Dass Rot-Weiss Essen in der U17-Bundesliga vor Teams wie Bayer Leverkusen und Fortuna Düsseldorf steht, ist längst keine Überraschung mehr. Zweimal Siebter, einmal Achter – die Abschlussplatzierungen der letzten Jahre belegen, dass RWE längst im Oberhaus etabliert ist. Doch weil die A-Jugend (noch) nicht in der Bundesliga vertreten ist, verlassen die größten Talente regelmäßig den Klub. Ob nun Leverkusen, Gladbach oder Schalke – die Branchengrößen aus der Nachbarschaft wildern gerne an der Hafenstraße.
Die Profivereine mögen das als ihr natürliches Recht betrachten, womöglich sogar als ihre Pflicht. Denn: Welches aussichtsreiche Talent mag sich schon mittelfristig mit Viertliga-Fußball begnügen, wenn noch mehr möglich sein könnte? Womöglich Kai Nakowitsch. Der defensive Mittelfeldspieler ist Kapitän, Denker und Lenker der Rot-Weissen, „mein verlängerter Arm auf dem Platz“, wie Trainer Marco Rudnik es sagt. Schon als Jungjahrgang war Nakowitsch in der vergangenen Saison Stammspieler. Mittlerweile ist er der absolute Leistungsträger seines Teams.
Zur Belohnung darf er seit den Weihnachtsferien zwei Mal wöchentlich mit der ersten Mannschaft trainieren, als einziges Talent aus der U17. „Es macht Spaß, ich kann einiges lernen“, bemerkt der 17-Jährige, der Bastian Schweinsteiger und Cesc Fabregas als seine Vorbilder bezeichnet. Der aktuelle Kader von RWE birgt hingegen wenig Potenzial, was Idole für einen Heranwachsenden angeht. Zwar bezeichnet sich Nakowitsch als gebürtiger Essener als Anhänger seines Klubs, doch sicherheitshalber hat er sich mit Werder Bremen noch einen Zweitverein aus der Bundesliga gesucht. „Das passt auch wegen der Fanfreundschaft“, bemerkt er.
Sein Vater Dirk aber, der schon größere Zeiten von RWE erlebt hat, der sei ein echter Fan, berichtet der Junior. Wie er es seinem Vater beibringen würde, wenn er dessen Herzensklub einmal verlassen sollte? „Er würde das verstehen“, glaubt Nakowitsch. Aber er vermittelt nicht den Eindruck, dass dieses Gespräch schon bald ansteht.
Warum auch? In Essen spielt er in der höchsten Klasse, ist fünf Minuten von seinem Elternhaus zum Training unterwegs und genießt große Anerkennung. „Ich halte sportlich und auch charakterlich sehr viel von Kai. Er hat bei RWE große Möglichkeiten, ganz in Ruhe weiterzukommen. Ich will ihn nicht mit Marco Reus vergleichen. Aber auch für ihn wäre es der ideale Weg, sich bei einem kleineren Verein zu entwickeln“, betont Trainer Rudnik. Womöglich hat er Recht.