„Ich bin sehr erfolgreich mit meiner Art und werde mich nicht ändern“, bemerkt der Coach von Bayern Münchens Reserve selbstbewusst. Recht hat er: Wer beim Bochumer durch die Lehre geht, der landet nicht selten direkt in der Bundesliga. Weshalb das so ist und warum Gerland auch nach 20 Jahren nicht den Bezug zum Ruhrgebiet verloren hat, verrät er im RS-Interview.
Hermann Gerland, sind Sie ein harter Hund? Nein, das ist ein Vorurteil.
Gefällt Ihnen denn das Image vom antiquierten Arbeiter? Ach, wissen Sie: Sie müssen das weiße Papier schwarz machen, Ihren Kollegen geht es genauso. Wenn ich da was lese von altmodisch – Blödsinn. Ich bin der modernste Trainer! Zuletzt gegen Hertha BSC haben bei Bayerns Profis fünf Leute aus dem eigenen Nachwuchs gespielt, zudem gibt es mit Mats Hummels einen überragenden Akteur bei Dortmund, „Zwetschge“ Misimovic bei Wolfsburg, Piotr Trochowski in Hamburg. Die kommen alle aus unserer Abteilung, und da habe ich ja wohl zumindest ein bisschen mitgeholfen. Sind Sie der Chef-Ausbilder der Bundesliga? Das ist mir völlig wurscht. Wenn ich Talente bekomme und sie sind bereit, mit mir zu arbeiten, dann werden sie Millionäre. Das können die gar nicht verhindern. Ich habe einen Handschlag-Vertrag mit Uli Hoeneß. Herr Hoeneß wird wissen, warum… Mein Auge ist mein großer Vorteil, weil ich sehr früh erkenne, wer es nach oben schaffen kann und ich mich selten täusche. Schauen Sie mal, wie viel Deutsche in der Bundesliga spielen und wie viele davon bei uns ausgebildet worden sind. Und dann gucken Sie mal beim VfL Bochum: Da ist Dennis Grote der eigenen Jugend entwachsen, aber er spielt nicht. Bei Bayern, wo der Verein Stars für neun, zwölf oder 25 Millionen einkaufen kann, spielen fünf Jungs aus dem eigenen Nachwuchs. Das spricht eine deutliche Sprache. Wen haben Sie am liebsten ausgebildet? Ich freue mich über jeden, der es in die Bundesliga schafft. Aber überragend war Philipp Lahm, der hat schon mit 17 überhaupt keine Fehler gemacht. Den brauchte man aber nicht auszubilden, der konnte schon alles. Dem damaligen Profi-Coach Felix Magath habe ich gesagt, ich habe da einen, der sieht aus wie 15 und spielt wie 30. Ihr Liebling war aber Bastian Schweinsteiger, oder? Schweini war ein listiger Spieler mit Ecken und Kanten, so wie ich es gerne habe und wie junge Leute sein müssen. Immer mit dem Gebetbuch durch die Welt zu laufen, bringt ja auch nichts.
Haben Sie für die jungen Kicker auch außerhalb des Platzes eine Verantwortung? Man muss die Jungs permanent reglementieren. Der eine kapiert es und merkt, dass ich es gut mit ihm meine, der andere nicht. Es ist nicht immer förderlich für die Karriere, wenn man in der Jugend nur gelobt wird. Die vergessen irgendwann, sich weiterzuentwickeln. Man muss auch mal dazwischen hauen können.
Sie sind nebenbei als Pferdezüchter tätig. Gibt es Gemeinsamkeiten zur Talent-Aufzucht? Auch da gibt es schon mal welche, die in ihrer Jugend nicht ganz einfach zu führen sind. Aber das sind die, die nachher die Leistung bringen. Die Lieben sind irgendwie nicht so leistungsbereit. Haben Sie ein Faible für die problematischen Fälle? Ich habe nichts dagegen, wenn einer Scheiße baut. Dann kriegt er einen zwischen die Hörner und es geht weiter.
Sind die Talente heutzutage anderen Verlockungen ausgesetzt als Sie damals? Die Menschen haben sich geändert. Wir hatten damals in unserer Straße nur einen Jungen, der einen Ball besaß. Wenn der krank war oder nicht raus durfte, waren alle sauer, weil wir nicht spielen konnten. Heutzutage ist der Ball da, aber es gibt noch tausend andere Möglichkeiten. Die Kinder haben es um ein vielfaches schwerer.
Hat sich auch die Rolle des Trainers gewandelt? Ich sage den Kickern die Wahrheit, wo es langgeht. Die haben dann aber einen Berater, der ihnen erzählt, wie super sie sind und dass ich keine Ahnung habe. Und natürlich hören sie lieber das Lob als den Tadel. Damit muss ich klar kommen. Tadel gab es auch für Sie, nachdem „Zwetschge“ Misimovic nach Bochum gewechselt war… Da hat mich ein Deutscher Meister von 1979 gefragt, was der VfL mir angetan hätte, dass ich ihnen Misimovic empfohlen habe. Dem habe ich erstmal gesagt, dass ihm bei OPEL wohl ab und zu ein paar Räder auf den Kopf gefallen sind. Wenn ich so etwas höre, denke ich, ich bin im falschen Film. Wie kommt man überhaupt als „Bochumer Junge“ in Bayern klar? Ich bin schon 20 Jahre aus Bochum weg, davon habe ich 13 in München verbracht. Nach so einer Zeit fühlt man sich zwar nicht heimisch, aber schon wohl. Dass wir so lange bleiben würden, hätten meine Familie und ich aber nicht für möglich gehalten. Wie sehr vermissen Sie das Ruhrgebiet? Das ist meine Heimat, das kann man nicht so einfach abtun. Meine Mutter lebt da, meine Schwiegereltern, meine Geschwister und meine Freunde. Wie kam es, dass Sie in Ihrer gesamten Spielerkarriere dem VfL Bochum treu geblieben sind? Ich hatte Spaß, Fußball zu spielen. Natürlich gab es auch Anfragen von anderen Vereinen, zum Beispiel aus Kaiserslautern. Aber die hätte ich doch gar nicht verstanden. Und damals war es ja nicht so, dass man mit einem Vertrag auf Schlag Millionär werden konnte. Wie war es denn? Man konnte vielleicht 30.000 oder 40.000 DM brutto mehr verdienen. Die Hälfte wäre an die Steuer gegangen, man hätte ein größeres Auto gebraucht, um nach Hause zu fahren, die Telefonkosten wären höher gewesen – da wäre von dem Geld nichts übrig geblieben. Da bin ich lieber gleich daheim geblieben.
Was bedeutet Ihnen der VfL heute?
Ich drücke immer die Daumen, schließlich ist es mein Heimatverein. Da bin ich groß geworden, ich habe dem Club viel zu verdanken. Darum hoffe ich immer, dass sie sich zwischen den beiden Giganten Dortmund und Schalke in der Bundesliga halten können. Aus meiner Zeit ist noch Frank Heinemann als Co-Trainer dabei, den ich damals als jungen Spieler hatte. Und die Christa Ternow von der Geschäftsstelle, mit der ich noch neulich gesprochen habe.
Gibt es aus Ihrer Sicht die Möglichkeit, mit beiden noch einmal zusammenzuarbeiten? Sie meinen als Trainer? Bisher hatte ich noch kein Angebot vom VfL. Ich habe mich mit dem DFB-Pokalfinale 1988 verabschiedet, das wir so unglücklich verloren haben. Seitdem hat sich nichts mehr ergeben. Können Sie sich überhaupt vorstellen, noch einmal eine erste Mannschaft zu übernehmen? Vorstellbar ist alles, aber ich fühle mich im Nachwuchsbereich gut aufgehoben. Ich kann beim FC Bayern erfolgreich arbeiten. Aber es kann ja auch mal sein, dass die Verantwortlichen sagen, du bist zu alt, hast zu wenig Haare auf dem Kopf oder einen dicken Bauch.
Was machen Sie, wenn die Mission beim FCB beendet ist? Wenn sie mich in München mal nicht mehr haben wollen, dann komme ich nach Hause.