"Meine Mannschaft hat von der ersten bis zur letzten Minute alles richtig gemacht" (Marcel Koller nach dem 4:0 über den SC Freiburg). "Meine Mannschaft hat von der ersten bis zur letzten Minute alles falsch gemacht." (Marcel Koller nach 0:4-Pleite beim FC St. Pauli). Zwischen den Aussagen des Schweizer Trainers lagen gerade einmal vier Tage. Zwischen den spielerischen Leistungen seines Teams wahre Welten. Am Dienstag Abend blies Hurrikan St. Pauli die Bochumer aus der zweiten Runde des DFB-Vereinspokals. Nach der verdienten 0:4 (0:2)-Niederlage beim Regionalligisten ist außerdem eine Menge "Cup-Kohle" vom Winde verweht worden. Geld, das eigentlich gut gebraucht wurde, um die Unterdeckung im Zweitliga-Etat zu mildern. 1000 VfL-Fans konnten Ergebnis und Auftreten der eigenen Truppe nicht verstehen. Dabei ist die Erklärung gar nicht so schwer. Bochums Pokal-Aus begann eigentlich schon vier Tage früher, als das Team von Marcel Koller die Freiburger locker und flockig aus dem Ruhrstadion fegte und dabei die beste Saisonleistung bot. Ein Sprichwort sagt nämlich: "Im Erfolg machst du die meisten Fehler." Und so sehr Koller in den letzten Tagen vor dem Gegner warnte, so unbekümmert wirkte die Mannschaft vor dem Anpfiff. Da sah man nur gut gelaunte Gesichter, der ein oder andere witzelte sogar über das marode Millerntor-Stadion. Die Spannung und vielleicht auch der Respekt vor den Gastgebern war lediglich in den Augen des Cheftrainers abzulesen, ansonsten wirkte das Team wie auf einem Trip zu einer Benefiz-Veranstaltung. So etwas ähnliches wurde es dann auch. Völlig los gelöst von Prognosen und Formbarometern erteilte der FC St. Pauli seinem Gast eine richtige Lehrstunde. Was Freiburg zuvor in Bochum erlebte, spürten nun die Blau-Weißen am eigenen Leib. Bei der 2:0-Halbzeitführung der Hausherren blieb festzuhalten, dass der Gast von der Ruhr durchaus gut bedient war. Denn neben den Treffern von Michel Mazingu-Dinzey (9.) und Felix Luz (39.) hatte Pauli weitere hochkarätige Chancen. So scheiterte Dinzey mit einem Foulelfmeter an seinen Nerven, Jeton Arifi traf aus 26 Metern nur den Pfosten. Der VfL in Abschnitt eins einfach desolat, irgendwie erinnerte das an die zweite Halbzeit der letztjährigen Meisterschaftspartie gegen Mainz, als die Bochumer am Ende nicht nur eine 2:6-Klatsche kassierten, sondern sich damit vom Oberhaus verabschiedeten. Koller: "Wir waren gedanklich einfach zu langsam. Das Ergebnis hätte noch viel klarer ausfallen können." Zwar waren die Bemühungen des VfL in Abschnitt zwei deutlich intensiver, doch wenn überhaupt Hoffnung aufkam, dann bei Edus Chance kurz nach Wiederbeginn: Koller: "Da hätte es noch einmal kippen können, aber das wäre auch unverdient gewesen." So schnürte der FC St. Pauli den Bochumern noch ein richtiges Päckchen. Das 3:0 durch Florian Lechner (56.) und das 4:0 durch Chwicha Shubitidze (77.) waren mehr als gerecht. Der VfL-Coach: "Natürlich ist das Aus, weil es nicht zu reparieren ist, äußerst bitter. Aber das Ergebnis macht die Arbeit leichter. Bei einem 0:4 kommt niemand mehr auf die Idee, nach Ausreden zu suchen." Während man am Millerntor noch lange nach dem Abpfiff feierte, schlichen die VfL-Spieler wir geprügelte Hunde in die Kabine. Die erste Niederlage unter Koller nach drei Monaten ist zwar eigentlich kein Beinbruch, aber weil es im Pokal passierte und so unerwartet kam, wirkte es auf alle Augenzeugen wie ein Keulenschlag. Zwar unternahm Pavel Drsek noch einen Versuch, sich bei den Fans zu verabschieden, aber der VfL-Block winkte entschlossen ab und hatte genug von diesem verkorksten Hamburg-Trip. Aber es passierte auch etwas Bemerkenswertes: Als die St. Pauli-Spieler an den Bochumer Anhängern vorbei kamen, gab es keine Pfiffe, sondern anerkennenden Applaus. Das tolle Heimpublikum reagierte auf diese Geste besonders. Man traute seinen Ohren nicht, minutenlang hallten VfL-Sprechchöre von den immer noch gut gefüllten Rängen. Derweil konnten sich die Spieler innerlich schon auf die Höchststrafe vorbereiten. Koller hatte sich nach dem Abend für die Folter entschieden: Auf der Rückfahrt lief im Mannschaftsbus das Spiel noch einmal in kompletter Länge: "Das muss sein, damit sie begreifen, was da gerade passiert ist." Glück im Unglück hatten Rein van Duijnhoven, Marcel Maltritz und Dr. Karl-Heinz Bauer. Sie mussten zur Dopingkontrolle, wurden eine Stunde nach der Abfahrt des Busses mit dem Kombi nach Hause chauffiert. So blieb ihnen dieser Horrorstreifen erspart.
0:4! "Hurrikan Pauli" bläst Bochum aus dem Pokal
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