Es war ein einziger Anruf, der Daniel Gordons Fußballer-Leben auf den Kopf stellte. Jamaika, ließ ein englischer Spielerberater wissen, suche händeringend fähige Nationalspieler. Da seien sie auf ihn gestoßen, denn Nachforschungen zufolge waren die Eltern von Vater Gary, der als britischer Soldat nach Deutschland kam, einst von der Karibikinsel nach England ausgewandert. Oder so ähnlich. Für den Verteidiger des Zweitliga-Aufsteigers Karlsruher SC schien sich jedenfalls die Chance seines Lebens aufzutun: Mit 28 Jahren Nationalspieler - inmitten von Palmen und Meer.
Nach unzähligen Behörden- und Botschaftsbesuchen absolvierte Gordon in den vergangenen Tagen tatsächlich seine ersten Pflichtspiele für die Reggae Boyz. Ja, das sei schon "eine verrückte Geschichte", sagte der gebürtige Dortmunder der WAZ, "wer hätte gedacht, dass ich in meinem Alter noch Nationalspieler werde. Wahnsinn".
"Brasilien 2014 ist auch mein Traum" Viel Zeit zur Eingewöhnung blieb ihm nicht. In den Partien dieser Tage geht es um nicht weniger als die Qualifikation zur Weltmeisterschaft, dem großen Ziel der Nummer 53 der Weltrangliste. "Brasilien 2014 ist auch mein Traum", erzählte Gordon der nationalen Zeitung Jamaica Observer, "und ich werde alles dafür geben, mir diesen zu erfüllen". Nach der 0:1-Niederlage am Mittwoch gegen Mexiko, mit Gordon in der Startelf, musste in der Nacht auf Samstag ein Sieg her gegen die von Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann trainierte US-Auswahl, um als derzeitiger Gruppenletzter den Anschluss nicht zu verlieren.
Den Anschluss ans Team fand Gordon problemlos. Das glaubt man ihm aufs Wort, verbindet man doch kaum ein Land wie Jamaika mit lässig-lockerer Lebensweise. "Die sind schon cool hier", sagt Gordon über seine Teamkollegen, die ihre Flip-Flops gerade mal auf dem Platz gegen moderne Fußballtreter eintauschen. Aber in der Umkleidekabine, versichert Gordon, liegt entgegen aller Vermutungen kein entspannender Tabakduft in der Luft. "Die Vorbereitung auf ein Spiel läuft wie in Deutschland. Nur, dass wir in der Kabine im Kreis zusammenstehen, weil alle sehr gläubig sind."
"Ich habe eine Idee, was sie wollen" Allein die Sprachkenntnisse fehlen ihm noch zur perfekten Integration. Kein Problem, seine Kollegen nehmen Rücksicht: Sie sprechen das Patwah, eine Kreolsprache auf Basis des Englischen, einfach etwas langsamer. "Ich habe eine Idee, was sie wollen", sagt Gordon, "auf dem Platz verstehen wir uns eh’ ohne viele Worte." Also alles ganz easy.
Erfahrungen mit neuen Teams hat Gordon ohnehin. Der gebürtige Dortmunder spielte in der Jugend für die Borussia und debütierte 2007 nach einem kurzem Abstecher beim Reviernachbarn VfL Bochum in der Bundesliga für den BVB. Da er jedoch vorrangig in der Reserve zum Einsatz gekommen war, wechselte er 2009 zu Rot-Weiß Oberhausen und von dort 2011 zum FSV Frankfurt. Ein Jahr später landete er in Karlsruhe - und stieg in dieser Saison auf.
Doch anstatt wochenlang zu feiern, ging es für Gordon ins Trainingslager auf die Bahamas, es folgte ein Testspiel gegen Tottenham Hotspur (0:0). "Ich bin sehr stolz, hier sein zu dürfen", sagt Gordon, schüttelt bei einer anderen Frage jedoch schmunzelnd den Kopf: "Nein", Dreadlocks wolle er sich deshalb nicht wachsen lassen.