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Sportstadt Gelsenkirchen: Boxen - Der BC Erle hat eine ruhmreiche Vergangenheit
Vom Kumpelklub zum Integrationscenter

Sportstadt Gelsenkirchen: Boxen - Der BC Erle hat eine ruhmreiche Vergangenheit
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Hinterhof-Atmosphäre. Die Luft riecht nach Schweiß. Die Duschen und Umkleiden besitzen - charmant ausgedrückt - das Flair der 60er Jahre. Wer sich hier umzieht, heißt nicht Klitschko. Sondern Ahmed Abu-Rup, Nuri Yesil oder Urim Reka.

"Wir sind das größte Integrationscenter Gelsenkirchens", lacht Siegfried Grönke. Er ist der Vorsitzende des Boxvereins BC Erle 49. Und das - mit einer kurzen Unterbrechung - seit nunmehr 36 Jahren.

In dieser Zeit feierte der ehemalige Vorzeigeklub, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, mehr Deutsche Meisterschafen als der große Nachbar Schalke 04. 42 sind es bis heute. "Unsere ersten Deutschen Meister waren Steiger auf der Zeche Graf Bismarck. Wie Adolf Aigner, der für unseren BC 1954 den ersten Titel erboxte", erinnert sich Grönke gerne an die goldenen Tage der Erler zurück. Die liegen freilich lange zurück.

"Heute sind 90 Prozent unserer Boxer Migranten. Oft aus sozialen Brennpunkten der Stadt. Die ganz überwiegende Anzahl sind Muslime", spiegele sich der demografische Wandel in Gelsenkirchen auch an der Herkunft und Motivation seiner Sportler wieder. Ob die deutschstämmigen Jugendlichen zu bequem geworden seien, wisse er nicht. "Tatsache ist, es gibt hier so gut wie keine mehr".

Doch zurück zu den ganz fetten Jahren. Die spielten sich vor allem in den 80er Jahren ab. Von 1979 bis 1991 traten die Gelsenkirchener in der 1. Bundesliga an. 1989 war der BC Erle dort die Mannschaft des Jahres. "Wir waren der erfolgreichste Box-Verein Deutschlands", verweist Grönke auf zahlreiche Erfolge.

Nuri Yesil und Urim Reka lernen bei BC Erle mehr als nur Boxen, sie werden auch für das Leben geschult (Foto: Bunse)

Mit dem fünffachen Deutschen Meister Michael Kopzok stellten sie an der Cranger Straße einen Teilnehmer an Europa- und Weltmeisterschaften. Und noch heute erzählen sie sich hier, dass diesem Erler Jungen nur wegen des deutschen Boykotts der Olympiade 1980 in Moskau die sichere Medaille genommen worden sei.

Olympisches Edelmetall hatten sie aber vier Jahre zuvor trotzdem nach Gelsenkirchen geholt. Der aus Scholven stammende Reinhard Skricek errang 1976 Bronze in Montreal. Und mit dem Horster Norbert Nieroba holte sich hier auch ein echter Profi-Weltmeister im Halbmittelgewicht das Rüstzeug für seine Karriere.

Begründer der Erler Erfolgsgeschichte war der 1994 verstorbene Trainer Fritz Wein. Sein Wirken prägt den Klub bis heute. Als Reminiszenz hängt sein Bild weiter über den Köpfen der Nachwuchs-Boxer in der Kabine.

Als die Sponsoren aus blieben, zog der Verein, der damals einen Etat von 150.000 Euro zu stemmen hatte, zu Beginn der 90er Jahre seine Mannschaft aus der Bundesliga und vom Mannschaftsbetrieb zurück. Als Talentschmiede lebt der Mythos des BC Erle jedoch weiter.

Immer wieder schaffen es Boxer aus dem Gelsenkirchener Hinterhof nach oben. Derzeit sind das der ehemalige WBO-Junioren-Boxweltmeister und amtierende EU-Meister Francesco Pianeta, der seit vier Jahren als Profi für den Sauerland-Stall an den Start geht. Und Manuel Charr, der für den großen Konkurrenten Klaus-Peter Kohl bei Universum in den Ring steigt.

BC-Vorsitzender Siegfried Grönke und Ralf Beisler (Foto: Bunse).

Boxen ist und bleibt in Gelsenkirchen also "in". Wohl auch wegen des immer noch hervorragenden Rufs des BC Erle. "Wir bilden derzeit an zwei Standorten in Gelsenkirchen rund 140 Boxer aus", bestätigt Grönke, der selbst im Besitz einer internationalen Kampfrichterlizenz ist, den anhaltenden Trend. "Viele wollen sich bei uns allerdings nur fit halten. Ganz wenige gehen in den Wettkampf. Und noch viel weniger besitzen das Stehvermögen, nach den ersten zwei, drei Kämpfen weiter zu boxen", kennt Trainer Ralf Beisler die Kehrseite des Geschäftes.

"Aber wir leisten auch Sozialarbeit, bilden Menschen für das Leben aus. Wer hier nach dem Training rausgeht, der haut draußen niemandem mehr auf den Kopf. Bei uns lernen die jungen Menschen, an ihre Grenzen zu gehen und Regeln einzuhalten", sei das für ihn heute mindestens "genau so wichtig, wie der sportliche Aspekt".

Die, die dann noch mehr wollen, werden in bis zu zehn Turnieren im Jahr gefördert. Wie Yesil, der bei der NRW-Jugend gerade auf dem Treppchen stand. Oder Abu-Rup, der es bei den Kadetten (bis 15 Jahre) bereits zum Deutschen Vizemeister brachte. Die Talente gehen also in Erle nicht aus. Sie heißen nur anders als früher.

Zwar bieten sie beim BC Erle mittlerweile auch Kickboxen, Taekwon-Do, Turnen und sogar Gymnastik an. Doch in den Köpfen der Gelsenkirchener bleibt der Name BC Erle untrennbar mit den großen Erfolgen seiner Boxer verbunden. Am 3. Oktober feiert der Verein deshalb im Sportzentrum Schürenkamp seinen 60. Geburtstag. Es soll eine richtig große Boxgala werden. Wie früher, in den goldenen Zeiten.

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