Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) fordert vehement eine Regeländerung, der Weltverband FIFA spricht intern von einer "historischen Sitzung", doch die Gralshüter des Regelwerks werden es wohl mal wieder gemächlich angehen lassen. Revolutionäres ist am Samstag bei der 125. Jahresversammlung des International Football Association Board (IFAB) in Wales nicht zu erwarten - zumal auch FIFA-Präsident Joseph S. Blatter kaum Chancen für die Einführung technischer Hilfsmittel im Fußball sieht.
"Ich habe immer gesagt, wenn wir ein exaktes und einfaches System haben, dann führen wir es ein. Aber bislang waren die vorgestellten Systeme weder exakt noch einfach", sagte Blatter. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Torkamera oder der Chip im Ball eingeführt werde, sei äußerst gering, hatte der Schweizer zuletzt erklärt.
Vor allem das WM-Achtelfinale in Südafrika zwischen Deutschland und England (4:1) hatte die Diskussionen über eine Torlinien-Technologie forciert. Der Schiedsrichter erkannte damals ein klares Tor von Fank Lampard zum vermeintlichen 2:2 nicht an. Auch ein nicht gegebenes Tor in der 90. Minuten beim DFB-Pokal-Halbfinale zwischen dem MSV Duisburg und Energie Cottbus am Dienstag hatte die Wellen zumindest in Deutschland wieder hochschlagen lassen.
Nun geht die Debatte um die Einführung der Torlinien-Technologie am Wochenende in die nächste Runde. Die acht IFAB-Mitglieder, vier Vertreter der FIFA und aus traditionellen Gründen je einer aus England, Schottland, Wales und Nordirland, tun sich traditionell mit Regeländerungen schwer. Die Einschätzung von FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke, die WM in Südafrika habe "vieles geändert", wird daran wohl nichts ändern.
Nach einem Bericht des Guardian sollen alle Torlinien Systeme bei der IFAB durchgefallen sein. Möglicherweise entscheiden die Regelhüter deshalb, dass die bereits in der Champions League und Europa League eingesetzten Torrichter die bessere Variante sind.
Auf einige konkrete Anforderungen an das System hatten sich die Wächter bereits im vergangenen Oktober geeinigt. Die Technik habe präzise zu sein, sich ausschließlich auf die Torlinie zu konzentrieren und nur darüber zu entscheiden, ob ein Tor erzielt wurde oder nicht. Die Entscheidung über die Situation müsse innerhalb einer Sekunde gefällt werden und dürfe ausschließlich an die Schiedsrichter übertragen werden.
Das IFAB hatte sich bereits bei seiner Tagung im März 2010 mit den neuesten technischen Möglichkeiten beschäftigt. Dazu zählten ein Chip im Ball, der signalisiert, wenn der Ball die Torlinie überquert und eine Torkamera, die Aufschluss über die genaue Lage des Balles geben sollte. Beide Lösungen wurden mit großer Mehrheit verworfen.
Dem DFB dürfte Hoffnung machen, dass die Forderung seiner Schiedsrichterkommission mit Technik rein gar nichts zu tun hat. Der Antrag der Kommission unter Vorsitz von Herbert Fandel sieht vor, die Regel 12 dahingehend zu ändern, dass bei der Verhinderung einer offensichtlichen Torchance oder eines Tors, nur für Vergehen, die mit einem Freistoß zu ahnden sind, zwingend ein Feldverweis ausgesprochen wird.
Bislang schreibt die Regel 12 vor, dass das Verhindern eines Tors oder das Vereiteln einer offensichtlichen Torchance des Gegners durch ein absichtliches Handspiel oder durch ein Vergehen, das einen Freistoß oder Strafstoß nach sich zieht, mit einem Feldverweis zu ahnden ist. Für das Aussprechen eines Feldverweises ist es demnach unerheblich, ob das Vergehen im Strafraum erfolgte oder nicht.
Im Pokal-Halbfinale zwischen dem MSV Duisburg und Energie Cottbus wurde der Spieler Bruno Soares in Einklang mit der jetzt geltenden Regelbestimmung wegen der Verhinderung einer offensichtlichen Torchance des Feldes verwiesen. Würde die Regel entsprechend dem Antrag des DFB verändert, wäre ein Feldverweis in solchen Fällen künftig nicht mehr erforderlich.