Schließlich schien noch vor wenigen Wochen der Zug praktisch abgefahren zu sein. Doch die wichtigsten Entscheidungsträger hatten ihr Vertrauen in die Mannschaft und den Trainerstab nie verloren: „Zusammen mit ,Tulle’ habe ich als einziger immer daran geglaubt. In der Winterpause habe ich ihm gesagt: Du schaffst das noch“, berichtet ein sichtlich stolzer RWO-Präsident Hajo Sommers.
Mit „Tulle“ ist Trainer Mike Tullberg (31) gemeint. Trotz der Schwierigkeiten hatte man an dem jungen Trainer festgehalten. Eine Seltenheit, auch in der A-Jugend-Bundesliga. Aber vielleicht war es gerade der Werdegang des Trainers, der diese anhaltende Zuversicht rechtfertigte. Ein Trainer, der in seiner Karriere schon etliche Höhen und Tiefen erlebt hat.
Zunächst lief die Spieler-Karriere des im dänischen Hillerod geborenen Tullberg mehr als rasant: Als ihn 2005 Aarhus GF unter Vertrag nimmt, entwickelt er sich schnell zu einem der großen Sturmtalente des dänischen Fußballs. 2007 gelingt ihm gegen Bröndby per Fallrückzieher gar das Tor des Jahres in Dänemark. Die Türen scheinen dem 1,89 Meter großen Mittelstürmer offen zu stehen. Er wechselt für viel Geld nach Italien, zu Reggina Calcio. Da er sich dort nicht durchsetzte, landete er – nach kurzem Gastspiel in Schottland – 2009 in Oberhausen.
Ab diesem Zeitpunkt beginnt für Tullberg jedoch eine verletzungsbedingte Leidenszeit: Zwei Muskelfaserrisse, ein Muskelbündelriss und immer wieder Probleme mit dem Knie führen dazu, dass er in zwei Jahren Rot-Weiß gerade einmal vier Spiele absolviert. Nach einem gescheiterten Reha-Versuch muss Tullberg schließlich 2012 seine Karriere beenden: Da ist er gerade 26 Jahre alt. Er rappelt sich jedoch schnell wieder auf. Erst als Co-Trainer bei SG Schönebeck, dann kehrt er bereits 2013 zu RWO zurück, um mit dem Nachwuchs zu arbeiten. Im März 2014 wird er schließlich zusammen mit Thomas Hüfner Nachfolger von Trainer Gerd Gotsche der U 19-Mannschaft. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga baut er eine neue Mannschaft auf und schaffte in der Saison 2015/16 den Aufstieg in die Bundesliga sowie ferner die Stadtmeisterschaft und den Kreispokals. Als Sahnehäubchen kommt jetzt der unerwartete Klassenerhalt oben drauf. Zu dieser Herkules-Aufgabe seines scheidenden Coachs findet Sommers nur lobende Worte: „Mike hat einen ganz großen Anteil an diesem Erfolg. Das ist seine Mannschaft. Er hat sie zusammengeführt und aus ihr eine echte Einheit geformt.“
Jetzt sagt der Erfolgstrainer nach knapp sieben Jahren RWO als Spieler und Trainer „Farvel“ (dänisch für „Lebewohl“). Er geht zum Aarhus GF zurück, wo momentan ein modernes Trainingszentrum aufgebaut wird. Daneben wird er dort seine Ausbildung zum Fußballlehrer beginnen. An Wissen und Erfahrungen bringt er trotz seines jungen Alters einiges mit: Ein Fußballerleben geprägt von großen Rückschlägen und vermeintlichem Scheitern, bis hin zum großen Comeback und emotionaler Verbundenheit zur RWO-Familie. Dass der Verein mit dem Kleeblatt für immer einen großen Platz im Herzen des Mike Tullberg haben wird, dürfte dabei wohl niemanden überraschen: „Das ist für mich eine echte Familie geworden. Ob ich als Trainer zurückkehre? Man soll niemals nie sagen. Aber selbst wenn ich nicht mehr als Trainer zurückkomme, werde ich immer wieder als Fan zurückkehren.“