Die rührige Rentnerin, die am Eingang Eintrittskarten oder am Grill Bratwürste verkauft, der 55-jährige Torwart aus den Alten Herren, der sich noch einmal aus Personalnot in den Kasten der „Ersten“ stellt und alles hält oder natürlich der Schütze des entscheidenden Tores im Straßenderby. Ins Fernsehen kommen sie selten, ihr Engagement gründet meist aus echter Liebe zu ihrem Verein. Im Dortmunder Süden hingegen, da wo die Westfalenmetropole fast schon ins Sauerland übergeht, wurden einst „Helden der Kreisklasse“ zu Stars.
Es war im Jahr 2004, als der TV-Sender Kabel eins auf die Idee kam, eine der schlechtesten Mannschaften in NRW mit prominenter Unterstützung ins Fernsehen zu bringen. Manni Burgsmüller, langjähriger Bundesligaprofi für Werder Bremen sowie Borussia Dortmund und später ein deutsches Testimonial im American Football, heuerte in Hacheney als Trainer an. Zwei Jahre lang begleitete das Fernsehen das Treiben beim SSV, insgesamt wurden 45 Sendungen à 60 Minuten ausgestrahlt und zwei Spiele der „Helden der Kreisklasse“ in voller Länge auf Kabel eins gezeigt. Gastspiele von Fußballgrößen wie Willi Lippens, Klaus Fischer, Gerald Asamoah und sogar den heutigen BVB-Profis Sebastian Kehl sowie Roman Weidenfeller machten den roten Aschenplatz an der Hacheneyer Straße 88 deutschlandweit berühmt.
Die Feuerwehr war unterwegs, aber woanders Das Glück dauerte zwei Jahre, dann wurde das Format eingestellt und in Hacheney zog der Alltag – zweiter Vorname Tristesse – ein. Das war 2006, und heute droht dem Klub mal wieder das Aus. Mitte Februar brannte es im Vereinsheim, ein Schwelbrand in einem Kühlschrank breitete sich so aus, dass fast das komplette Dach abfackelte. Weil die Jungs aus der Feuerwache nebenan zu einem anderen Einsatz unterwegs waren, rückte ein Löschzug aus der Stadtmitte an. 15 Minuten dauerte das, jede Sekunde fraßen die Flammen Löcher ins Hab und Gut des kleinen Klubs.
Weil der von der Hand in den Mund lebende SSV zuvor noch nicht einmal das Geld für die Versicherung aufbringen konnte, symbolisiert das dicke Loch im Dach der Hütte den Zustand des Vereins ziemlich genau. „Die Versicherung hätte etwa 350 Euro im Monat gekostet. Die hatten wir nicht“, gibt der erst seit 2009 amtierende Vorsitzende Jens Menne zu. „Dabei hätte von damals eigentlich Geld übrig bleiben müssen, aber die früheren Verantwortlichen haben keine vernünftigen Verträge mit den Fernsehleuten gemacht.“
Das Vereinsheim haben sie in Hacheney seinerzeit schick gemacht, ausgerechnet. Großzügig auf zwei Ebenen, unten eine Küche und der Schankraum, oben sogar ein Büro für den Vorstand. Da steht jetzt das Löschwasser knietief und den freien Blick in den Dortmunder Himmel hindern nur eine Folie und ein paar Dachlatten. Ein Dachdecker aus Bodelschwingh hat spontan geholfen und das Dach notdürftig geflickt. In besseren Zeiten hätte das Schicksal des früheren Fernseh-Klubs wohl eine Welle der Solidarität zumindest in Dortmund ausgelöst. Heute stehen Menne und seine Leute wie Bettler da, die um eine milde Gabe winseln, damit hier weiter Fußball gespielt werden kann. „Die Stadt Dortmund hat sich gemeldet und will 50 Prozent der Ausgaben für die Dachreparatur und der oberen Etage des Vereinsheims geben“, berichtet Menne. Immerhin! Bei vorsichtig geschätzten 30.000 Euro Kosten muss Hacheney dennoch 15.000 Euro aufbringen. Wie soll das gehen, wenn nicht 350 Euro für eine Versicherung da sind?
Bayern spendet, der BVB (bisher) nicht Vom Hacheneyer Aschenplatz bis zum Stadion des großen BVB sind es fünf Kilometer. Welten, wie Menne erzählt: „Wir haben in den letzten Jahren immer wieder mal Anfragen gestellt, ob sie helfen könnten, aber von denen kam nichts“, berichtet Menne und führt aus: „Wir haben auch mal den FC Bayern angeschrieben, ob sie für unsere Tombola Fanartikel spenden könnten. Das machen die jedes Jahr, etwa im Wert von jeweils 500 bis 600 Euro. Auch Gladbach, Köln und sogar Schalke schicken meistens etwas, der BVB nicht.“ Bisher nicht, sollte man sagen, denn auf Rückfrage von RevierSport erklärt sich die Borussia durchaus bereit, dem Nachbarn in der Not zu helfen. In den nächsten Tagen soll ein Karton mit schwarz-gelben Fanutensilien den Weg nach Hacheney finden.
Schon ein paar Mal hatten sie in Hacheney ungewöhnliche Maßnahmen gesucht, um aus der ewigen Misere eines C-Kreisligisten herauszukommen. Doch weder eine groß angedachte Kooperation mit türkischen Investoren noch ein „Wiederholungsspiel“ gegen die Produktionsfirma der „Helden der Kreisklasse“ brachten einen nachhaltigen Aufschwung. Leichtathleten als Retter?
Das Problem in Hacheney ist aber nicht die Borussia, sondern die Stadt. In Zeiten, in denen an jeder Ecke ein Kunstrasen „wächst“, werden Vereine mit ollen Aschenplätzen gnadenlos abgehängt. Dabei ist die Infrastruktur rund ums Klubgelände nahezu perfekt, um sogar verschiedene sportliche Interessen unter einen Hut zu bringen. An der Hacheneyer Straße könnten der Fußball und die Leichtathletik eine schöne Zweckehe eingehen. Ganz in der Nähe befindet sich das Goethe-Gymnasium, eine NRW-Sportschule, die einen Sportplatz samt Laufbahn gut gebrauchen könnte. Auch die renommierte LG Olympia Dortmund, die im Stadion Rote Erde mitten an der Strobelallee trainiert, sucht einen neuen Standort. „Unser Gelände ist groß genug, um hier eine richtig tolle Sportanlage für Fußballer und Leichtathleten zu bauen. Man muss es nur wollen“, weiß Menne. Es gibt auch die üblichen Überlegungen, mit benachbarten Vereinen zu fusionieren. Der Traditionsklub VfL Hörde mit seiner Bezirkssportanlage würde sich da anbieten. „Die kriegen nächstes Jahr einen Kunstrasen“, seufzt Menne.
In Hacheney hingegen müssen sie sich weiter ihrem Dachschaden und dem Aschenplatz arrangieren. Am vorigen Sonntag startete die Meisterschaft in der Dortmunder Kreisliga C, Gruppe 4. Es ging zum PTSV Dortmund. Der Post und Telekom Spielverein ist der Heimatklub von Marco Reus. An der Lissaboner Allee haben sie lange nichts von „Woodynho“ gehört, aber das ist eine andere Geschichte.