteinsätze absolvierte der Kroate bisher für Rot-Weiss Essens „Erste“. Den letzten vor sage und schreibe 931 Tagen, am 27. August 2010. Damals war der heute 23-Jährige zarte 20. Es war der Sommer, in dem Christian Wulff zum Bundespräsidenten ernannt wurde, Deutschland Argentinien mit 4:0 besiegte und die Loveparade zum Trauma wurde.
Seither schrieb Ivancicevic eine Krankenakte, die für zwei Fußballerkarrieren reicht. Nach einem Kreuzbandriss und der schier unendlichen Reha warf ihn ein erneuter schwerer Bänderschaden im Knie zurück auf Null. Nicht einfach, die Hoffnung aufrecht zu erhalten. Noch schwerer wohl, die ganze Leidenszeit zu beschreiben. Doch es reichten auch schon knappe Worte, um seiner Gefühlswelt Ausdruck zu verleihen: „Es war einfach ein geiles Gefühl“, sagte Ivancicevic. Einmal, ein zweites Mal. Sein gelöstes Lächeln sprach den Rest. Nach gut zweieinhalb Jahren Pause feierte er nebenbei sein Regionalliga-Debüt. Doch Wrobel deutete schon an: „Wenn er weiter an sich arbeitet, kann er noch eine Rolle spielen.“ Zumindest darf man ihm wünschen, dass er auf sein zweites Regionalligaspiel nicht lange warten muss.