Wagt ein junger Mann den Schritt in den Schiedsrichterjob, heißt es zunächst: lernen, lernen, lernen. Die 17 Fußballregeln werden in 20 Schulungsstunden vermittelt und in einer Prüfung mit 30 Regelfragen abgefragt. Die ersten Schritte in die Praxis erfolgen meist mit der Hilfe erfahrenerer Kollegen. „Denn jungen Schiedsrichtern passieren zwangsläufig Fehler. Ein Fahrschüler kann ja auch noch nicht perfekt Autofahren, wenn er den Führerschein hat“, sagt Werner Schütte.
Im Umgang mit diesen Fehlern sieht der Gelsenkirchener Funktionär das grundsätzliche Problem der heutigen Zeit. „Den Schiedsrichtern wird keine Zeit zum Lernen zugestanden“, meint er. Vor allem in den unteren Klassen sei das Verhalten von Trainern, Spielern und Zuschauern häufig nicht tragbar. „Viele schmeißen nach häufigen Beschimpfungen einfach die Pfeife vor die Füße“, berichtet Schütte. Er beklagt ein schlechtes Image, das vor allem durch die Bundesliga-Berichterstattung vermittelt werde. „Das Problem ist, dass Einzelfehler die Grundlage für ein Gesamturteil sind. Wenn jemand 48 richtige und zwei falsche Entscheidungen trifft, spricht am Ende jeder nur über die beiden falschen“, so Schütte. Hier sieht er auch die Medien zu einem weniger sensationsheischenden Ton gegenüber den Schiedsrichtern in der Pflicht.
Fakt ist: Unter den Unparteiischen gibt es ebenso wie unter den Fußballern ein starkes Leistungsgefälle. „Man kann in der Kreisliga B kein Bundesliga-Format erwarten“, sagt Werner Schütte. Die Kreise und der FLVW haben ein weit verzweigtes Förderungsnetz aufgebaut, das immerhin 14 Schiedsrichter aus Westfalen in überregionale Ligen brachte. Nach jeder Saison legen die Kreise eine Auf- und Abstiegsliste vor.
Auf der jüngsten Liste, die den Weg nach oben eröffnete, stand der Wittener Thomas Altgeld, der seit Beginn der Saison Oberligaspiele pfeift. Lange plante er zweigleisig, spielte und pfiff gleichzeitig für den TuS Stockum. „Aber irgendwann hat mich der Bochumer Schiedsrichterobmann Theo Mennecke gefragt, was ich wirklich will“, erinnert sich Altgeld. Und so entschied er sich für den Erfolgsweg mit der Pfeife in der Hand, der kaum weniger mühsam als eine ambitionierte Fußballerkarriere ist. Denn auch vor dem Aufstieg als Schiedsrichter stehen körperliche Tests, langwierige Lehrgänge und der ständige Druck durch die Beobachtung des Verbandes. Hinzu kommen die Probleme auf dem Platz. „Mir ist selbst noch nichts Unangenehmes passiert. Aber ich kenne viele Erfahrungsberichte von Kollegen“, sagt Thomas Altgeld.
Der betrunkene Ahlenfelder, Persönlichkeiten wie Collina und Eschweiler oder „Spaßmacher“ wie so mancher WM-Schiri aus einem „Fußball-Entwicklungsland“ oder der gestenreiche „You Tube“-Star aus der italienischen Liga - mitunter sorgen Schiedsrichter auch für ein unterhaltsames Moment im Spiel.
Eine Reihe von RS-online-Usern fasste im Gelsenkirchener Kreisliga-Forum „Die lustigsten Schiedsrichterentscheidungen“ zusammen. Ein Blick in den Community-Bereich (reviersport.de/community/forum-showposts-1357-p1.html ) lohnt sich, wenn von Elfmetern wegen Schwalben im eigenen Strafraum, einem Rückpass zu eigenem Torwart oder einfach nur wegen unaufhörlicher Beschimpfungen der Fans die Rede ist und von Toren nach Pfostenschüssen und Sandkastentreffern oder abenteuerlichen Platzverweisen berichtet wird. Das Wichtigste ist: Man muss auch darüber lachen können, wenn bei Schiedsrichtern wie bei Fußballern nicht alles so läuft wie es soll.