Rocco Leeser ist kein Mensch, der lange mit dem Schicksal hadert. „Jammern hilft nicht. Man muss die Herausforderung annehmen“, sagt der Sportdirektor des VfB Lübeck. Dabei hätte der Niederländer allen Grund zu klagen. Im vergangenen Jahr stiegen die Schleswig-Holsteiner von der Regionalliga in die 3. Fußball-Liga auf. Dies wäre eigentlich ein Grund für eine Saison der Freude. Stattdessen wird die Spielzeit von vielen Sorgen begleitet.
Allein schon die Tabellensituation ist brisant. Der Aufsteiger steht auf dem letzten Tabellenplatz. Vier Punkte beträgt der Rückstand auf die Nicht-Abstiegsplätze. Allerdings absolvierte die Mannschaft von Trainer Rolf Martin Landerl bislang ein Spiel weniger als Viktoria Köln und zwei Partien weniger als der 1. FC Kaiserslautern, die die Plätze 16 und 15 belegen - die Lage ist also nicht aussichtslos.
Gleichwohl wird der sportliche Existenzkampf von Nebenschauplätzen gestört. Da ist zu einen die Stadionsituation, die sich nach dem Wintereinbruch verschärft hat: Nachdem im Februar die Heimspiele gegen 1860 München und Hansa Rostock verschoben werden mussten, da der vereiste Platz an der Lohmühle unbespielbar war, hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den VfB aufgefordert, nach einem Ausweichstadion mit Rasenheizung zu suchen.
„Wir befinden uns mit zwei, drei Vereinen im Gespräch“, sagt Leeser über die Stadionsuche. „Auch uns ist es wichtig, dass keine Spiele ausfallen. Jedes Spiel, das verlegt wird, ist gleichbedeutend mit einer englischen Woche mehr. Das ist sicherlich kein Vorteil.“
Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der Witterungsbedingungen derzeit kein gewöhnlicher Trainingsbetrieb möglich ist. Statt auf einem Rasenplatz zu trainieren, pendelt die Mannschaft zwischen Soccer-Halle und Kraftraum. „Wir improvisieren von Tag zu Tag und hangeln uns durch, so gut es eben geht“, sagt Trainer Landerl.
Hinzu kommen die wirtschaftlichen Sorgen: Hilfsgelder vom Staat, mit denen die ausbleibenden Zuschauereinnahmen zumindest teilweise kompensiert werden könnten, wurden abgelehnt. Heißt: Die Lübecker sollen im Gegensatz zu vielen anderen Profivereinen nicht von dem Programm „Coronahilfen des Bundes für den Profisport“ profitieren. Hintergrund der Entscheidung: Der VfB hatte im Vergleich zum Jahr 2019, als er noch in der Regionalliga spielte, keine Mindereinnahmen.
„Ich kann diese Argumentation nicht nachvollziehen und bin sehr enttäuscht“, sagt Leeser, der von einem Wettbewerbsnachteil spricht: „Andere Vereine, die die Hilfsgelder bekamen, konnten sich in der Winterpause verstärken, wir nicht.“ Damit will sich der Verein allerdings nicht abfinden. Der Vorstand hat einen Brief an Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) geschrieben. Ob dies etwas bewirkt, ist jedoch ungewiss.
Die finanzielle und sportliche Unsicherheit hat auch Auswirkungen auf die Kaderplanung. Die Verträge von 25 Spielern und von Coach Landerl laufen aus. Leeser bittet alle Beteiligten um Geduld: „Solange wir nicht wissen, in welcher Liga wir nächste Saison spielen und wie wir finanziell aufgestellt sind, können wir keine konkreten Angebote unterbreiten.“ dpa