Nicht nur sein ehemaliger Klub VfL Bochum, bei dem er kurz vor dem Saisonstart der Zweiten Liga entlassen wurde, steckt im Abstiegskampf, auch mit dem FC Twente kämpft der Niederländer Gertjan Verbeek (55) in seiner Heimat als Trainer und Sportlicher Leiter um den Klassenerhalt. Wir sprachen mit ihm über seine Sicht auf zwei Fußballländer.
Welche Erfahrung haben sie aus ihrer Zeit in Bochum mitgenommen? Gertjan Verbeek: Dass es wichtig ist, mit der sportlichen Leitung auf einer Wellenlänge zu sein. Wenn das nicht mehr der Fall ist, muss man sich voneinander verabschieden. Ich habe noch immer guten Kontakt zu Christian Hochstätter, der leider inzwischen beurlaubt wurde. Wir haben zweieinhalb Jahre prima zusammengearbeitet. Es war nicht immer einfach, aber er war jemand, der stets hinter mir stand - auch in den Momenten, in denen es mal nicht gut lief. Letztendlich schaue ich mit sehr viel Freude auf meine Zeit beim VfL zurück.
Wann kam es zum Bruch in Bochum? Nach zweieinhalb Jahren kommen einem einfach irgendwann Probleme entgegen: mit Spielern, Mitarbeitern, der Presse. Dann muss man eine gemeinsame Sprache im Verein sprechen, vor allem wenn es um die Profi-Mannschaft geht. Sobald Spieler merken, dass keine gemeinsame Linie gefahren wird, grätschen sie gleich zwischen die Fronten und es kann ganz schnell zu größeren Rissen kommen. Das konnte man leider ganz schnell sehen in Bochum. Ich bin nicht der einzige Trainer, der in dieser Saison dort gestolpert ist.
Seitdem sie weg sind, geht es sportlich abwärts beim VfL. In der Tat.
Nochmals: Was führte letztendlich zu ihrer Entlassung? Wir hatten nicht mehr dieselbe Idee. Ich bin dort für die Mission geholt worden, Bochum binnen drei Jahren wieder in die 1. Liga zu führen, am liebsten in zwei. Als wir in die dritte Saison hineingingen, hatten sich die Umstände allerdings so entwickelt, dass ich nicht mehr sagen konnte, wir können nach außen die Haltung vertreten, um den Aufstieg spielen zu werden. Ein Ziel muss realistisch sein, schließlich wird man Trainer daran gemessen.
Wenn man um den Aufstieg spielen will, braucht man entsprechende Qualität im Kader. Das ist auch eine Geldfrage. Wenn man immer lange darauf wartet bis Spieler bei Erstligisten aussortiert werden, dann ist es Ende August.
Gertjan Verbeek
Ihre Einschätzung hat sich bewahrheitet. Für den VfL ging es in dieser Saison abwärts. Ich fand die Zielsetzung Aufstieg nicht mehr realistisch. Hochstätter hingegen fand, dass es darum gehen muss, um den Aufstieg mitzuspielen und das nach außen hin auch zu sagen, wahrscheinlich aber auch, weil der Aufsichtsrat entsprechend Stimmung gemacht hat. Das sah ich nicht. Wir hatten stets gut zusammengearbeitet und vieles hat sich gut entwickelt im Verein, aber damit war Hochstätter nicht einverstanden.
Das führte zum Bruch. Danach waren wir nicht mehr auf einem Nenner. Wenn ich ein Saisonziel formuliere, muss ich dahinterstehen können. Hochstätter wollte einfach optimistisch in die Saison starten und schauen, wo das Schiff am Ende strandet. Ich war anderer Meinung und fand auch, dass man den Fans gegenüber ehrlich sein muss. Irgendwann standen auch unbequeme Entscheidungen an. Im Kader mussten neue Auswahlmöglichkeiten geschaffen werden. Das ist ein ganz professioneller Vorgang. Wir brauchten neue Spieler.
Waren Transfers ein Streitthema? Wenn man um den Aufstieg spielen will, braucht man entsprechende Qualität im Kader. Das ist auch eine Geldfrage. Wenn man immer lange darauf wartet bis Spieler bei Erstligisten aussortiert werden, dann ist es Ende August. Es wurde sich auch sehr auf ablösefreie Spieler konzentriert. Man muss sich dann aber auch fragen: Warum kosten die Spieler keine Ablöse? Ja, auch da gab es irgendwann Meinungsverschiedenheiten.
Sie hatten andere Vorstellungen bei den Neueinkäufen? Ja. Es gab Diskussionen, wie die Mannschaft verstärkt werden soll. Ich vertraue dem Scouting, darum ging es nicht. Aber wenn der Pool an Spielern sehr begrenzt ist, der in Frage kommt, dann handelt es sich meist nicht um die erste Wahl. Ich stelle infrage, ob diese Spieler einen voranbringen. Als Trainer hat man einen guten Blick darauf, welche Art von Spielern, aber auch welche Charaktere man braucht.
Ihre ehrliche, direkte Art wurde einerseits geschätzt, andererseits wirkten sie oft auch als ungemütlich. Nach außen hin wirkte es so, als hätten sie ihren Rausschmiss am Ende eventuell auch provoziert. Vor allem nach der Anekdote, um das verfrühte Training zum Start der Vorbereitung. Meine manchmal nicht gute Außenwirkung hatte auch damit zu tun, dass Hochstätter seine Mitarbeiter beschützt. Pressesprecher Jens Fricke hatte bei der besagten Geschichte den Fehler gemacht in der Kommunikation mit dem Trainerteam. Hochstätter und ich wussten wann Training ist, wir hatten es gemeinsam überlegt. Er hatte Frickes Fehler irgendwann auch mitbekommen, es hatte ihn aber nicht sonderlich erschüttert. Normalerweise sprechen wir unser Training ja auch nicht so ab. Wenn man aber das erste Training nach der Sommerpause ansetzt, will man ja auch die Fans miteinbeziehen. Wir hätten ja auch einen Waldlauf machen können, wollten aber ein Training mit Zuschauern veranstalten.
Die Saisonvorbereitung begann mit einem Fehlstart. Wie haben sie diesen Tag des ersten Trainings erlebt? Intern lief es so: Obwohl Fricke intern seinen Fehler zugab, kam Wilken Engelbracht und wies mich auf dem Rasen zurecht. Ich wusste nicht, was los war. Das war in der Tat schon ein Fehlstart. Mich hatte das wiederum nicht erschüttert, denn es gab im Vorfeld schon genug kleinere Vorfälle, nach denen ich meinte, wir müssen andere Kommunikationsstrukturen erschaffen. Das ist aber nicht passiert. Ich sage: Fehler können einmal passieren, aber dürfen nicht mehrere Male passieren. Für mich war dieser Vorfall eine weitere Bestätigung, dass manche Personen nicht auf dem richtigen Posten installiert waren und hätten verabschiedet werden müssen.
Gab es weitere Probleme mit der Vereinsführung? Nein. Engelbracht handelte an dem Trainingstag einfach emotional. Er hatte sich nicht gut informiert und fand, ich sollte doch länger trainieren wegen der Fans. Das wollte ich nicht. Ich denke an meine Spieler. Wenn der Verein einen Fehler macht, muss er dafür geradestehen - und das auch gut kommunizieren.
Spätestens nach dem Krach um das verfrühte Training ging es nicht mehr weiter? Vor der Sommerpause sprachen wir darüber, von welchen Spielern wir uns verabschieden wollen. Ich verstehe, dass das nicht immer alles funktioniert. Einige Spieler haben noch laufende Verträge. Aber man hat eine Wunschvorstellung und hofft, dass sie in den vier Wochen Pause über die Bühne geht. Davon ist nichts passiert.
Sie hatten also Hochstätter eine Streichliste gegeben und zum Trainingsauftakt waren die Spieler immer noch da? Nach einer Sommerpause muss man ein Team neu aufbauen. Das geht schwierig, wenn dasselbe Material da ist, von dem man sich eigentlich gern verabschiedet hätte und man keine volle Brieftasche hat. Ein weiteres Problem in Bochum war auch: Wenn erst zum 1. September einige Spieler kommen und gehen, ist die Mannschaft erst dann zusammen, wenn die Saison schon läuft. Erst dann kann man eigentlich richtig miteinander arbeiten, aufbauen, doch in der 2. Liga sind dann schon mehrere Spieltage über die Bühne gegangen. Ein Gruppenprozess, das Teambuilding, fängt schon ab dem ersten Tag nach der Sommerpause an. Kommen wichtige Säulen für die Mannschaft erst später und herrscht viel Unsicherheit unter den Spielern was deren Zukunft angeht, erschwert das die Arbeit enorm. Vor allem, wenn man sich den Aufstieg als Ziel setzen will. Oben mitzuspielen geht nur unter perfekten Rahmenbedigungen. Da sind wir im Verein aneinandergeprallt.
Sie haben noch immer Kontakt mit Christian Hochstätter? Ja.
Würden sie ihr Verhältnis als gut beschreiben? Zu einem bestimmten Zeitpunkt muss er eine Entscheidung im geschäftlichen Interesse des VfL Bochum treffen. Es sagt genug über ihn als Fachmann aus, dass er diese Entscheidung der Trennung letztendlich so durchgezogen hat, obwohl wir persönlich ein prima Verhältnis untereinander hatten. Die Art und Weise, wie er mir mitgeteilt hat, dass sich unsere Wege besser trennen, zeugte von gegenseitigem Respekt.
Für viele mag dies überraschend klingen. Von außen konnte man den Eindruck gewinnen, dass sie oft aneckten. Hochstätter und ich haben deftige Diskussionen geführt. Aber nie gestritten. Unsere Fronten waren zu keinem Zeitpunkt verhärtet. Zweieinhalb Jahre haben wir gemeinsam den Karren gezogen in Bochum. Wir haben viel erreicht, Verbesserungen herbeigeführt, auch was die Fazilitäten angeht, die Professionalisierung vorangetrieben. Ich denke, dass wir das Maximale erreicht haben, was innerhalb unserer Möglichkeiten war. Leider war es nicht genug, um binnen drei Jahren aufzusteigen. Vielleicht muss der VfL Bochum zwischen so vielen finanzstarken NRW-Bundesligisten und in seinem alten Stadion seinen Anspruch auf Erstligazugehörigkeit mal in Frage stellen, wenn man die heutigen Entwicklungen im Profi-Fußballs betrachtet.
Verfolgen sie die Entwicklung des VfL Bochum noch? Ja! Ich schaue am Wochenende immer zuerst, was beim VfL passiert ist. Ich finde es äußerst schade, dass es dort vorbeigegangen ist. Zudem sind dort noch viele Menschen beschäftigt, mit denen ich lange und gern zusammengearbeitet habe. Denen gönnt man das nicht, dass es jetzt gegen den Abstieg geht. So etwas geht immer zur Last der Mitarbeiter im Verein. Sollte der VfL absteigen wäre es eine Katastrophe für sie. Die verlieren ihre Arbeit. Auch so einige Spieler würde man verlieren.
Wie war ihr Verhältnis zur Mannschaft? Man geht natürlich nicht mit allen Spielern durch die gleiche Tür, aber zu den meisten Spielern hatte ich ein gutes Verhältnis. Fußball-Mannschaften sind immer aufgeteilt in Dritteln: Ein Drittel mag dich, ein Drittel macht es nichts aus, dass du da bist und ein Drittel ist gegen dich. Das ist in jedem Klub gleich. Meist sind in der Anti-Fraktion Spieler, die frustriert sind, weil sie nicht spielen oder der Verein den Erwartungen hinterher hängt, aber auch weil sie das Vertrauen des Trainers nicht spüren. Das bekommt man aber, wenn man gute Leistungen zeigt. Es gibt immer Störenfriede. Aber ihr Journalisten wisst das auch: Bei denen braucht man nur klingeln und die Tür geht sofort auf. Ich würde nie sagen, der Draht zu meinen Spielern war perfekt, aber mit einem Großteil der Spieler kam ich gut klar. Und wenn ich sehe, wie viele Berater sich in letzter Zeit noch bei mir gemeldet haben, die in Bochum unzufrieden sind, und jetzt gern wieder unter mir arbeiten wollen, denke ich, dass meine Arbeitsweise ankam. Die Spieler merkten schließlich auch, dass sie sich verbessert haben. Das mögen Spieler. Ich finde, ich habe das Maximale aus dieser Mannschaft herausgeholt.