In den letzten Wochen hat sich für die deutsche Nationalmannschaft ein so großer Druck aufgebaut, wie er wohl auch in der Qualifikation nicht hätte größer sein können. Für den WM-Gastgeber geht es am Mittwoch in Dortmund (20.30 Uhr/live im ZDF) gegen die USA um viel: Die international angeschlagene Ehre des deutschen Fußballs soll wieder hergestellt werden und vor allem die Schlappe in Italien vergessen gemacht werden.
"Die deutschen Klubs haben bis auf Schalke international alle versagt. Jetzt kann nur noch die deutsche Nationalmannschaft etwas retten", erklärte "Kaiser" Franz Beckenbauer vor dem letzten Test des WM-Gastgebers vor der Nominierung der 23 WM-Kandidaten am 15. Mai. Damit forderte der WM-OK-Chef zugleich eine Ehrenrettung für den zuletzt nicht nur durch sportliche Fehlleistungen in die Negativschlagzeilen geratenen deutschen Fußball.
Anspannung in positive Energie umsetzen
Unterdessen verlangten DFB-Kapitän Michael Ballack und sein Vorgänger Oliver Kahn unisono eine "entsprechende Reaktion" der Mannschaft auf die 1:4-Pleite drei Wochen zuvor in Florenz gegen Italien. Die beiden Bayern-Stars berichteten zudem von einer ungeheuerlichen Anspannung bei den Spielern als auch beim Betreuerstab, die aber gegen die US-Amerikaner in positive Energie umgesetzt werden soll.
"Wir haben uns oft beklagt, dass wir in der Vorbereitung auf die WM nur Freundschafts- und keine Qualifikationsspiele haben und wir den Druck nicht simulieren können. Jetzt haben wir aber eine vergleichbare Situation, denn der Druck ist sehr, sehr groß. So eine Situation haben wir noch nicht gehabt", betonte Ballack, der von einem "sehr wichtigen Spiel" sprach.
Ballack: "Uns formt diese schwierige Phase
Auch hinsichtlich der weiteren WM-Vorbereitung sei das Match gegen die nicht in Bestbesetzung antretenden Amerikaner ein wichtiger Stimmmungstest. "Das ist ein entscheidendes Spiel. Zum einen für unser eigenes Selbstbewusstsein, zum anderen auch für die Stimmung im Land. Es wäre enorm wichtig, mit einem Erfolg in die Vorbereitung zu gehen. Aber ich bin sicher, dass uns diese schwierige Phase formt. Wir werden eine andere Mannschaft als zuletzt in Italien auf dem Platz sehen", meinte der 29-jährige Ballack.
Kahn, der noch einmal betonte, dass er keinen Grund habe, daran zu zweifeln, dass er bei Bundestrainer Jürgen Klinsmann nach wie vor die Nummer eins ist, hofft, dass spätestens mit dem Anpfiff "Druck und Anspannung" von der Mannschaft abfallen. Unabhängig vom Ergebnis gehe es darum, mit "einer engagierten und leidenschaftlichen Vorstellung den verlorenen Kredit zurückzuerobern". Ferner müsse man so kurz vor der WM eine "positive Grundstimmung erzeugen, damit wir weiter in Ruhe arbeiten können".
Feilen am Defensiv-Verhalten
Dass nach der Pleite von Florenz vor allem die Abwehr in der Kritik stand, passt Kahn überhaupt nicht. "Es wird vorschnell immer wieder nur die Abwehr kritisiert, aber die ganze Mannschaft muss als Einheit auftreten", verteidigte der 36-Jährige seine durch die Bank viel jüngeren Vorderleute. Deshalb sei es gerade jetzt wichtig, "dass die jungen Spieler Leute um sich herum haben, die diese Drucksituationen schon erlebt haben. Junge Spieler müssen sich anlehnen können". Nach den ersten Trainingseinheiten, in denen speziell am Defensiv-Verhalten gearbeitet wurde, sieht Kahn aber "einiges in Fluss".
Dies bestätigte am Dienstag auch Klinsmann-Assistent Joachim Löw, der von einer sehr konzentrierten Vorbereitung sprach. Mit Videoanalysen vom Italien-Spiel hätten Bundestrainer Jürgen Klinsmann und er vor allem die "vielen Fehler in der Abwehr" aufgearbeitet. Zudem habe man die Mannschaft eindringlich auf die Stärken und Schwächen der Amerikaner hingewiesen. "Sicherlich fehlen beim Gegner einige Stammspieler. Aber die Mannschaft hat sich zu Beginn des Jahres zu einem siebenwöchigen Trainingslager getroffen, deshalb erwarte ich ein eingespieltes Team."
"Wenn wir mit viel Herz und Hingabe spielen, dann werden wir die USA aber zu Fehlern zwingen und zudem schnell das Dortmunder Publikum hinter uns bringen", sagte Löw. Taktisch werde es zudem keine großen Änderungen geben, Ballack bleibt in der Mittelfeldraute der offensive Mann hinter den zwei Spitzen. Ansonsten habe die DFB-Auswahl nur ein Ziel: "Wir müssen die Scharte auswetzen".