Sonntag für Sonntag - auf fast jedem Platz der Republik – spielen sich Szenen ab, die mit Fußball nur wenig zu tun haben. Ein Berliner Insider berichtete sogar mal davon, dass die gegnerische Mannschaft, insbesondere die Defensiv-Abteilung, aufgerüstet hatte. Kleine Nägelchen in den Schuhen und Stahlkappen auf der „Picke“ erwarteten sein Team – Spiele mit Ordnungshütern an der Seitenlinie seien selbst zwischen Kreis- und Oberliga keine Seltenheit gewesen. Dass allerdings übersteigt bei weitem die Grenzen des normalen „Fußball-Wahnsinns“, der reduziert sich im Normalfall auf Unsportlichkeiten und teils vorsätzliches, überhartem Einsteigen. Trauriger Alltag ist indes, was vor rund zwei Jahren Christoph Schmitt (SG Wattenscheid 09) passiert ist.
Dass Christoph Schmitt heute noch Fußballspielen darf, ist reine Glückssache. Sein Kampf um Schmerzensgeld dauert noch an. Das Hammer Urteil könnte aber für seinen Prozess Signalwirkung haben. 09-Foto
Damals war der Offensiv-Stratege noch in Diensten des FSV Witten 07/32. Damals, als er Opfer einer Unsportlichkeit sondergleichen wurde. Vier Operationen musste er über sich ergehen lassen, dass er wieder Fußball spielt ist reine Glückssache. Was war passiert? Bezirksliga-Alltag: Der FSV zu Gast beim TuS Wandhofen. Freistoß im Halbfeld, im Wandhofener Strafraum Betrieb wie an einem verkaufsoffenen Sonntag. Rangeleien. Der Schiedsrichter ermahnt, alles scheint normal. Doch dann: Ein TuS-Verteidiger nimmt Schmitt ins Visier – der Ball ist nicht einmal in der Nähe. „Er ist mit dem Knie voraus auf Christoph zugesprungen“, erinnert sich Frank Richter ehemaliger Kapitän des FSV. Ein Pferdekuss. Ein heftiger, Schmitt musste ausgewechselt werden. „Eine Stunde später und wir hätten amputieren müssen!“
Noch allerdings sah alles nur halb so wild aus. Noch. Am Abend waren die Schmerzen so unerträglich, dass sich Schmitt in die Notaufnahme begab – erste Diagnose: Not-OP. Zweite ärztliche Info: „Eine Stunde später und wir hätten amputieren müssen!“ Starker Tobak. Zum Glück musste es nicht soweit kommen – das Zivilverfahren läuft bis heute. Von Meineid bis gefährliche Körperverletzung – es bleibt die Hoffnung, dass der „Attentäter“ nie wieder einen Fußballplatz betreten darf.
Anders als der Kollege der repräsentativ für den „schwarzen Sonntag 2005“ herhalten muss. Eine Körperverletzung, die republikweit Schlagzeilen macht, weil ein TV-Team vor Ort ist.
Der 18. September 2005, der 11. September des Amateur-Fußballs, brachte uns die grauseligsten Szenen der „dritten Halbzeit“. Dass Opfer Horst Schunk (damals VfB Witten 30, jetzt SV Vormholz) „nur“ mit einer Gehirnerschütterung davon kam, grenzt an ein Wunder. Deutschlandweit sorgte der Eklat nach dem Derby zwischen dem FC Witten 92 und dem VfB Witten 30 für Aufsehen – sogar „stern.tv “ und Bild berichteten. Der Übeltäter, der Strunks Kopf einem Fußball gleichsetzte, darf in nunmehr vier Jahren (Spruchkammerurteil: fünf Jahre Sperre) wieder spielen. Unglaublich, aber wahr.
Nach der Neuordnung, die mit dem Gerichtsurteil aus Hamm einhergeht, dürfte – nicht nur diese Entscheidung – offensichtlich in Frage gestellt werden. Ein Exempel statuierte „Justitia“ an einem Fall aus dem Kreis Bochum. Die Krankenkasse eines Geschädigten (Knöchelbruch nach Notbremse) verklagte die gegnerische Partei auf Schadensersatz für die entstandenen Kosten. Und bekam Recht. 6000 Euro betrugen die Kosten der Behandlung – eine Menge Holz.
Das Gericht verwies darauf, dass Sportplätze oder -hallen keine rechtsfreien Räume sind. Weiter heißt es in der Erklärung, dass Fußball zwar den „Kampfsportarten“ (!) zuzuordnen und mit Verletzungen zu rechnen sei – alles allerdings im Rahmen. Regelverstöße, die außerhalb der „akzeptierbaren Unfairness“ liegen – und somit grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich zugefügt werden, sind strafbar. Im verhandelten Fall jedoch wären strafrechtliche Folgen durchaus denkbar gewesen – der eine sagt: Glück gehabt - der andere nicht. Letztendlich bedeutet das Hammer Urteil vor allem eines: Dass schwere Vergehen – Rempler beim Kopfballduell oder das Zufallbringen beim Kampf um den Ball ausgenommen – nicht nur mit einer Roten Karte, sondern auch strafrechtlich geahndet werden können.