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RWE: Neuhaus-Interview: "Laienpsychologe" - "Spielervertrauen Ehre"

RWE: Neuhaus-Interview: "Laienpsychologe" -  "Spielervertrauen Ehre"
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Von Café Overbeck bis zum Biergarten im Kaiser-Karl-Park im Kurort Bad Lippspringe. Dazwischen liegen knapp zehn Jahre, damals führte RS ein Interview mit Uwe Neuhaus in der Essener Innenstadt, jetzt fand man sich zusammen im Trainingslager, im einnehmenden Ambiente direkt neben dem Best Western Premiere Hotel, wo der Zweitliga-Aufsteiger noch bis Freitag, 29.Juli, sein Quartier aufgeschlagen hat.

Von Café Overbeck bis zum Biergarten im Kaiser-Karl-Park im Kurort Bad Lippspringe. Dazwischen liegen knapp zehn Jahre, damals führte RS ein Interview mit Uwe Neuhaus in der Essener Innenstadt, jetzt fand man sich zusammen im Trainingslager, im einnehmenden Ambiente direkt neben dem Best Western Premiere Hotel, wo der Zweitliga-Aufsteiger noch bis Freitag, 29.Juli, sein Quartier aufgeschlagen hat. Die Mission Aufstieg wurde von Neuhaus, seinem Co-Trainer Peter Kunkel und dem Keeper-Verantwortlichen Carsten Busch geschafft, jetzt geht es darum, RWE in der zweiten Liga zu halten, existenzielle Titanenarbeit, auf deren Weg Test-Resultate wie das 0:5 gegen Werder Bremen oder ein 1:3 gegen den Regionalligisten RW Ahlen nicht zu sehr beeindrucken dürfen, sondern Stimuli für akribische Analysetätigkeit sein müssen. So verhält sich Neuhaus, 46, verheiratet mit Beate, zweifacher Familienvater. Sohn Carsten wird im August 18, Tochter Annika ist 15. Der Filius spielt in der A-Jugend des ETB, war jahrelang in Wattenscheid, die Tochter schwingt den Hockeyschläger für den Essener HC. Neuhaus, ehemals auf der ganz großen Fußballbühne als Teil des Trainerteams von Borussia Dortmund, will RWE auch zurück führen in diese illustre Atmosphäre. Vorher muss sich aber im Haifischbecken zweite Liga behauptet werden. Schwer genug, schließlich soff Essen bereits einmal ziemlich übel ab. RS unterhielt sich mit Neuhaus, der sich geduldig Zeit nahm. Konsequenz: Der Fußball-Lehrer kam zu spät zum Mittagessen, so dass sich Ronny Nikol, Kassenwart, schon freute. "Kein Frage, aufgestellte Regeln gelten auch für mich", nahm es Neuhaus nicht krumm.

Uwe Neuhaus, der Kader ist nach der finalen Verpflichtung von Dimitrios Grammozis komplett, sind Sie zufrieden oder wunschlos glücklich? Dazwischen besteht natürlich noch ein Unterschied, ist bin aber absolut zufrieden. Mit Dimitrios haben wir den Spielertypen gefunden, den wir auch die gesamte Zeit gesucht haben.

Sie wirken immer unglaublich abgeklärt in der Öffentlichkeit. Wie ist das hinter verschlossenen Türen? Ich weiß nicht, sehe das aber als Kompliment. Ich bin so wie immer, das ist meine persönliche Note. Innen drin sieht es sicherlich manchmal ein wenig anders aus, das ist normal. Intern muss man sich manchmal auch anders geben, das ist auch logisch. Ich glaube, das hält sich gut die Waage. So ist mein persönlicher Weg, den ich gewählt habe. Der war aber nicht von Anfang an da. Das entwickelte sich im Laufe der Zeit. Man nimmt auch Dinge von anderen an, schließlich habe ich mit vielen Trainern zusammengearbeitet. Man stellt dann fest, das passt auch für mich. Es gibt aber auch Aspekte, die ich vielleicht vor zehn Jahren hatte, die auch wieder gestrichen wurden.

Man hat in den letzten Wochen aber auch gemerkt, Sie haben kräftig den Schalk im Nacken. Eine Geschichte, die steckt in einem drin. Ich glaube, Fußball und Spaß sind einfach ganz eng miteinander verbunden. Wenn man nur ernst auf dem Platz ist, dann kann man die optimale Leistung nicht abrufen. Ein bisschen Flachs gehört zum Fußballer immer dazu. Eine gewisse Lockerheit, vom Trainer in die Mannschaft hineingetragen, kann helfen, befreiter und gelöster zu werden. Darunter darf die Konzentration nicht leiden. Zwischen den einzelnen Einheiten und auch auf dem Platz, da kann man schon Spaß haben, das ist auch angebracht. Die Spieler haben verstanden, was es heißt, nur herum zu blödeln, im richtigen Moment die Konzentration richtig hoch zu halten.

Schon bemerkenswert, die Einheiten werden durch Applaus beendet. Ein gutes Zeichen, gerade was die ersten Teile betrifft, das Aufwärmen und den konditionellen Bereich, den Stefan Mücke abdeckt. Aufgrund dessen, dass er neu ist, sind auch sehr viele neue Methoden und Übungen dabei. Das wird vom Team honoriert. Nach einer Balleinheit, die Peter Kunkel durchzog, gab es einen wahren Orkan, da muss man sich als Trainer schon wieder Gedanken machen....

Wenn man auf die letzte Erfolgssaison zurück blickt, kommt man da auf Aspekte, die man gerne an sich ändern würde? Dinge, mit denen man anders umgehen will? So Sachen gibt es immer, man muss sich auch selbst reflektieren, seine Arbeit hinterfragen. Dann kommt man zu dem Schluss, das eine kann weiterlaufen, das andere muss man korrigieren. Das ist tagtägliche Arbeit.

Sie kamen eigentlich von ganz oben, haben bei Borussia Dortmund alles erlebt, riesige Erfolge, aber auch absolute Tiefpunkte. Dann sind Sie plötzlich bei RWE im Abstiegskampf, kurz danach in der Drittklassigkeit. War das für Sie auch logisch? Das war sicherlich Teil der persönlichen Karriereplanung. Für mich stand immer fest, dass ich irgendwann auch persönlich verantwortlich sein möchte. Die Zeit in Dortmund war unheimlich toll. Das waren sieben lehrreiche Jahre für mich. Am Ende stand noch die Amateurmannschaft. Aus dieser Zeit konnte ich viel für mich rausziehen. Als die Frage aufkam, ob ich die Herausforderung annehmen wolle, gab es für mich keine Überlegung. Ich wusste, das ist der Schritt, den ich machen muss. Auch, weil ich Essen ja kannte. Ich war als Spieler bei RWE, bin zwar kein gebürtiger Essener, wohne aber seit über 20 Jahren in der Stadt. Den Verein konnte ich in den Medien immer verfolgen. Ich wusste genau, was auch mich zu kommt. Das war eine besondere Herausforderung, den Schritt ausgerechnet mit RWE zu machen. Das war genau richtig.

Als es mit Essen in die Gänge kam, gab es Kollegen, die Sie, ob der Tatsache, dass RWE im kompletten Keller stand und ein Team hatte, das den Namen nicht verdiente, gefragt haben. Was tust Du Dir da an? Aber natürlich gab es da einige, wer das war, habe ich schon wieder vergessen. Aber es gab auch Fürsprecher. Fest stand, ich musste die Lage selbst für mich beurteilen. Wenn man genau nachdenkt: Wieviel Chancen solcher Art erhält man? Es gibt 36 Clubs in den beiden höchsten Ligen, davon einen zu übernehmen, dazu benötigt man auch ein bisschen Glück. Das hatte ich, deshalb habe ich nicht lange überlegt und zugegriffen. Natürlich war ich davon überzeugt, es noch schaffen zu können, auch wenn die Situation ziemlich eingefahren war. Wir hatten mit dem Remis bei 1860 München eigentlich einen ganz guten Anfang, hätten sogar gewinnen müssen. Im folgenden Heimspiel wurde klar, es war nicht mehr viel zu machen, auch wenn wir uns nicht aufgegeben hatten. Für mich persönlich war es nicht gut, keine Frage. Ich hoffe aber, ich konnte das mit dem Regionalligajahr ein bisschen revidieren.

Kamen jetzt auch Kollegen, die dann sagten: Unglaublich! Resonanz war da, viele haben mir gratuliert, so was tut gut. Matthias Sammer und Michael Skibbe meldeten sich, ich habe lange mit ihnen zusammengearbeitet. Sie freuten sich für mich. Wir haben ein prima Verhältnis, die Anteilnahme merkte man, man wird beobachtet, nicht nur von der Außenwelt und vom Freundes- und Bekanntenkreis sowieso, aber auch von Leuten, mit denen man lange Jahre zusammen war. Stark, das war Bestätigung.

Ist der Aufstiegslorbeer schon verwelkt? Ja, dafür können wir uns nichts mehr kaufen. Jetzt wird es hoffentlich einen guten Start in die Saison geben, wenn das nicht gelingt, dann welkt das relativ schnell.

Trennen Sie Beruf und Privatheit strikt? Das lässt sich nicht einhundertprozentig trennen, die Familie hat in meinem Leben einen großen Anteil. Der gesamte Wochenrythmus wird nach dem Fußball ausgerichtet, aber das ist nicht neu, so lange ich denken kann, hatte ich wenige freie Wochenende: Die Familie hat sich darauf eingerichtet. Die restliche Zeit muss so gestaltet werden, damit wir damit gut klar kommen. Das ist aber kein Problem. Insgesamt möchte ich vom privaten Bereich in der Öffentlichkeit relativ wenig preis geben.

Nicht immer zu schaffen, oder? Richtig, bestes Beispiel war die Zeit nach dem Abstieg aus der Zweiten Liga. Die Kinder werden immer mit einbezogen, sie gehen auf Essener Schulen, man hat gesehen, es geht nicht spurlos an der Familie vorbei. Der Ruf "Neuhaus raus" war eine Zeit lang fast in Mode, den haben meine Kinder dann auch zu spüren bekommen. So was darf nicht sein, aber man kann es nicht verhindern.

Wenn Sie stichwortartig Ihre Ideale beschreiben, was nennen Sie spontan? Ehrlichkeit, Fleiß, Beharrlichkeit. Im Laufe der Zeit versucht man, seinen persönlichen Weg zu finden. Ehrlichkeit wurde immer von zuhause aus mit auf den Weg gegeben, es war die Höchststrafe, wenn man irgendwo gelogen hatte. Ich versuche, das auch meinen Kindern zu vermitteln. Als Sohn eines Arbeiters, der seinen Lebensunterhalt verdienen muss, versucht man, so gut wie möglich seinen Job zu erfüllen, Fleiß steckt drin. Beharrlichkeit war ein Begriff von Matthias Sammer, den ich auch für mich übernommen habe. Das war imponierend, wie er seine Linie durchgezogen hat. Er korrigierte sich, aber das Grundprinzip blieb gleich, der rote Faden war da, unabhängig von Erfolg oder Misserfolg.

Wie ist das Verhältnis Trainer - Spieler? Strikt getrennt, gibt es eine Grauzone, kommen Akteure auch mit privaten Problemen? Wenn ein Spieler mir dieses Vertrauen entgegen bringt, dann nehme ich es auch gerne an, hoffe, dieser Situation gerecht zu werden. Meinen Akteuren habe ich das gesagt, wenn irgendwo was ist, bin ich ansprechbar. Sportlich hat jeder fast die Verpflichtung zu mir zu kommen, wenn mich jemand mit einer persönlichen Sache anspricht, dann ist das für mich Ehre und Auszeichnung, das passierte auch schon mehrfach. Meine Handynummer haben alle.

Wie ist das mit Konflikten - hinter verschlossenen Türen oder auch auf dem Feld - werden die geklärt und alles ist wieder gut? Kein Problem, nachtragend bin ich nicht. Es gibt den schönen Spruch, ich bin zwar nicht nachtragend, aber ich vergesse auch nichts. Es geht doch nicht, jemanden täglich spüren zu lassen, wenn man einmal nicht die gleiche Meinung hatte. Konflikte gibt es, das ist ganz normal, die müssen gelöst werden. Das ist auch ein Großteil der Trainerarbeit: Mannschaft- oder Menschenführung. Eine Linie muss da sein, meine ist, jeder kann mit mir über alles sprechen, wenn ein Problem da ist, wenn es sportlicher Natur ist, dann erst recht. Man darf auch eine Meinung haben, die völlig kontrovers zu meiner ist. Ich werde meinen Standpunkt darlegen, wenn mich ein Spieler überzeugt, dann kann auch ein anderer Weg gegangen werden.

Im Verlauf der Weltmeisterschaft kam die Diskussion immer wieder hoch! Bemerken Sie auch, dass sich Ihre Rolle immer mehr ändert, dass man viel mehr Führungskraft anstatt originärer Trainer ist, viel mehr eine Art Manager der Mannschaft, man kann vielfältige Begriffe benutzen? Das ist auf jeden Fall so, die Tatsache, dass Stefan Mücke dazu gestoßen ist, stellt einen weiteren Faktor dar. Man schlüpft immer mehr in die Rolle des Beobachters, anstatt selber aktiv zu sein. Dadurch ist es möglich, viel entspannter und übergeordneter Dinge zu erkennen und einzuordnen, dadurch auch Problem zu bewältigen. Das ist ein enormer Faktor in meiner Arbeit, wahrscheinlich auch der wichtigste. Ich kann Aspekte wahrnehmen, kann gezielt Lösungen angehen. Diese Konstellation war ein großer Wunsch von mir. Zum einen, weil es immer mehr individualisiert wird, wobei wir das schon seit vielen Jahren machen. Die aktuelle Diskussion um die WM wurde mir doch ein wenig zu hoch gespielt. Stefan Mücke kenne ich seit über 15 Jahren, damals arbeitete er für die SG Wattenscheid. Schon bei 09 machten wir das so, man lief nicht im Pulk, jeder konnte für sich gezielt angesteuert werden. Das sind kleine Bausteine, um sich dem oberen Bereich immer mehr anzunähern.

Wann werden Sie unruhig, wenn nichts mehr über Sie berichtet wird oder wenn zu viel über Sie geredet wird? Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ich weiß nicht, was gut oder was schlecht ist. In der Sommerpause war mein Name fast nirgendwo vermerkt, zum größten Teil war Olaf Janßen der Ansprechpartner. Ich muss mich nicht unbedingt täglich in der Zeitung lesen oder mich täglich vor der Kamera sehen. Andererseits macht es mir aber auch nichts aus, wenn ich Interviews gebe. Zu meiner Dortmunder Zeit war die Presse auch vermehrt beim Training, allerdings waren die Cheftrainer gefragt, ich eher selten. Unangenehm war es nicht.

Das mediale Aufkommen wird zunehmen, denken Sie auch darüber nach, sich unter Umständen für solche Ansprüche zusätzlich fit machen zu lassen? Ich lasse es noch offen. Als Spieler habe ich mich im Fernsehen ungern gesehen, so zum Beispiel bezüglich des Bewegungsablaufs. Ich weiß, das geht vielen so. Vielleicht bin ich auch einer, der sich ungern im Fernsehen reden hört, das werde ich im Laufe des Jahres feststellen. Wenn ich das reflektiere, vielleicht bezogen auf die Körperhaltung oder die Aussprache, dann kann man so einen Schritt überlegen. Mir sind aber neutrale Bewertungen wichtig, so zum Beispiel von Olaf Janßen oder von unserem Medienbeauftragten Daniel Mucha. Sie geben mir Rückmeldungen, es ist wichtig, dass man auch dort auf einem guten Weg ist. Gibt es irgendwas, was Sie in diesem Geschäft noch überraschen kann? Der Titel in der Champions League vielleicht...

Denken Sie doch einmal zurück, was waren Ihre Gedanken im Alter von 25 Jahren, wo sahen Sie sich damals mit 46? Ich war damals bei weitem nicht in der Lage, so einen Zeitraum zu überblicken. Ich war immer jemand, der in den Tag hineinlebte. Was ich heute bereue. Ich habe in Dortmund gesehen, Fußball ist nicht alles. Der Sport ist zwar wunderbar, ist mein Lebensinhalt, damit verdiene ich mein Geld, aber als Spieler hatte man so viel Zeit. Positiv war, ich konnte meine Kinder täglich aufwachsen sehen, ich war häufig zuhause, ein wirklich schöner Teil. Andererseits habe ich bereut, nie mehrere Sprachen gelernt zu haben. Damit habe ich während der Zeit beim BVB durch Eigenstudien angefangen. Dann hatte ich durch die Champions League-Phase keinen Kopf mehr dafür.

Welche Sprachen waren das? Italienisch und Spanisch, wenn man Amoroso im Team hat, der aus Italien kam, war das nicht schlecht. Außerdem waren auch Stefan Reuter und Jürgen Kohler im Kader, die das auch sprachen. Man hat sich schon gefreut, Amoroso auf Italienisch zu begrüßen oder zu verabschieden, er bekam dann schon mal große Augen. Das waren die Ansätze. Spanisch ist in der Welt am meisten verbreitet, damit kann man am meisten anfangen.

Was ist schwieriger zu realisieren, die körperliche oder die mentale Fitness bei einem Team? Sicherlich die mentale. Physische Aspekte kann man über die Wissenschaft ganz gut steuern, es gibt Erkenntnisse, die sind einfach unumstößlich. Mental gibt es im Rahmen von Erfolg und Misserfolg tägliche Änderungen, es fließen viele Dinge ein. Es gibt viele, die mit Psychologen zusammenarbeiten, die einen fachlichen Hintergrund haben, das wäre vielleicht der nächste Schritt. Ich bin Laienpsychologe, muss das auch jeden Tag anwenden. Wenn der eine grimmig guckt, dann kann man schon einmal hingehen, fragen, warum das so ist. Man kann auch erkennen, ob der eine mehr den Tritt in den Hintern benötigt oder der eine mehr gestreichelt werden muss, weil er sonst innerlich zusammenbricht. Die wahren Hintergründe zu erkunden und dann Lösungen zu haben, ist sehr schwer.

Es gibt verschiedene Intellekte im Team, man gibt Instruktionen, die bei den Leuten auch unterschiedlich ankommen. Geht man damit eher intuitiv um oder hat man ein Konzept in der Tasche? Ein großer Teil wird bestimmt durch Menschenkenntnis, die man sich im Laufe der Jahre angeeignet hat. Auch auf dem beruflichen Sektor habe ich sehr viele Dinge erlebt. So die Bundeswehr, ich habe zum Beispiel auch einmal drei Monate in der Essener Justizvollzugsanstalt in der Krawehlstraße gearbeitet, absolvierte eine Probezeit. Das sind Dinge, die einen prägen. Ich habe immer in Mannschaften gespielt, somit immer ausgeprägten Kontakt zu vielen Leuten gehabt. Ich glaube, meine Menschenkenntnis ist ganz gut, das lässt man natürlich dann in solche Prozesse einfließen. Man entscheidet in der speziellen Situation, was gerade passt. Im Grunde bin ich aber jemand, der sich vorher Gedanken macht, bevor ich irgendwas raus haue. Obwohl auch das manchmal sein muss, damit man einfach sieht, dort ist jemand, der trägt Emotionen in sich. Fest steht, wenn man etwas zu klären hat, sollte man die Art und Weise schon vorher überlegen.

Sie haben zwei Akteure: Der eine ist richtig erfolgreich, droht aber den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dem anderen fehlt der Erfolg, er befindet sich in der Frustecke. Was ist schwerer, den anderen wieder runter holen oder den anderen wieder aufzurichten? Schwieriger ist, den Enttäuschten wieder aufzuheben und in die richtige Spur zurück zu dirigieren. Dem Erfolgreichen kann man auf verschiedenste Weise klar machen: Du, so geht es nicht weiter. Du hast zwar deine Qualitäten, mit denen ich auch absolut einverstanden bin, allerdings passt mir die Art nicht, wie du damit umgehst.

Wie laden Sie Ihr Akku? Das brauche ich gar nicht. Am Ende einer Saison vielleicht schon. Im letzten Sommer hatte ich keinen Tag Urlaub, dann kam die lange und nicht einfache Spielzeit mit einem erfolgreichen Ende, das auch wieder Glücksstoffe frei setzte, Freude auf die nächste Runde macht. So was ist für mich immer wieder der Antrieb, es macht Spaß, mit einer Mannschaft zusammen zu arbeiten, die willig ist, Jungs, die einem das Wirken auch einfach machen. Klar ist, in den nächsten Wochen werden Probleme vielleicht größer als im letzten Jahr. Eine Oase ist sicherlich die Familie, der Freundeskreis gehört dazu, in dem man zwar auch über Fußball spricht. Aber man weiß genau, wenn es zu nervig wird, dann blockiere ich. Das hat sich ganz gut eingespielt.

Es gab vor knapp zehn Jahren einen Interview-Termin mit RevierSport im Café Overbeck in der Essener City, seit dem ist einiges passiert, damals waren Sie gerade als Coach der Landesliga-Mannschaft der SG Wattenscheid ausgeschieden. Das ist schon wirklich sehr schnelllebig, ein echt atemberaubendes Geschäft. In der Tat, kurz darauf engagierte Sie der VfB Hüls für die Oberliga Westfalen, zwölf Monate später wurden Sie „Co“ von Michael Skibbe beim BVB. Gleichzeitig ist das auch eine Warnung, es geht nicht immer nach oben, irgendwann muss man zwei Stufen runter gehen. So habe ich das auch gemacht, einen Schritt sind wir wieder nach vorne gegangen. Man muss sich immer wieder im Klaren sein, es kann genau anders herum laufen. Man muss jetzt nicht skeptisch hinter jeder Ecke jemanden stehen sehen. Wenn man diese Warnung beherzigt, wird man nicht nachlässig in der Arbeit und Konzentration. Man darf nie zufrieden sein, gerade im Erfolgsfall werden die größten Fehler gemacht, das sage ich auch immer wieder zu meinem Team.

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