Bernard Dietz stand unter der Dusche. Der frühere Linksverteidiger, wegen dem sie den MSV Duisburg in den 70er-Jahren in MSV Dietzburg umgetauft hatten, machte sich am Mittwochabend gerade fertig, um seine Frau Petra zum Geburtstag auszuführen. Dann klingelte das Telefon im Hause Dietz, und jemand sagte: „Der MSV kriegt keine Lizenz mehr!“ Dietz musste durchatmen: „Ich bin einfach nur geschockt, mir fehlen im Moment die Worte.“
Dies sind die Fakten: Die Deutsche Fußball-Liga DFL, die für die erste und zweite Bundesliga zuständig ist, hat dem Zweitligisten MSV als einzigem Klub die Lizenz verweigert. Die schriftliche Begründung der DFL erhält der Klub erst Anfang kommender Woche, daher herrscht noch Unklarheit. Zunächst war die Rede von einer versäumten Frist, doch es ist wohl so: In der eingereichten Bilanz sollen 364.000 Euro fehlen.
MSV kann nicht korrigieren
Die Formalien der DFL schreiben vor: Der MSV kann nicht mehr nachbessern. Ein Retter, der jetzt mit einem Geldkoffer um die Ecke kommt, nutzt also nichts mehr. Die Zebras haben nur noch die Chance, das Ständige Schiedsgericht anzurufen. Dieses prüft dann rein juristisch, ob der vorliegende Lizenz-Antrag nicht doch in Ordnung ist.
Möglichkeit A: Das Schiedsgericht sagt, der MSV-Antrag ist in Ordnung, dann bleibt der Klub in der zweiten Liga.
Möglichkeit B: Das Schiedsgericht gibt der DFL Recht. Dann erhält der MSV keine Lizenz und muss in der Regionalliga spielen. Absteiger Sandhausen würde in diesem Fall Zweitligist bleiben.
Zwei Stunden, nachdem diese Nachricht auf den Markt gekommen war, erstürmten gewaltbereite MSV-Fans das Duisburger Stadion. Sie kletterten über die Zäune, rissen Fahnenmasten nieder und zündeten Feuerwerk. Eine Einsatzhundertschaft der Polizei rückte aus, um für Ordnung zu sorgen.
Ohne Lizenz bleibt die Regionalliga
Die Verantwortlichen des Vereins schwiegen. Von Geschäftsführer Roland Kentsch war nichts zu hören. Er hatte bereits vor zwei Wochen auf einer Mitgliederversammlung von einer drohenden Insolvenz gesprochen. Das Einreichen der Lizenz-Unterlagen fällt in seinen Zuständigkeitsbereich.
Schon kurz vor der bitteren Nachricht für die Zebras hatte Spielmacher Jürgen Gjasula die Gespräche über eine Vertragsverlängerungen abgebrochen. „Finanziell sind uns die Hände gebunden“, begründete MSV-Manager Ivica Grlic das Platzen der Verhandlungen. Nur wenig später sollte alles viel schlimmer kommen.
Verliert der Klub die Lizenz, bedeutet das auch: Das Tafelsilber ist weg. Noch stehen in Duisburg Spieler unter Vertrag, die auch für andere Klubs mehr als interessant sind. Zum Beispiel Torwart Felix Wiedwald, dem schon in der Winterpause Angebote aus England vorlagen. Stürzt der MSV in die Regionalliga, sind alle Profiverträge ungültig, der Verein kann keine Ablösesummen mehr kassieren.
Stadionmiete für erste Liga kalkuliert
Auch die Zukunft der Arena steht in den Sternen, wenn es in Duisburg keinen Profifußball mehr gibt. Bisher musste der MSV pro Saison fünf Millionen Euro Stadionmiete zahlen. Die Arena war unter Regie des damaligen Präsidenten Walter Hellmich entstanden. Die Miete war für die erste Bundesliga kalkuliert. Ein naiver Schritt, der dem Verein wie ein Mühlstein um den Hals hängt.
Hellmich selbst hatte am Wochenende einen Brandbrief geschrieben, in dem er seine Nachfolger als Totengräber bezeichnete. Nachdem er den Brief abgeschickt hatte, war er in Urlaub gefahren. Von dort wurde nun folgendes Zitat übermittelt: „Eine Katastrophe, keine Ahnung, wie das passieren konnte.“
MSV-Sprecher Martin Haltermann versichert: „Es werden viele Leute alles dafür tun, dass es in Duisburg weiter Profifußball gibt.“ Nur: Der Klub hat es nicht mehr selbst in der Hand. Die Zukunft hängt an der Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts.