Jürgen Klinsmann erlebt derzeit alles andere als eine ruhige Weihnachtszeit. Der Bundestrainer fliegt am Montag mit zahlreichen Problemen im Gepäck in Richtung Asien. Die "Gurgel-Attacke" von Stürmerstar Kevin Kuranyi gegen Kapitän Michael Ballack, der neuerliche Patzer von Nationalkeeper Oliver Kahn und die Absagen von Frank Baumann und Torsten Frings sorgten schon vor dem Treffen der deutschen Nationalmannschaft im Frankfurter Kempinski-Hotel am Sonntagnachmittag für reichlich Gesprächsstoff.
Doch Klinsmann versuchte, die aufkeimenden Brände beim Vize-Weltmeister vor der Asien-Tournee (13. bis 22. Dezember) mit den Länderspielen gegen Japan (16.12.), Südkorea (19.12.) und Thailand (21.12.) bereits im Keim zu ersticken. "Das ist alles völlig unproblematisch, weil die Spieler das nach der Partie wieder ausgeräumt haben. Kevin ist auf Michael zugegangen, beide haben sich ausgesprochen. Damit ist das Thema bereits erledigt", sagte Klinsmann im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid).
Ballack forderte mehr Respekt von Kuranyi
Dabei hatte Mittelfeldregisseur Ballack noch am Samstagabend einen ganz anderen Eindruck hinterlassen. Kurz vor Ende der Partie zwischen Bayern München und dem VfB Stuttgart (2:2) hatte Kuranyi die Fassung verloren und war Ballack an die Gurgel gegangen.
"Es gehört sich nicht für einen jungen Spieler, einen Gegenspieler so zu attackieren und ihm so an die Gurgel zu gehen", schimpfte Ballack nach der handgreiflichen Auseinandersetzung mit dem 22-Jährigen und forderte vom Torjäger mehr Respekt: "Auch wenn er von den Medien hoch gelobt wird, sollte er sich zurückhalten. Solche Szenen gehören nicht auf den Fußballplatz. Er sollte auf dem Boden der Tatsachen bleiben."
Bierhoff nimmt Kahn auf Asien-Reise in die Pflicht
Reichlich Zündstoff birgt vor dem Abflug am Montag mit der LH 710 nach Tokio auch die erneute Diskussion um Kahn. Der einstige "Titan" erlaubte sich am Samstag beim Treffer zum 0:2 der Stuttgarter durch Kuranyi nicht den ersten Fehlgriff der Saison. DFB-Teammanager Oliver Bierhoff sieht den Bayern-Kapitän bei den Spielen gegen Japan und Südkorea deshalb in der Pflicht: "Oliver hat jetzt in zwei Länderspielen die Chance, seine Form zu zeigen."
Auch Franz Beckenbauer meldete sich in der Torwart-Frage wieder zu Wort. Im Hinblick auf die WM 2006 sieht der Kaiser das Alter der Kontrahenten Kahn und Jens Lehmann als Nachteil. "Wir dürfen nicht vergessen, dass beide mit 35 im Spätherbst ihrer Karriere sind. Mit 35 bist du nicht mehr so schnell", sagte der "Kaiser". Wenn alles normal laufe, werde Kahn bei der WM im Tor stehen, so der WM-OK-Chef, "aber es kann noch so viel passieren". Beim Spiel gegen Thailand darf sich Stuttgarts Timo Hildebrand beweisen.
Friedrich und Engelhardt rücken nach
Probleme bereitet Klinsmann auch die Zusammenstellung seines Kaders. Nachdem Innenverteidiger Robert Huth von Chelsea London wegen einer Sprunggelenkverletzung bereits frühzeitig absagen musste, stehen in dem an einer Rippenprellung leidenden Torsten Frings (Bayern München) und Bremens Frank Baumann (Bänderverletzung) zwei weitere Akteure nicht zur Verfügung.
Für England-Legionär Huth war Arne Friedrich von Hertha BSC Berlin nachnominiert worden. Anstelle von Frings rückt der Thüringer Marco Engelhardt vom Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern in den 21-Mann-Kader. Fraglich ist auch die Teilnahme des Schalkers Christan Pander aufgrund muskulärer Probleme im Oberschenkel. Eine Untersuchung bei Nationalmannschafts-Arzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt im Laufe des Sonntags sollte Klarheit bringen. Fällt Pander aus, wird Klinsmann noch einen Spieler nachnominieren.
Klinsmann: "Langfristige Verträge sind ohnehin nichts wert"
Lässig reagierte der 40 Jahre alte Bundestrainer auf die Forderung Beckenbauers, schon vor der WM 2006 in Deutschland über seine Zukunft als Bundestrainer zu entscheiden. "Ich bleibe bei meiner Entscheidung, die Zusammenarbeit ist erfolgsorientiert. Wenn es eine Bomben-WM gibt, können wir uns gerne zusammensetzen. Wenn die WM aber in die Hose geht, hat sich das Thema sowieso erledigt. Am Beispiel von Rudi Völler hat man ja gesehen, dass in so einem Fall langfristige Verträge ohnehin nichts wert sind", sagte Kinsmann dem sid.