Die Gesetze des Fußball-Geschäfts haben auch in Hannover wieder gegriffen. Einen Tag nach der 0:1-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach hat sich Bundesligist Hannover 96 wie erwartet von seinem Trainer Ralf Rangnick getrennt.
"Die derzeitige Entwicklung ist absolut inakzeptabel und hat uns unvorbereitet und völlig überraschend getroffen", begründete 96-Vorstandsvorsitzender Martin Kind die Entscheidung des norddeutschen Traditionsklubs. Kind weiter: "Ein Trainer wird bezahlt, um die Mannschaft sportlich weiterzuentwickeln. Für die Ergebnisse muss er die Verantwortung übernehmen."
Letztes Gespräch mit Kind besiegelt Ende
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rangnick räumte Kind ein, er habe schon angenehmere Tage als diesen erlebt: "Es war ein bedauerlicher Prozess in den letzten Tagen, aber alle Beteiligten kennen eben die Spielregeln." Zuvor hatte Rangnick schon nicht mehr das angesetzte Training geleitet, sondern sich sich stattdessen mit Kind und seinem Berater Volker Weiß zu einem letzten Gespräch getroffen.
Der Schwabe schloss aus, noch in dieser Spielzeit einen neuen Trainerjob anzunehmen: "Ich habe in Hannover mit Herzblut und vielen emotionalen Bindungen gearbeitet, jetzt brauche ich Abstand davon und vor allem die Nähe meiner Familie."
Rangnick ist der siebte Coach, der in der laufenden Bundesliga-Saison vorzeitig seinen Hut nehmen muss. Vor ihm mussten bereits Erik Gerets (Kaiserslautern), Huub Stevens (Berlin), Ewald Lienen (Mönchengladbach), Kurt Jara (Hamburg) und Friedhelm Funkel (Köln) ihren Posten räumen. Zudem hatte Armin Veh (Rostock) freiwillig das Handtuch geworfen.
Funkel, Lienen und Brehme im Gespräch
Funkel und Lienen gehören auch zu den Kandidaten, die als Nachfolger für den 45 Jahre alten Rangnick gehandelt werden. Genannt wurde auch der Name von Ex-Weltmeister Andreas Brehme. 96-Boss Kind dazu: "Ob wir schon bis zum nächsten Spiel am Samstag gegen Kaiserslautern unseren neuen Mann haben, kann ich nicht garantieren." Bis auf weiteres leitet Rangnicks bisheriger Assistent Mirko Slomka den Trainingsbetrieb.
Das Verhältnis zwischen Kind und Rangnick galt seit dem Amtsantritt des Schwaben im Juli 2001 und ungeachtet des Bundesliga-Aufstiegs ein Jahr später stets als belastet. Das Fass zum Überlaufen brachten Rangnicks Personalentscheidungen in der Winterpause. In Zusammenarbeit mit Sportdirektor Ricardo Moar ließ der Trainer gleich fünf neue Spieler verpflichten, von denen sich nur der US-Amerikaner Clint Mathis als Verstärkung entpuppte.
96 will in Zukunft besser über Transfers nachdenken
"Aus meiner Sicht müssen unsere Transferentscheidungen in Zukunft besser diskutiert werden. Man muss sicher kritisch hinterfragen, ob 51 Gegentreffer akzeptabel sind. Unser Ziel war es, die Mannschaft in der ersten Liga zu etablieren, diese Arbeit ist momentan in Frage gestellt", erläuterte Kind und richtete damit den Fokus auf die eklatanten Abwehrschwächen bei den Hannoveranern.
Einen eigenen Rücktritt hatte Rangnick stets kategorisch ausgeschlossen: "Als Trainer geht man nicht als Erster, sondern als Letzter von Bord." Auch bei seinen beiden vorherigen Arbeitgebern, dem SSV Ulm 46 und dem VfB Stuttgart, hatte der Fußball-Lehrer das Vertragsende nicht erlebt. Rangnicks Kontrakt in Hannover lief noch bis zum 30. Juni 2005.