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Italiener in Deutschland in Sorge um ihren Calcio
"...so weit ging es noch nie"

Schwere Ausschreitungen in Italien: Auch die italienischen Fußballer in Deutschland verfolgen das Geschehen und berichten gegenüber RevierSport über ihre Gefühle. (Foto: firo)
Schwere Ausschreitungen in Italien: Auch die italienischen Fußballer in Deutschland verfolgen das Geschehen und berichten gegenüber RevierSport über ihre Gefühle. (Foto: firo)
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Der an Skandalen reiche italienische Fußball hat nach den jüngsten Vorkommnissen um den Tod des Lazio-Anhängers Gabriele Sandri seinen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. RS hat sich mit Trainer Piero Lussu, den Spielern Luciano Velardi, Gaetano Manno und Giuseppe Pisani sowie dem Fan Claudio Fratini, die allesamt aus Italien stammen, über die Zustände im Land des Weltmeisters unterhalten.

Piero Lussu, ehemaliger Trainer des VfB Speldorf, zeigt sich als gebürtiger Italiener vollkommen geschockt: "Ich stelle die Entwicklung in der Szene mit großem Entsetzen fest. Ich habe den Italiener immer als Fan, aber nie als einen fanatischen Kriminellen gesehen. Eigentlich himmelt der Tifosi die Fußballer an und sieht sie als Gott. Der Tifosi ist zwar immer aufgeregt und schießt auch mal gerne Raketen und Bengalos ab, aber so weit ging es ja noch nie. Deswegen bin ich von den aktuellen Vorkommnissen tief enttäuscht und auch unheimlich überrascht. So etwas kann man einfach nicht verstehen und akzeptieren. Das hat mit Fußball doch nichts mehr zu tun. Das ist eine segmentierte Truppe, die gerne Krieg spielt. Da es so eine schreckliche Geschichte noch nicht gab und auch nach dem WM-Titel Ruhe herrschte, hoffe ich, dass jetzt schnellstens wieder Ruhe einkehrt. Auch wenn die Italiener befürchten, dass die Geschehnisse eine Lawine auslösen werden. Deswegen wurden ja auch die Spiele abgesagt. Doch ich denke nicht, dass dies etwas bringt, denn dann trifft man auch Unschuldige, die sich für den Sport interessieren. Man muss verschärfte Kontrollen machen und bereits im Vorfeld aktiv werden. So wird aber nicht die Ursache behoben. Ob am Ende vielleicht sogar die Mafia dahintersteckt, kann ich nicht beurteilen. Natürlich kommt man auf so einen Gedanken. Aber ich hoffe nicht, dass es so dramatisch ist."

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Luciano Velardi (KFC Uerdingen): "Nach den Vorfällen kann ich irgendwo verstehen, dass die Fans ausflippen. Zwischen dem Polizisten und dem Anhänger lagen vier Autobahnspuren, als er ihn erschossen hat – das kann doch kein Versehen gewesen sein! Für manche ist dieser Vorgang aber vielleicht auch nur ein Vorwand, um die Gewalt rauszulassen. Es wird immer schlimmer, wenn nicht irgendwann die Handbremse gezogen wird. Man muss die Hooligans endlich stoppen."

Gaetano Manno (VfL Osnabrück): "Solche Szenen möchte man in keinem Land erleben. Dass es in Italien passiert, finde ich persönlich natürlich besonders schlimm. Die Regierung hat kaum Möglichkeiten, die Hooligans zu stoppen. Das sind Leute, die ständig Stress suchen. Wenn ein Spitzenverein wie Juventus Turin einen Zuschauerschnitt von 20.000 hat, liegt das nur zum Teil an dem alten Stadion. Eine gewisse Prozentzahl hat auch einfach Angst, in die Arenen zu gehen. Ich habe vor drei oder vier Jahren ein Derby zwischen AS Rom und Lazio im TV gesehen. Francesco Totti ist mittendrin zu den Anhängern gelaufen, der Ober-Fan sagte: 'Entweder ihr brecht das Spiel ab, oder wir stürmen den Platz.' Daraufhin wurde die Partie tatsächlich abgebrochen. Solch schlimme Verhältnisse gibt es in Deutschland nicht."

Giuseppe Pisano (Schalke 04 II): Meine Familie stammt aus Crotono in Calabrien, ich selbst bin in Düsseldorf geboren und habe nur durch das italienische Café meines Vaters einen direkten Bezug zur Heimat. In der 'Bar dello Sport' in Oberbilk kommen vor allem am Wochenende viele Fußball-Fans, die sich bei uns im Pay-TV-Sender Sky die Spiele der Serie A anschauen. Alle sind entsetzt, was da passiert ist, aber leider sind Ausscheitungen dort nichts Neues. Ich selbst bin seit Kindesbeinen Juve-Anhänger und finde es sehr traurig, dass man in Turin nicht einfach ins Stadion gehen kann, ohne dass man Angst haben muss, dass etwas passiert.

Claudio Fratini (ital. Fan von Ascoli Calcio): "Ich finde es kurios, dass bei dem Mord an dem Polizisten, der vor einigen Monaten in Catania ums Leben gekommen ist, sofort das Spielen eingestellt wurde und bei dem Tod des Fans nun erst nach den weiteren Ausschreitungen reagiert wurde. Ich glaube, dass das auch ein Mitgrund für die weiteren Krawalle war. Man hat auch eine Anhängerschaft mit einem Plakat mit der Aufschrift 'Für Raciti wird alles gestoppt, für einen normalen Fußball-Fan nicht' gesehen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass der Fußball in unserem Land erst einmal tot ist. Nach dem Wettskandal hat der italienische Fußball einen neuen Tiefpunkt erreicht. Ich habe schon Angst, dass der eine oder andere Star der Serie A nun den Rücken kehrt."

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