In vier deutschen WM-Stätten hat die Stiftung Warentest gravierende Sicherheitsmängel moniert. Das Olympiastadion in Berlin, in dem das Finale ausgetragen wird, das Leipziger Zentralstadion, das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern sowie die Veltins-Arena in Gelsenkirchen genügten den Ansprüchen der Tester nicht. Bemängelt wird bei den vier Stadien der Staudruck in möglichen Paniksituationen, die Evakuierungsmöglichkeiten und der Brandschutz.
Im Berliner Olympiastadion findet am 9. Juli das WM-Finale der zweiten Weltmeisterschaft auf deutschem Boden nach 1974 statt. Deutliche Mängel werden Hamburg, Frankfurt/Main, Stuttgart und Dortmund attestiert. Nur geringe Mängel wurden in München, Hannover, Nürnberg und Köln festgestellt.
Konter für den "Kaiser"
Die heftigen verbalen Attacken von WM-OK-Chef Franz Beckenbauer, der der Stiftung vorgeworfen hatte, sie kenne sich nur mit Gesichtscreme und Olivenöl aus, wies Warentest-Bereichsleiter Hubertus Primus vehement zurück: "Wir können mehr als nur Oliven. Wir haben schon in den 80-er Jahren Stadien untersucht und auf diesem Gebiet viel Erfahrung gesammelt."
"Ich war selbst schockiert, dass in den neuen Stadien ein Alter Hut wie die Fluchtmöglichkeiten so viel Defizite aufwirft", meinte Primus. Schon 1996 habe eine Untersuchung ergeben, dass die meisten Stadien die Notwendigkeit von Fluchttoren erkannt hätten. "Umso erstaunlicher ist es, dass in drei WM-Stadien, dem Olympiastadion in Berlin, dem Zentralstadion in Leipzig und der Veltins-Arena in Gelsenkirchen diese Fluchttore vollständig fehlen", so Primus. Hier habe man wohl die Unfälle der 70er- und 80er-Jahre vergessen.
Die Vertreter von Stiftung Warentest, die bei der Aufzählung ihrer Panik-Szenarien kaum ein Negativ-Erlebnis der Fußball-Geschichte ausließen, verteidigten ihre Untersuchungen gegen Vorwürfe der fehlenden Gründlichkeit. "Wir haben nicht zwei oder drei Stunden untersucht, sondern sechs bis acht Stunden. Es waren immer zwei unabhängig voneinander arbeitende Mitarbeiter in den Stadien", sagte Primus. Die Stadien-Betreiber und auch behördliche Vertreter seien bei den Untersuchungen dabei gewesen. Alle Betreiber wurden über die Ergebnisse unterrichtet, lediglich aus Hannover und Kaiserslautern habe man kein Feedback bekommen.
Bundesliga nicht gefährdet
Einen Stopp der aktuellen Bundesliga-Spiele hält die Stiftung, die erstmals in ihrer Geschichte eine Pressekonferenz wegen des großen öffentlichen Interesses so weit vorgezogen hatte, nicht für ratsam: "Ich denke, es besteht die Möglichkeit, durch den Einsatz zusätzlicher Sicherheitskräfte recht schnell auf die Mängel zu reagieren. Das sollte auch in der Bundesliga getan werden", sagte Holger Brackemann, Produkttest-Abteilungsleiter.
Generell sieht die Stiftung rund fünf Monate vor dem Eröffnungsspiel der WM (9. Juni in München) noch genügend Zeit, die Mängel zu beheben: "In allen drei Stadien, die wir in Bezug auf den Staudruck mangelhaft bewerten, halten wir den nachträglichen Einbau für möglich, am schwierigsten sicherlich in Leipzig", so Brackmann. Wenig Verständnis zeigten die Stadien-Begutachter für aufgestellte Gitter, die so genannte Flitzer abhalten sollen: "Diese Gitter könnten im Panikfalle die Flucht erschweren."
WM-OK gerät unter Druck
Das deutsche WM-Organisationskomitee gerät jedenfalls zunehmend in die Schusslinie von außenstehenden Organisationen und fürchtet um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung. "Wir fühlen uns mehr und mehr unter Druck gesetzt. Wir haben noch 150 Tage, um das Turnier vorzubereiten. Wir wehren uns dagegen, Energie zu vergeuden. Solche Verfahren stören den Ablauf", erklärte OK-Vizepräsident Horst R. Schmidt in seiner Replik auf die Studie der Warentester. Trotz der Studie steht für Schmidt fest: "Die deutschen WM-Stadien sind sicher." Die deutschen WM-Organisatoren stellten klar, dass die Sicherheit der Zuschauer im normalen Bundesliga-Spielbetrieb in keiner Weise gefährdet sei, demzufolge auch nicht bei der bevorstehenden Weltmeisterschaft.
Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) sieht keinen Grund zum überstürzten Handeln. "Der Rückrundenauftakt der Bundesliga vom 27. bis 29. Januar ist nicht gefährdet", erklärte Holger Hieronymus, der Geschäftsführer Spielbetrieb der DFL. Generell würden die Rückrundenspiele wie geplant durchgeführt, so Hieronymus.