Die Urkunde einer Landesliga-Meisterschaft schmückt das Vereinsheim, 954 Zuschauer standen Kulisse für einen betulichen Kick. Die fußballerische Darbietung des Teams von Thomas Stratos fügte sich ins betuliche Ambiente. Nach 28 Minuten hatten Moritz Kickermann und Benjamin Halstenberg nach haarsträubenden Auftritten bereits fertig. „Das sagt alles dazu, was ich von der Anfangsphase gehalten habe. Das war Schlafwagenfußball. Unansehnlich“, kommentierte Stratos schmallippig.
Waldemar Wrobel hatte in Ostwestfalen mit Kerim Avci und Kevin Grund zwar den zuletzt kreativsten Köpfen die beinahe unumgängliche Pause gegönnt, dürfte aber mit Wohlwollen beobachtet haben, dass die übrigen Elf ihren Job sehr ansehnlich verrichteten. Gerade über die linke Seite konnten die Gäste immer wieder Gefahr heraufbeschwören. Sturmspitze Benedikt Koep hätte die Gäste bereits in Führung bringen müssen. Holger Lemke (34.) holte das zumindest noch vor der Pause nach. Im Angesicht überraschend harmloser Gastgeber ließen sich die arg strapazierten Essener jedoch zur Lässigkeit verleiten, die Zügel glitten RWE aus den Händen, Wiedenbrück drückte. Am Ende jedoch ohne für echte Gefahr zu sorgen. „Der letzte Pass kam nicht so, dass er für den Mitspieler geeignet war“, erkannte Stratos. Wenn der Spielausgang schon allseits so einmütig abgenickt wird, bleibt umso mehr Platz, um den Blick auf Grundsätzliches und das große Ganze zu richten.
Dass Rot-Weiss Essen sich nur vier Tage nach einer der deutlichsten Niederlagen dieser Saison trotz weiterer Ausfälle so selbstbewusst, so selbstverständlich zurückmeldet, ist Zeugnis einer Entwicklung, die RWE nun endgültig nachwies. Auch bittere Nackenschläge werfen das Team nicht mehr aus der Bahn. RWE hat den Elchtest bestanden. Erlebnisse und Rückschläge, die das Team in der Hinrunde noch aus der Bahn geworfen hätte, steckt das Team nun im Kollektiv trotz maximaler Verletzungssorgen weg. Selbst der vorsichtige Blick nach oben ist plötzlich nicht mehr verboten.
Rot-Weiss Essen biegt auf die Zielgerade ein und peilt dabei mit erstaunlicher Präzision die Tabellengefilde an, die Wrobel seiner – auf dem Papier zudem noch um einige Langzeitverletzte stärkeren – Mannschaft zugetraut hat. Mit einem zünftigen Schlussspurt ist nun sogar wirklich Erstaunliches greifbar. „Wenn man sich die Tabelle anguckt, sieht man, dass in beide Richtungen etwas möglich ist. Ich will eine Richtung einschlagen, die für alle Beteiligten die bessere ist. Damit man auch das Gefühl bekommt, hier die nächsten Schritte einzuleiten.“
Das Klassenziel in Reichweite, den Abspann schon in Sicht, wird Wrobel beinahe sogar emotional: „Wenn ich mir die Entwicklung ansehe, die wir hier gemeinsam in den letzten zwei Jahren gemacht haben, das ist schon schön – ohne wenn und aber. Das freut mich für die Jungs und für den Klub.“