Die königsblauen Fahnen wehten im Frühlingswind, die Spieler rannten mit erhobenen Armen in die Fankurve, die Anhänger jubelten so laut sie konnten und an der Seitenlinie umarmten sich die Verantwortlichen ganz fest:
An einem Traum-Spieltag gelang dem FC Schalke 04 ein fulminanter 5:2 (2:2)-Auswärtssieg im Topspiel bei Darmstadt 98 – ein Sieg, mit dem S04 die Tabellenführung festigte und den Vorsprung auf den Tabellenvierten auf fünf Punkte erhöhte. Der Aufstieg rückt näher. In einem verrückten Spiel hatten die Schalker den Sieg ihrem Zauber-Trio zu verdanken: In der Offensive brillierten Marius Bülter (drei Tore, eine Vorlage), Simon Terodde (zwei Tore, eine Vorlage) und Rodrigo Zalazar (eine Vorlage).
Dass etwas Besonders in der Frühlingsluft lag, merkten die 14.500 Zuschauer im ausverkauften Stadion am Böllenfalltor schon vor dem Anpfiff: Die Stimmung war erstklassig, die Profis schworen sich in einem Mannschaftskreis ein, sie feuerten die eigenen Fans an, als der Ball noch nicht einmal rollte. Und schon in der ersten Halbzeit erlebten sie ein Spiel, das sie so schnell nicht vergessen werden.
Die Lilien begannen mit einem Wahnsinnstempo, gewannen in den ersten 13 Minuten alle wichtigen Zweikämpfe. Die Schalker, mit derselben Startelf angetreten wie beim 3:0-Erfolg über Heidenheim vor einer Woche, kamen überhaupt nicht ins Spiel. Die Körpersprache, beim Aufwärmen noch emotional, intensiv, wich nun hängenden Köpfen. Und Darmstadt hatte riesige Möglichkeiten: Matthias Bader scheiterte mit einem Volleyschuss an S04-Torwart Martin Fraisl (3.), Lasse Sobiech köpfte den Ball knapp über die Latte (4.) und Braydon Manu schoss ihn auf die Latte (10.).
In der zwölften Minute fiel das hochverdiente 1:0. Nach einer Flanke von Tim Skarke stieg Philipp Tietz am höchsten – sein Kopfball prallte gegen den Innenpfosten, Tietz setzte nach und traf zum 1:0. Gut sah es nicht aus für schläfrige Schalker.
Erst in der 14. Minute überschritten sie erstmals mit einer Kombination die Mittellinie. Rodrigo Zalazar erhielt auf der rechten Seite den Ball, flankte auf den ersten Pfosten. Dort verlängerte Marius Bülter mit dem Kopf, Simon Terodde hatte sich im perfekten Moment von seinem Gegenspieler gelöst und traf zum 1:1. Das Tor fiel aus dem Nichts, eins der schmeichelhaftesten Tore der Saison. 98-Trainer Torsten Lieberknecht regte sich fürchterlich auf, glaubte, in der Entstehung ein Foul erkannt zu haben. Lieberknecht sah Gelb.
Nun wurde das Spiel aggressiver, und Schiedsrichter Tobias verlor kurzzeitig die Linie. Zwei Spieler mussten verletzt raus – der Darmstädter Lasse Sobiech war von Terodde gefoult worden (22.) und Schalke-Kapitän Danny Latza übel von Fabian Holland (24.). Pechvogel Latza musste auf einer Trage abtransportiert werden, Holland sah für seine Grätsche nicht einmal die Gelbe Karte. Diesmal meckerte die Schalker Bank, allen voran Trainer Mike Büskens.
Das Spieltempo blieb hoch – die Schalker nutzten in der 30. Minute auch ihre zweite Chance. Nach einer zauberhaften Flanke von Zalazar gewann Terodde das Kopfballduell im Strafraum und traf zum 2:1. Das war sein 24. Saisontor. Die 1300 mitgereisten Schalke-Fans konnten ihr Glück kaum fassen, die Darmstadt-Fans feuerten an. Ihre Lilien schlugen sofort zurück. Der schnelle Manu sprintete an Schalke-Verteidiger Kerim Calhanoglu vorbei und flankte auf Tietz – Kopfball, Tor, 2:2. Gerade auf den Außenpositionen sahen Calhanoglu und Rechtsverteidiger Henning Matriciani oft schlecht aus.
Für den Schlussakkord in einer verrückten, wilden, leidenschaftlichen ersten Hälfte sorgte wieder Schalke. Bei einem Konter spielte Dominick Drexler den Ball auf Marius Bülter, der in den Strafraum eindrang und mit einem abgefälschten Schuss zum 3:2 für Schalke traf. Drei Chancen, drei Tore – effizienter geht es nicht. Die Darmstädter entschieden 64 Prozent der Zweikämpfe für sich, hinterließen einen blendenden Eindruck, lagen aber zurück.
Die zweite Hälfte begann, wie die erste endete: mit einem Tor. In der 47. Minute jubelte Darmstadts Torjäger Pascal Tietz, doch das vermeintliche 3:3 zählte nicht – Abseits. Die Darmstädter Fans waren schnell wieder auf Temperatur, feuerten laut an. Doch mitten in diese Aufholjagd-Euphorie fiel das 4:2 für Schalke – im Gegenzug. Nach einem simplen Schalker Befreiungsschlag verlängerte Victor Palsson den Ball nach vorn.
98-Torwart Morten Behrens und Verteidiger Patric Pfeiffer verließen sich aufeinander, blieben stehen – Bülter war der Nutznießer und erhöhte für S04. Damit war der Widerstand der Gastgeber erst einmal gebrochen. Rodrigo Zalazar traf die Latte (56.) und in der 63. Minute fiel sogar das 5:2 für die Schalker. Simon Terodde verlängerte einen Pass per Kopf auf Bülter, der ließ den schwachen Pfeiffer mit einer einfachen Körpertäuschung stehen und erzielte sein drittes Tor. Das war die Vorentscheidung, zumal die Darmstädter nun auch physisch nachließen.
Das Spiel war gelaufen, die Schalker schaukelten in einer überraschend ereignislosen Endphase den fünften Sieg in Folge über die Zeit. Dass Schalke Mitte Mai den Aufstieg feiern darf, ist nicht mehr unrealistisch.