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Zocker Nagelsmann appelliert: Keine Schwarzmalerei!

Nationalmannschaft: Zocker Nagelsmann appelliert: Keine Schwarzmalerei!
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Taktik-Experiment gescheitert, Heimdebüt misslungen: Julian Nagelsmann richtet nach der Niederlage gegen die Türkei einen Appell an die Fußball-Nation.

Zu Julian Nagelsmanns großem Appell an die entsetzte Fußball-Nation wurden im Pressekonferenzraum Popcorn-Schälchen gereicht. Wenigstens der Bundestrainer versprühte bei seinem Aufruf gegen Schwarzmalerei und für mehr EM-Optimismus tief unter dem immer noch kochenden Olympiastadion jene Leidenschaft, die er einigen Spielern knallhart absprach. Kritik, ja, die sah Nagelsmann als angemessen an - Weltuntergangsfantasien allerdings auch nach einer alarmierenden Niederlage nicht.

„Wir können jetzt schwarzmalen und alles schlecht sehen, damit werden wir aber nicht weiterkommen“, betonte Nagelsmann genervt, während über ihm 50.000 türkische Fans nach ihrem „Heimsieg“ in eine feurige Berliner Nacht tanzten. Bei Bild-TV warnte auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Morgen nach dem ernüchternden 2:3 (1:2): „Wir gefallen uns oft darin, in eine toxische Situation zu kommen, alles schlechtzureden. Wir müssen jetzt Stärken stärken.“

Stärken stärken? Wirklich? Müssten nicht vielmehr seit Langem offenkundige Schwächen beseitigt werden? Zwei Themen hatte Nagelsmann ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt - Emotionalität und stabiles Verteidigen. Von beidem war vor einer enorm lauten, durchgehend pfeifenden Auswärtskulisse nichts zu sehen.

20 Gegentore kassierte die Nationalmannschaft in bisher zehn Spielen des Jahres. Das letzte zu null war im März gegen Peru, das letzte in einem großen Turnier bei der EM 2016. Auch das Phänomen, sich dem Gegner nicht mit allerletzter Leidenschaft entgegenzuwerfen, ist alles andere als neu - Joachim Löw und Hansi Flick können ein Liedchen davon singen. „Defensivarbeit ist Kopfsache“, beschied Julian Brandt.

Nagelsmann ärgerte arg, dass „einige Spieler nicht die hundertprozentige Überzeugung, den Willen der Gegenspieler“ hatten. Wen er damit ansprach, übergab er der Interpretation. Seine übertriebene Eloge auf Linksverteidiger (ja, wirklich) Kai Havertz ließ aber durchblicken, dass zumindest der völlig überraschend umgeschulte Offensivspieler sich davon ausnehmen durfte.

Eine Stunde vor Spielbeginn war eine Aufstellung gedruckt worden, aus der eigentlich beim besten Willen keine Vierer-Abwehrkette zu bilden war. Dann sprach sich die taktische Sensation herum.

„Weltklasse, sensationell“, nannte Nagelsmann die Leistung des zuletzt kriselnden Arsenal-Profis Havertz anschließend. Die Versetzung biete dem 24-Jährigen „eine sehr, sehr große Chance, ein prägender Spieler dieser EM zu werden“. Denn auf dessen angestammter Position vorne sei gegen Jamal Musiala oder Leroy Sane wenig zu holen.

Dieses gescheiterte Experiment ist also keineswegs beerdigt. Tatsächlich war die Niederlage auch nicht zuvorderst Havertz anzulasten, der das frühe 1:0 erzielte, aber auch den umstrittenen Handelfmeter zum 2:3 unglücklich verschuldete.

„Ich habe nie darüber nachgedacht, warum ein Weltklassespieler nicht auch mal auf einer anderen Position spielen kann“, betonte Nagelsmann. Havertz hatte keinen klassischen Linksverteidiger gegeben, sondern in einer asymmetrischen Kette einen Schienenspieler mit Vorwärtsdrang. Nagelsmann nannte ihn einen „offensiven Joker“.

Das System mit dem „Wirbelsturm“ vorne funktionierte etwa 25 Minuten lang. „Wir saßen oben und waren begeistert“, berichtete Neuendorf. „Dann wurde es unerklärlich.“ Oder auch nicht: Die Türkei ließ sich von der Stimmung aufpeitschen, übernahm mit Härte und Selbstvertrauen auch auf dem Platz die Kontrolle.

Blick geht schon wieder nach vorne

Die große EM-Euphorie war fortan bis in die letzte Betontreppen-Ritze zu spüren - aber aus deutscher Sicht auf der falschen Seite. „Wir sind ernüchtert“, sagte Thomas Müller, „aber das Schöne ist: Es ist nicht das letzte Spiel dieser Länderspielpause. Unser Blick geht schon Richtung Dienstag - wir versuchen, das Ding abzuschütteln.“

Gegen die starken Österreicher mit ihrem Trainer Ralf Rangnick wird es in Wien allerdings kaum einfacher werden. „Die bringen extreme Emotionalität rein, die durch seinen Fußball noch gefördert wird“, sagte Nagelsmann. Wieder: die Leidenschaft!

„Da müssen wir auf demselben Niveau sein, jeder einzelne Spieler“, betonte der frustrierte Bundestrainer: „Dann wird sich die größere Qualität durchsetzen.“ Ansonsten werden die vier Monate bis zum nächsten Länderspiel sehr, sehr lang.

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