Im Sommer 2012 wechselte, der in Düsseldorf geborene Sahan vom 1. FC Kaiserslautern an den Bosporus. 27 Bundesligaspiele (ein Tor, zwei Vorlagen) und 73 Partien (elf Tore, zwölf Vorlagen) im deutschen Unterhaus im Trikot des 1. FC Kaiserslautern und MSV Duisburg langten, um in der Türkei bei den großen Istanbuler Klubs begehrt zu sein.
Warum der am 26. Mai 2015 28 Jahre alt werdende Sahan sich letztendlich für Besiktas entschied, welche Ziele er noch verfolgt, was ihn mit dem MSV verbindet und warum er eigentlich den Traum seines Bruders und Beraters Osman (siehe Bild) lebt, verrät er im großen RevierSport-Interview.
Olcay Sahan, sechs Spieltage vor Schluss liefern sich Besiktas, Galatasaray und Fenerbahce ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel. Besiktas liegt nur aufgrund des besseren Torverhältnisses vor "Gala" und einen Punkt vor "Fener". Das ist ja eine wahnsinnige Konstellation... Unglaublich! Die Meisterschaft ist sehr, sehr spannend. Ganz Istanbul darf noch vom Titel träumen. Wir wollen am Ende unbedingt dafür sorgen, dass unsere Fans feiern dürfen. Das wäre eine Party, die die Stadt wohl noch nie erlebt hat.
Was wäre denn so besonders an einem Titelgewinn für Besiktas? Der Verein war zuletzt vor sechs Jahren Meister. Das ist schon etwas lange her. In dieser Saison haben wir leider nur Auswärtsspiele und müssen nach Konya oder Ankara ausweichen. Denn unser neues Stadion wird für die kommende Saison fertiggestellt. Das wird ein atemberaubendes Ding und das modernste der Türkei. Es werden 43.000 Zuschauer Platz finden. Und wenn wir in dieser historischen "Auswärts-Saison" den Titel holen würden, dann wären wir Helden für die Ewigkeit. Es stehen noch sechs Endspiele an.
Ob das jetzt MSV gegen BVB oder Schalke ist, oder sogar Schalke gegen Dortmund - alles schön und gut, aber: gegen ein Istanbuler Derby ist es nichts!
Olcay Sahan
Wie kann man sich die Rivalität zwischen diesen drei großen Istanbuler Klubs vorstellen? Ich kenne ja auch die Derbys aus Deutschland. Ob das jetzt MSV gegen BVB oder Schalke ist, oder sogar Schalke gegen Dortmund - alles schön und gut, aber: gegen ein Istanbuler Derby ist es nichts! Hier ist es viel emotionaler, viel intensiver. Die Atmosphäre im Stadion ist wirklich unbeschreiblich. Da gibt es keine ruhige Sekunde. Zumal unsere Fans als die krassesten, die lautesten der Türkei gelten. Wir brauchen oft Stunden, bis wir am Stadion ankommen, weil die Fans auf den Straßen Spalier stehen. So etwas gibt es nur in der Türkei. Und ich weiß, wovon ich rede, weil wir einige Legionäre in unserer Mannschaft haben, die auch schon in anderen Ländern unter Vertrag standen. Wenn du ein Istanbuler Derby gewinnst, dann feiert der Anhang eine Woche lang. Wenn du das Ding vergeigst, dann ist die Stimmung so wie bei einem Abstieg und das dauert dann mindestens auch eine Woche bis die Menschen wieder zu sich finden.
Sie hatten Ihren Derby-Moment bereits: In Ihrer ersten Saison erzielten Sie gegen Fenerbahce das 3:2-Siegtor - in der 93. Minute! Was ging da in Ihnen vor, was passierte danach? Dieses Ereignis zähle ich zu meinen Karrierehighlights. Das war einfach der Wahnsinn. Ich bin ja von Kindesbeinen an Besiktas-Fan und habe mich auch deshalb damals gegen einen Wechsel zu Galatasaray entschieden, obwohl ich dort mehr Geld verdient hätte. Allein für diesen Moment hat sich das alles gelohnt. Die Mannschaft und ich wurden gefeiert wie Weltmeister. Vor dem Spiel war ich noch Olcay Sahan, danach war nichts mehr so wie es einmal war. Plötzlich war ich ein Star.
Ich lebe hier wirklich meinen Traum oder besser gesagt: den meines Bruders. Ich fühle mich nämlich vom Kopf her eher als der Junge aus Düsseldorf. Mein Bruder Osman ist da Türke durch und durch
Olcay Sahan
Mittlerweile sind Sie ein Superstar in der Türkei! Nummer zehn von Besiktas, Nationalspieler, Marktwert von rund zehn Millionen Euro. Man kann sagen, dass Sie Karriere gemacht haben... Ja, darauf bin ich auch stolz. Ich lebe hier wirklich meinen Traum oder besser gesagt: den meines Bruders. Ich fühle mich nämlich vom Kopf her eher als der Junge aus Düsseldorf. Mein Bruder Osman ist da Türke durch und durch und hatte auch als Fußballer immer den Traum von der Süperlig und der türkischen Nationalmannschaft. Auch wenn er diesen Traum nicht aktiv ausleben kann, ist er mit von der Partie. Er ist mein Bruder und Berater.
Zurück zu Ihnen: Istanbul ist eine Weltstadt. Da können Sie doch sicherlich auch mal unbeobachtet in die Stadt gehen, oder? (lacht) Das denken Sie! Nein, das ist ganz und gar nicht so. Die Stadt ist fußballverrückt und kennt ihre Mannschaften, ihre Lieblinge. Ich war noch nie in der Stadt, in der ich keine Foto- oder Autogrammwünsche erfüllen musste. Musste? Das ist das falsche Wort. Ich mache das sehr gerne und genieße dieses Leben. Der Teil der Popularität gehört dazu. Wenn ich ein wenig Ruhe haben will, dann verkleide ich mich ein bisschen. Sonnenbrille, Base-Cap, dann geht das schon für eine Weile. Jeder Fußballer will versuchen so hoch wie möglich zu kommen. Wenn man oben angelangt ist, dann ist man eben ein wenig bekannter und sollte damit auch umgehen können. Ich versuche das alles zu genießen.
Der MSV Duisburg nimmt einen großen Teil in meinem Herzen ein
Olcay Sahan
Dann müsste es in Düsseldorf etwas ruhiger um Sie sein, wenn Sie in der Landeshauptstadt zu Besuch sind, oder? Nein. Wenn ich über die Königsallee spaziere, dann halte ich auch alle zehn Meter an, um Fotos zu machen oder Autogramme zu geben. In Düsseldorf sind ja auch nicht weniger Türken als in Istanbul zuhause (lacht).
Von Düsseldorf ist es nicht weit nach Duisburg: beobachten Sie eigentlich noch den MSV? Ich habe mich sehr über den Sieg in Dresden gefreut und bin jetzt schon auf die Partie gegen Münster gespannt. Ich habe sowohl das Restprogramm des MSV als auch von Holstein Kiel im Kopf. Es gibt keinen Tag, an dem ich mich nicht über den MSV informiere. Die drei Jahre in Duisburg werde ich nie vergessen. Der MSV Duisburg nimmt einen großen Teil in meinem Herzen ein. Ich drücke dem Verein ganz feste die Daumen, dass der Aufstieg klappt.
Auch wenn ich mich bei Besiktas pudelwohl fühle, ist Deutschland immer und jederzeit eine Option.
Olcay Sahan
Haben Sie denn noch Kontakt nach Duisburg? Leider ist Tobias Willi nicht mehr da. Aber ich habe noch einen engen Draht zu Branimir Bajic und Ivica Grlic. Ich muss an dieser Stelle mal betonen, dass Ivo bei den Zebras eine hervorragende Arbeit leistet und eine Mannschaft zusammengestellt hat, was nicht jeder Sportliche Leiter geschafft hätte. Der MSV und Ivo Grlic - das passt einfach.
Wann werden wir Olcay Sahan wieder in Duisburg sehen? Das wird schwer. Ich habe bei Besiktas noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2018 und koste auch ein paar Millionen Euro. Wie viel genau, das weiß ich gar nicht, das weiß nur mein Bruder Osman. Mal im Ernst: es ist kein Geheimnis, dass ich mit meiner Statistik in der 1. Bundesliga nicht zufrieden bin und diese unbedingt noch aufpolieren will. Ich will meine Qualitäten in der Bundesliga unter Beweis stellen. Auch wenn ich mich bei Besiktas pudelwohl fühle, ist Deutschland immer und jederzeit eine Option.