André Hechelmann rückt beim FC Schalke 04 nach dem angekündigten Rückzug von Sportvorstand Peter Knäbel noch mehr in den Fokus. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der Sportdirektor des Tabellen-16. der 2. Fußball-Bundesliga über die Pläne für das Wintertransferfenster, den neuen Trainer Karel Geraerts und die Zusammenarbeit mit Knäbel.
Statt um den Aufstieg mitzuspielen, liegt Schalke auf dem Abstiegsrelegationsplatz. Wo sehen Sie die Gründe für die aktuelle Lage?
Klar ist, wir haben uns das alle ganz anders vorgestellt und sind sehr unzufrieden mit dem bisherigen Saisonverlauf. Wir sind mit dem Ziel, aufsteigen zu wollen, in die Saison gestartet. Mit 13 Punkten und Platz 16 nach 13 Spielen ist die Momentaufnahme absolut unbefriedigend. Wir befinden uns deshalb mitten in der Analysephase, konnten schon wichtige Erkenntnisse für uns gewinnen. Diese bringen Trainer Karel Geraerts und ich täglich ins Team ein, um die dauerhafte Trendwende einzuleiten, die wir dringend brauchen. Parallel läuft der Spielbetrieb natürlich weiter und wir haben den vollen Fokus auf den vier Spielen, die wir bis zur Winterpause noch vor der Brust haben.
Wie groß ist Ihre Sorge, dass Schalke tatsächlich in die 3. Liga absteigen könnte?
Das wird nicht passieren. Wir wissen um die prekäre Momentaufnahme. Wir wissen aber auch, dass viel mehr in der Mannschaft steckt. Darauf fokussieren wir uns, diese Qualität auf den Platz zu bringen.
Welche Konsequenzen hätte ein Abstieg für Schalke?
Bitte nicht falsch verstehen: Ich beschäftige mich nicht mit dem Abstieg. Natürlich ist es unsere Pflicht, alle Szenarien vorzubereiten, und das machen Abteilungen innerhalb des Vereins auch. Aber wir im Sport müssen nach vorne auf die kurzfristigen Herausforderungen blicken und Positivität reinbringen. Unser Cheftrainer lebt es uns jeden Tag vor, genauso müssen die Spieler die geforderte Siegermentalität in jeder Minute verkörpern - sonst ist für denjenigen kein Platz auf Schalke. Das bedeutet auch, dass wir an unsere Fähigkeiten glauben, dann werden wir Schritte aus dem Tabellenkeller heraus machen.
Gibt es konkrete Punkte, die Sie als Fehleinschätzungen vor der Saison benennen können?
Wir gehen mit der Situation sehr selbstkritisch um - ich selbstverständlich auch. Dass seit dem Sommer einige Annahmen nicht eingetreten sind, steht beim Blick auf die Tabelle außer Frage. Wir sind trotz des Abstiegs mit einem guten Gefühl in die Saison gestartet. Wir waren uns einig, dass wir unsere Spielweise in der 2. Bundesliga anpassen müssen. Schalke bekommt in der 2. Bundesliga fast immer die Favoritenrolle. Uns war klar, dass wir mehr Ballbesitz haben werden. Entsprechend haben wir unser Augenmerk bei Transfers vor allem auch auf fußballerische Qualitäten gelegt. Wir haben jeden Transfer nach bestem Wissen und Gewissen getätigt. Trotzdem gehört es zur Wahrheit, dass wir es noch nicht hinbekommen, über 90 Minuten die Performance abzuliefern, die notwendig und unser Anspruch ist. Da sind alle gefordert. Zudem müssen in der aktuellen Situation noch mehr Spieler in kritischen Situationen vorangehen und Verantwortung übernehmen. Das machen bislang nur einzelne, obwohl wir dafür die Charaktere in der Mannschaft haben.
Haben die Neuzugänge denn die Qualität, die Sie von ihnen erwartet haben?
Unsere Neuzugänge haben bei ihren vorherigen Stationen gezeigt, dass sie Qualität haben und dort wichtige Spieler waren. Auf dieser Basis haben wir sie verpflichtet. Die Qualität haben sie in dieser Saison noch nicht regelmäßig und konstant genug abgerufen.
Der Kader wurde mit Thomas Reis geplant, der inzwischen von Karel Geraerts abgelöst wurde. Inwiefern passt der Kader zum neuen Trainer?
Wir haben von Beginn an mit Karel über unseren Kader gesprochen. Er hatte schon im ersten Gespräch konkrete Ideen, wo er welchen Spieler einsetzen kann und wie sie zu seiner Spielidee passen. Phasenweise sieht man bereits, wo Karel mit seiner Spielidee hin möchte. Aber 100 Prozent Geraerts-Fußball haben wir noch nicht gesehen. Das bedarf Zeit. Karel hatte noch keine Vorbereitung mit dem Team. Wir arbeiten im laufenden Betrieb an einer Weiterentwicklung, der Fortschritt ist an einigen Stellen auch erkenn- und messbar. Zum Beispiel waren wir gegen Elversberg in der Lage, 118 Kilometer zurückzulegen - unser Saisonbestwert in der Liga. Die ausstehenden vier Spiele vor der Winterpause werden wir genau analysieren und in unsere Planungen für die kommende Transferphase einfließen lassen. Jeder muss sich zeigen und anbieten.
Schalke hat nach wie vor Schulden. Wie handlungsfähig sind Sie mit Blick auf die kommende Transferperiode?
Wir sind handlungsfähig. Karel und ich tauschen uns aus, welche Veränderungen wir uns in beide Richtungen vorstellen. Das ist die Basis. In meiner Zuständigkeit liegt dann, mit dem Vorstand auszuloten, was möglich ist. Das werden wir zeitnah tun. Die wirtschaftliche Situation ist, wie sie ist, da werden Sie von mir kein Klagen hören. Wir müssen mutig sein und die besten Optionen finden, die zu Karels Idee passen.
In welchem Umfang planen Sie im Winter Transferaktivitäten?
Wenn man auf Platz 16 steht, muss man verschiedene Optionen durchdenken und prüfen. Unser Ziel ist grundsätzlich Kontinuität und Stabilität, und dementsprechend gehen wir auch in das Wintertransferfenster.
Ein strategisches Ziel des Vereins lautet, auf junge Spieler mit Entwicklungspotenzial zu setzen und den Kaderwert zu erhöhen. Überlegen Sie angesichts der sportlichen Situation, sich im Winter trotzdem um erfahrene Spieler zu bemühen, die der Mannschaft vielleicht kurzfristig besser helfen?
Den genannten Weg haben wir gemeinsam beschlossen und davon sind wir auch weiter überzeugt. Manchmal muss man vielleicht auch einen kleinen Umweg gehen, um das Ziel zu erreichen. Dementsprechend halten wir uns alle Möglichkeiten offen.
Nach dem angekündigten Rückzug von Sportvorstand Peter Knäbel im Sommer stehen Sie noch mehr im Fokus. Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit ihm in den kommenden Monaten vor?
Die Verantwortung spüre ich seit dem Tag, an dem ich Sportdirektor geworden bin. In der täglichen Arbeit wird sich durch Peters Verkündung nicht viel ändern. Im operativen Geschäft sind Karel und ich diejenigen, die auch in den vergangenen Wochen schon die Themen besprochen haben und die versucht haben, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, um den Turnaround einzuleiten. Peter steht uns, wie zuvor auch, mit Rat und Tat zur Seite. Seine Expertise und Erfahrung werden auch in den nächsten Wochen und Monaten sehr wichtig sein.
Der Posten des Sportvorstands ist dann nach der Saison vakant. Inwiefern beschäftigen Sie sich mit dem Posten?
Gar nicht. Meine Aufgabe ist es, mich mit unserer Mannschaft zu beschäftigen und zu prüfen, wie wir die nächsten Etappen erfolgreich bewältigen. Alles andere spielt für mich keine Rolle.
Seit Oktober ist Karel Geraerts Schalke-Trainer. Wieso ist er aus Ihrer Sicht der richtige Trainer für den Verein?
Das beginnt mit der Art, wie er kommuniziert. Er ist einnehmend, positiv und setzt Energie frei. Inhaltlich arbeitet er sehr detailliert. Seine Analysen sind sehr gut. Da höre ich selbst gerne zu, um weiterzulernen. Das, was er mit den Spielern bespricht, findet sich auch im Training wieder. Wir müssen es jetzt schaffen, das auch am Wochenende ins Stadion zu transportieren.
Die zweite Liga ist sehr eng. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Schalke mit einer Serie vielleicht doch noch in den Kampf um den Aufstieg eingreifen kann?
Wir können die Situation sehr wohl einschätzen. Für uns zählen aktuell nur die vier Spiele vor der Winterpause. Danach wollen wir möglichst weit weg sein von den letzten drei Rängen. Dann wollen wir uns neu ordnen. Denn wir sind es den Fans schuldig, das Maximum aus der Saison herauszuholen.