Mit einer als Denkzettel für den ungeliebten Insolvenzverwalter geplanten Aktion haben die Mitglieder den Chemnitzer FC in eine existenzielle Krise gestürzt und dabei sogar die Zukunft des Fußball-Drittligisten aufs Spiel gesetzt. In einer turbulenten und am Ende von wilden Wortgefechten überschatteten Mitgliederversammlung platzte die Wahl eines neuen Aufsichtsrats, so dass der Club führungslos ist und Insolvenzverwalter Klaus Siemon der starke Mann bleibt.
„Das ist der Super-GAU. Vereinsrechtlich ist das eine bittere Stunde, weil die Gremien nicht handlungsfähig sind. Aber die Mitgliederversammlung ist ein demokratisches Organ und das müssen wir akzeptieren“, sagte Aufsichtsratskandidat Norman Löster.
Siemon hatte vor der Versammlung gefordert, eine neben Löster noch sechs weitere Personen umfassende Liste als neuen Aufsichtsrat zu wählen. Auf dieser Liste galten nur Löster und Not-Vorstand Anette Neuerburg als unabhängig gegenüber Siemon oder der CFC Fußball GmbH, unter deren Dach die Profi-Mannschaft angesiedelt ist. Siemon, der am Montagabend nicht vor Ort war, hatte sogar mit der Liquidation des Vereins gedroht, sollte die Liste nicht gewählt werden. Gegen diese Erpressung wehrten sich die Mitglieder, ließen die Liste durchfallen und einigten sich damit auf eine Einzelpersonenwahl.
In dieser stimmten die fast 700 Mitglieder gegen zwei von Siemon unterstützte Kandidatinnen. Zwar hatte man sich bereits auf vier neue Aufsichtsräte geeinigt, doch der fünfte zog seine Kandidatur kurz vor der Wahl zurück - und ließ so die ganze Veranstaltung platzen. Laut Satzung muss der Aufsichtsrat aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen. „Ich habe vorher gesagt, ich stehe nur für die Liste zur Verfügung“, sagte der Unternehmer Olaf Pönisch, der seine Kandidatur zurückgezogen hatte.
Ohne neuen Aufsichtsrat kann kein neuer Vorstand bestimmt werden. Der seit Mai amtierende Not-Vorstand ist ebenfalls nur noch bis Ende des Monats im Amt - und zwei der drei Vorstandsmitglieder scheiden definitiv aus. Der Verlierer ist der Verein.
Auch in der öffentlichen Wahrnehmung gibt der CFC ein desolates Bild ab. „Bis Mai war der Verein sportlich und wirtschaftlich auf einem sehr guten Sanierungskurs. Anschließend haben das Registergericht und der Not-Vorstand dem Verein durch ihr Handeln sehr großen Schaden zugefügt“, sagte Siemon der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Eine Behauptung, die schwer belegbar ist. „Einen Sanierungsplan des Insolvenzverwalters für den Verein kenne ich bis heute nicht“, sagte Not-Vorstand Neuerburg.
Und selbst die Investoren der GmbH verlieren langsam ihren Optimismus. Allerdings sehen sie als Ursache den 9. März 2019. Hier geriet der CFC durch eine Trauerzeremonie für einen Neonazi vor einem Regionalligaspiel in die Schlagzeilen. „Seitdem haben wir im Bereich Sponsoring gigantische Probleme. Der Businessplan der GmbH ist seit diesem Tag das Papier nicht mehr wert, auf dem er steht“, sagte Unternehmer Udo Pfeifer, einer der Investoren.
Ohnehin sind erst 11 von 49 Prozent der GmbH-Anteile verkauft worden. Erst wenn für alle Anteile Gesellschafter gefunden worden sind, verfügt der CFC über ausreichend finanzielle Mittel, um seine Gläubiger zu bedienen. Verlieren die bisherigen Investoren allerdings die Lust, wird auch Siemon große Probleme bekommen, den Profi-Fußball in Chemnitz fortzuführen. dpa