Aber Özil biss auf die Zähne, schleppte sich auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions zum türkischen Kapitän Emre und sicherte sich dessen Trikot. Diese Trophäe wird Özil immer an ein außergewöhnliches Spiel gegen das Heimatland seiner Eltern erinnern. Mit dem 2:0 für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in der 79. Minute hatte er erheblichen Anteil am 3:0-Sieg in der EM-Qualifikation.
Zuvor hatte der Mittelfeldspieler von Real Madrid ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Bei der Nationalhymne bewegte Özil nur leicht die Lippen, während die rund 40.000 Türken gnadenlos pfiffen. Fan-Plakate mit Aufschriften wie "Diese Fans könnten für dich jubeln, Özil!" zeigten zudem, was die türkischen Anhänger von Özils Entscheidung, für Deutschland zu spielen, auch heute noch halten. Anschließend wurde jede seiner Ballberührungen mit einem Pfeifkonzert bedacht, was Özil vor der Pause sichtlich lähmte.
"Ich verstehe ihn sehr gut"
Vor dem Spiel hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine Lanze für Özil gebrochen und Verständnis für dessen Entschluss geäußert. "Ich verstehe ihn sehr gut. Wir sind dafür, dass jeder Spieler für das Land spielt, in dem er lebt. Wir wünschen Mesut alles Gute", sagte Erdogan.
Nach verhaltener erster Hälfte, in der Özil bereits eine gute Chance vergeben hatte, steigerte sich der ehemalige Bremer nach der Pause, glänzte zunächst mit Pässen und erzielte nach feiner Vorarbeit von WM-Torschützenkönig Thomas Müller ganz cool seinen dritten Treffer in seinem 20. Länderspiel. "Er hat schon bei der WM gezeigt, dass er sich von außergewöhnlichen Situationen nicht beeindrucken lässt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mehr angespannt war als sonst auch. Er wurde in der zweiten Hälfte wie auch Toni Kroos immer präsenter und hat sich immer besser bewegt. Beide haben sowohl defensiv als auch offensiv viel getan. Das Tor hat Mesut toll gemacht, das freut mich für ihn", sagte Bundestrainer Joachim Löw.
Verzicht auf den Torjubel
Nach seinem Tor verzichtete Özil aus Respekt vor den Türken auf überschwänglichen Jubel. Er ließ sich kurz von Vorarbeiter Müller abklatschen und bewegte sich schnell wieder in die eigene Hälfte. Bei seiner Auswechslung in der 89. Minute genoss er dann aber die deutlich hörbaren Sprechchöre im deutschen "Gästeblock."
"Das war eine tolle Reaktion unserer Fans, die Mesuts Leistung gewürdigt haben", sagte Kapitän Philipp Lahm, der auch für Özil lobende Worte fand: "Sicher war es für ihn ein ganz besonderes Spiel. Er ist aber Profi genug, um eine solche Situation zu meistern, das hat er bewiesen." Nach dem Spiel konnte sich Özil selbst nicht äußern, da er wegen seiner Knöchelprellung behandelt werden musste. Die medizinische Abteilung des DFB geht aber davon aus, dass er am Dienstag in Astana gegen Kasachstan (19.00 Uhr MESZ/ZDF) wieder auflaufen kann. Deshalb konnte Özil das Wochenende auch genießen.
"Man muss Respekt voreinander haben"
"Man muss Respekt voreinander haben und freundschaftlich miteinander umgehen. Ich werde aber alles dafür tun, dass wir die Türkei schlagen", hatte er vor dem brisanten Match erklärt. Dass sich der Spielgestalter einst für Deutschland entschieden hat, war für ihn selbstverständlich. Bereits Anfang November 2006 hatte er dem türkischen Fußballverband mitgeteilt, dass er sich zu seiner deutschen Staatsbürgerschaft bekenne. "Ich bin in der dritten Generation hier geboren, aufgewachsen und fühle mich hier sehr wohl. Für mich kam keine andere Nation in Frage", berichtete der 21-Jährige.