Die Legende des MSV Duisburg spricht im Interview über Plan A und Plan B im Verein, gibt sich aber vor allem weiterhin kämpferisch.
Bernard Dietz (65) kümmert sich an diesem Mittag um den Rasen vor seiner Terrasse. „Die vergangenen Tage haben mich sehr beansprucht“, sagt der frühere Fußball-Nationalspieler des MSV Duisburg. Im Theater um die nicht erteilte Lizenz für die Zweite Liga ist bei ihm zu Hause in Drensteinfurt alles liegen geblieben. An der Wand neben der Terrasse hängt ein Lautsprecher, damit Dietz hört, wenn das Telefon im Haus klingelt. „Ich habe dem MSV-Präsidenten versprochen, jederzeit vorbei zu kommen. Anruf genügt.“ Sie haben beim MSV Duisburg schon fast alles gemacht und kennen sich aus. Waren Sie wirklich überrascht, als die DFL dem Klub die Lizenz verweigert hat?
Bernard Dietz: Absolut. Als es mir jemand sagte, dachte ich: Der will mich veräppeln. Danach war nur noch völlig Leere. Wir waren doch auf einem guten Weg.
Auf einem guten Weg?
Dietz: Davon war ich überzeugt. Vor Weihnachten mussten wir doch schon einmal Auflagen für die Lizenz erfüllen. Ich dachte, in den sechs Monaten von damals bis heute hätte sich das alles auf sichere Beine stellen lassen.
Hatten Sie denn keinen Einblick?
Dietz: Ich bin Fußballer und kein Mann der Bilanzen. Im vergangenen Jahr bin ich beim MSV aus dem Aufsichtsrat zurückgetreten. Ich hatte in der Zeitung die Namen der Männer gelesen, die beim FC Bayern München im Aufsichtsrat sitzen. Der VW-Chef, der Audi-Chef, nur Bosse aus der Wirtschaft. Da war mir klar, dass ich in einem Aufsichtsrat am falschen Platz bin. Ich bin derjenige, der sich um sportliche Dinge kümmern kann.
Das machen Sie auch nach dem Rücktritt aus dem Aufsichtsrat?
Dietz: Erst wollte ich nicht. Aber dann hat mich der neue MSV-Präsident Udo Kirmse überzeugt. Der Mann arbeitet Tag und Nacht für den MSV, sein Konzept ist sehr gut.
Wie sieht das Konzept aus?
Dietz: Der neue Vorstand denkt langfristig. Mit Spielern aus der Jugend und der Umgebung soll wieder eine MSV-Mannschaft mit echtem Kampfgeist wachsen. Das habe ich gehört und gesagt: Ich bin dabei.
Ist das Konzept jetzt Makulatur?
Dietz: Warten wir es ab. Wir haben uns beim MSV versprochen, uns in dieser schweren Zeit nicht gegenseitig zu zerfleischen. Das bringt überhaupt nichts. Wir kämpfen erst auf jedem möglichen Weg um die Lizenz für die Zweite Liga. Aufarbeiten können wir alles, wenn die ganze Sache ausgestanden ist. Aber ist dafür nicht schon zu viel Porzellan zerschlagen worden?
Dietz: Dazu werden Sie von mir nichts hören. Ich halte mich an die Absprache, dass wir uns nicht gegenseitig attackieren. Es geht um den MSV, und wir müssen nach dem kleinsten Strohhalm greifen.
Aber hatten Sie nie Zweifel?
Dietz: Nunja, ich habe mich gewundert, dass die Frist zur Abgabe der Unterlagen um 15.30 Uhr abläuft und die Papiere erst zehn Minuten vorher geschickt werden. Stellen Sie sich mal vor, ein Computer fällt aus. Für so etwas hätte ich nicht die Nerven.
Was passiert, wenn das Ständige Schiedsgericht dem MSV ebenfalls die Lizenz verweigert?
Dietz: Zuerst kämpfen wir um diese Lizenz, aber man muss sich natürlich Gedanken über andere Möglichkeiten machen. Es gibt dafür einen Plan A und einen Plan B im Verein.
Was verbirgt sich dahinter?
Dietz: Plan A wäre der Antrag auf eine Lizenz für die Dritte Liga. Plan B beschäftigt sich mit dem Rückzug in die Regionalliga oder Oberliga.
Würde es denn mit einer Lizenz für die Dritte Liga klappen?
Dietz: Der Klub hätte auf jeden Fall die Möglichkeit, diese zu beantragen. Voraussetzung wäre allerdings eine Einigung mit der Stadiongesellschaft über die Miete.
Wären Sie in der Dritten Liga auch weiterhin dabei, oder reicht es?
Dietz: Sicher wäre ich dabei. In Duisburg gehen die Fans friedlich auf die Straße, um für ihren Klub zu demonstrieren. Der MSV darf nicht untergehen.
Was können Sie persönlich im Moment tun?
Dietz: In diesen Tagen sind die Wirtschaftsfachleute gefragt, da kann ich kaum helfen. Aber ich war beim Pokalfinale in Berlin, und dort fragten mich alle: Was ist denn bei euch los? Und sehen Sie sich an, wie die Solidarität durchs Ruhrgebiet schwappt. Die Schalker, die Dortmunder, die Bochumer – Fans von allen Vereinen kommen vorbei und geben uns Zuspruch.
Haben Sie noch Hoffnung?
Dietz: Wir Duisburger sind Kämpfer. Auf dem Platz und hinter den Kulissen. Wir geben nicht auf.