Angesichts dessen, was die Teams in 90 Minuten Spitzenspiel boten, noch zu wenig. Besser als Rot-Weiss Essen in den ersten 30 Minuten kann man sich beim Spitzenreiter kaum präsentieren. Zwar konnten die Essener gegen die Kölner Offensivkraft nicht alles verteidigen und Dennis Lamczyk musste gegen Aziz Bouhaddouz durchaus einen starken Reflex zeigen, um RWE vor einem Rückstand zu bewahren.
Das war es aber bereits mit der Kölner Herrlichkeit. Den Rest der Partie diktierten die Gäste. Weil sie all das aufs Tableau brachten, was gegen Leverkusen, Schalke oder Wiedenbrück gefehlt hatte, um als Sieger vom Platz zu gehen. Schnörkellos und zielstrebig suchten und fanden die Gäste den Abschluss. Viktoria offenbarte gerade im Zentrum erstaunliche Räume, in denen sich die rot-weissen Kreativkräfte nur zaghaft bedrängt entfalten durften. Markus Heppke nahm die Einladung an, und wusste schon, warum er den Führungstreffer wie seinen eigenen bejubelte. Ein Uwe-Bein-Gedächtnispass auf Konstantin Sawin, der sich die Nerven zuvor offenbar abgeklemmt hatte und allein vor Viktoria-Keeper Dominik Poremba zur Führung für die Gäste abschloss (20.).
Doch damit nicht genug. RWE blieb am Drücker, die Hausherren hatten dem rasanten Umschaltspiel wenig entgegenzusetzen. Der umtriebige Christian Telch ließ Sascha Eichmeier mit einem simplen Haken aussteigen und bediente indirekt Kevin Pires-Rodrigues, der ein feines Füßchen bewies und den Ball platziert zum 2:0 in die Maschen zirkelte. Was war denn hier los?! Und wer vermisste bei den Essener noch mal Benedikt Koep? RWE schien sich die Tore einfach für das Topspiel aufgehoben zu haben.
Doch ganz so leicht wie auf der Spielkonsole lief's für die von gut 2.000 Fans in die Rheinmetropole begleiteten Gäste nun auch wieder nicht. Es war immerhin noch der unangefochtene Tabellenführer, der ihnen da gegenüberstand. Und das machten die Hausherren nun auch langsam mehr als deutlich. RWE besann sich aufs Kontern, hatte aber zunächst alle Füße voll damit zu tun, das Team von Heiko Scholz vom eigenen Strafraum fernzuhalten. Das gelang jedoch immer öfter nicht. Erneut musste Lamczyk gegen Bouhadddouz entschärfen (33.), ehe auch das nichts mehr half. Die linke Abwehrseite: entblößt. Lamczyk: chancenlos. Viktoria war wieder auf ein Tor dran. Nun lag sogar der Ausgleich in der Luft. RWE hatte alle Mühe, sich zu befreien.
Doch nach der Halbzeit war die Kölner Offensive einstweilen auch schon wieder verpufft. Auch wenn der Sportpark Höhenberg keine Hintertortribüne. Doch mit den Ultras kurz vor Strafraumhöhe spielte RWE durchaus auf das "eigene" Tor. Welche Kräfte das beim Team von Waldemar Wrobel mitunter freizusetzen vermag, ist aus dem Heimspielen der Gäste sattsam bekannt. Ähnlich wie die Fahrlässigkeit vor dem Tor. So abgezockt Konstantin Sawin beim 1:0 verwandelte, so schwer war zu glauben, dass er den Ball aus einem Meter (!) übers leere Tor köpfte (51.) und die mögliche Vorentscheidung vergab.
Stattdessen zelebrierten die beiden Teams ein prächtiges Spitzenspiel, das auf und neben dem Platz an Intensität gewann. Während sich die Mannschaften mit zunehmender Härte beackerten und die Fans lautstark duellierten, schlug selbst Viktorias Sportlicher Leiter Franz Wunderlich über die Stränge und sah fortan von der Tribüne aus, dass seiner Viktoria einfach viel zu wenig einfiel, um RWE vor Probleme zu stellen sich die Gastgeber zunehmend Reibungsverluste in der hitzigen Partie hinnehmen mussten. Alles schien auf Auswärtssieg gepolt. Doch es waren die Essener höchstselbst, die die Viktoria wieder aufbauten. Kerim Avci ließ sich zunächst auf ein Scharmützel mit Mariusz Kukielka ein, ließ sich später zu einer Schwalbe hinreißen und musste so vorzeitig mit Gelb-Rot vom Feld (75.).
Vor allem der eingewechselte Ercan Aydogmus machte nun noch mal mächtig Betrieb. Letztlich war auch die Schlussoffensive des Ligaprimus aber zu umständlich und nicht zwingend genug. Kurzum: nicht so schnörkellos und unwiderstehlich wie die Gäste aus dem Ruhrgebiet, die nun endgültig bewiesen haben, dass in Bergeborbeck nicht mehr und nicht weniger als ein Spitzenteam herangereift ist. Das musste auch Viktoria-Kapitän Mike Wunderlich erkennen, der zu schlechter Letzt unmittelbar vor Spielende Gelb-Rot sah und seine Wut an einer Werbebande ausließ und im Kabinentrakt lautstark weiter "randalierte". Es war einfach nicht sein Tag.
Doch damit nicht genug. In den Schlussminuten eskalierte die Situation. Erst sah Grund die Rote Karte nach einem Schubser gegen einen Kölner, ehe es nach dem Abpfiff auf dem Rasen zu einem Handgemenge zwischen den Akteuren kam.