Glänzende Augen! Die wird der von seinem bisherigen Verletzungspech (Ferse) mächtig gefrustete Paulo Sergio Rodrigues de Almeida sicherlich am Sonntag gemacht haben, als seine Familie per Flieger komplett in Düsseldorf eintrudelte. Alle sind zum ersten Mal in Deutschland: Sohnemann David (6), Töchterchen Lara (18 Monate) und Frau Wanda (28), mit der er seit fünf Jahren verheiratet ist. Eine gelernte Dekorateurin, beide kennen sich schon seit über 16 Jahren. Sergio: "Die Familie ist wichtig für mich, ich hatte in den letzten Wochen eine ungemein hohe Telefonrechnung."
Das Appartement in Kupferdreh steht bereit, bis jetzt wohnte Sergio noch im Altenessener Hotel Astoria. Stammhalter David wird in die erste Schulklasse kommen, pädagogische deutsche und portugiesische Betreung läuft parallel. Die ständigen Amtsgänge und permanenten Besorgungen für die Einrichtung der neuen Wohnung zwischen Trainings- und Reha-Einheiten nerven den Offensivmann sichtlich und nachvollziehbar: "Ein ewiges Hin und Her. Allerdings kenne ich jetzt schon ganz Essen, weil wir uns so viele Wohnungen angesehen haben." RevierSport und Radio Essen (Uwe Loch, ständiger RS-Mitarbeiter) trafen Sergio, gebürtig in Lissabon, und seinen "Mentor" und Deutsch-Lehrer Klaus Lammerding, der schon einmal spontan per Telefon die Sprachfortschritte seines Schützlings überprüft, im Restaurant Don Quichote in Essen-Kettwig. Dort ergriff Sergio auch sofort die Initiative. "Ich bestelle für alle Tapas, oder?"
Paulo Sergio, wenn heute abend die Familie komplett ist, dürften Sie auch richtig in Essen angekommen sein, oder?
Alle haben mich wirklich freundlich aufgenommen, ich fühle mich absolut zuhause, der Club hilft mir, wenn ich eine Frage habe. Olaf Janßen...
...Essens Sportlicher Leiter...
kümmert sich viel, fragt mich, ob es läuft. Ich hoffe, ich finde in meiner Zeit in Deutschland viele Freunde, genau wie in meinem Karriere-Abschnitt in Frankreich. Dorthin habe ich noch immer guten Kontakt.
Einen Kulturschock dürften Sie nicht erleben - korrekt?
Unterschiede sind da, es wäre ja langweilig, wären wir alle gleich. Ich war drei Jahre in Frankreich, habe mir dort auch Eigenarten angenommen. Ein kleiner Franzose bin ich schon, ein wenig deutsch werde ich wohl auch, das ist doch irgendwo ein Muss, um vernünftig zurecht zu kommen. Wenn ich irgendwann zurück in Portugal sein werde, möchte ich trotzdem immer wieder nach Deutschland kommen können, um hier Freunde zu treffen.
Wie läuft die Verständigung im Team?
Fast alle sprechen doch Englisch. Danijel Stefulj kann das nicht. Trotzdem bin ich mit ihm nach Köln gefahren, wir haben dort beide bei einem Spezialisten Einlagen für die Schuhe erhalten. In der Stunde auf der Autobahn haben wir uns permanent unterhalten, obwohl wir keine gemeinsame Sprache haben, alles mit Händen und Füßen, wir haben uns gut verstanden, das geht. Aber es ist gut, wenn die Jungs Deutsch mit mir sprechen. Mit Victor-Hugo Lorenzón geht es natürlich prima auf Spanisch, mit Stijn Haeldermans auf Französisch. Im Trainingslager war ich mit Alex Löbe auf dem Zimmer, wir hatten eine gute Woche.
Wie ist denn ein typischer Portugiese?
Der Portugiese an sich erinnert an den Latino, uns richtig zu beschreiben, ist aber abhängig von der Situation, gemeinhin sind wir aber schon locker und offen.
Das heißt auch kulinarisch: Anstatt ein Pfannen-Fleischgericht wie Feijoada oder eine Fischspeise wie Caldeirada de Peixe auch einmal Pommes rot-weiß mit Currywurst?
Na klar, habe ich auch schon gegessen.
Die Stadion-Bratwurst an der Hafenstraße soll Deutschlands Nummer eins sein!
Echt? Ich muss sie dann unbedingt probieren. In Essen gibt es nicht viele meiner Landsleute, eher in Gelsenkirchen, beim damaligen Champions League-Finale Porto gegen Monaco in der Arena auf Schalke war das die Mehrheit der Fans. Dafür gibt es in Portugal viele Deutsche, die sich dort als Alterssitz Häuser kaufen, viele eröffnen ein Geschäft, wir haben deutsche Supermärkte.
Das RWE-Wintertrainingslager findet auf jeden Fall in Portugal statt!
Schick, dann kann ich mir dort für die Truppe etwas ausdenken, ein paar gute Restaurants finden.
Ihre Verletzung ist natürlich frustrierend!
Aktuell fühle ich mich natürlich nicht toll, ich will endlich vernünftig arbeiten und spielen, einfach meinen Job erledigen, diesen Moment kann ich kaum abwarten.
Man setzt große Hoffnungen in Sie!
Es ist nie elegant, über sich selbst zu sprechen, kein Akteur mag diese Frage. Wichtig ist, auf dem Platz zu zeigen, was man leisten kann. Ich achte darauf, professionell zu leben, insbesondere beim Essen, Trinken und auf ausreichend Regeneration. Ich bin Profi seit meinem 17. Lebensjahr, spiele Fußball seitdem ich acht war. Klar, ich weiß, viele glauben das nicht, aber es ist hart, physisch und psychisch, es zehrt aus.
Was für einen Eindruck haben Sie vom Umfeld?
Ich konnte schon mit einigen Fans reden, insbesondere beim Autogrammtermin bei der Saisoneröffnung. Man ist begeistert über das Team, das ist eine sehr gute Basis. Die Mannschaft braucht das, um gute Leistungen abliefern zu können, die Kulisse muss in guten und in schwierigen Situationen zu uns stehen. Aber daran zweifel ich nicht.
Die Anhänger suchen den Kontakt!
Das ist bedeutsam. Es ist ein gutes Gefühl, den Leuten zum Beispiel mit Autogrammen eine Freude zu machen. Ich war in der Jugend von Benfica Lissabon, als Junge ging ich zum Training der Profis, die habe ich auch angestaunt. Kids leben diesen Traum, wir können für sie Inspiration sein, ihnen Ziele anbieten.
Warum ging es bis 2008, so lange ist der RWE-Vertrag datiert, nach Deutschland?
Das ist einfach passiert, der Club suchte einen Akteur wie mich. Erwartet hatte ich das nicht unbedingt, irgendwie weiß man im Fußball nie richtig, wo man landet. Prima, Deutschland hat große Tradition. Das ist sehr interessant für mich, hier meine Arbeit zu präsentieren, die Meisterschaft wird sehr attraktiv. RWE holte einen Meister- und Pokaltitel, so ein Club verdient Respekt, das nimmt einem keiner mehr weg, so wie bei Muhammad Ali, der ist zwar mittlerweile auch älter, wird aber immer Weltmeister bleiben.
Olaf Janßen spricht von der Hoffnung, 2009 in der Bundesliga sein zu wollen!
Wenn es bis dahin klappt, haben wir alle einen guten Job gemacht, letztendlich ist das unsere Pflicht, dafür werden wir bezahlt. Man muss sich einfach solche Ziele setzen, sonst funktioniert doch nichts. Ich bin ein überzeugter Team-Player. Was für die Mannschaft gut ist, ist für den Einzelakteur gut, und umgekehrt. Anders darf man nicht denken, sonst ist das so, als ob wir unseren Sport ohne Ball ausüben würden. Wir brauchen einander.
Wer ist für Sie eine echte Spielerpersönlichkeit?
Das ist doch immer abhängig von der Position, Zidane war so jemand, ein echter Leader. Auch Ronaldinho war das bei Barcelona, als er fit war, während der WM war er das nicht.
Die Saison startet für RWE beim Bundesliga-Absteiger Kaiserslautern.
Wir sollten das nicht so betonen, es ist nur ein Match von insgesamt 34, in dem wir gut arbeiten müssen. Die Truppe weiß das, sie hat eine gute Einstellung. Ich betone nochmals: Wir müssen uns Ziele setzen, die realistisch sind, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Fußball funktioniert durchaus sehr verrückt, manchmal kannst Du ganz wunderbare Sachen erreichen.