Zurückhaltend und ohne markigen Spruch auf den Lippen - so kennt man Peter Neururer sonst gar nicht. Beim von ihm trainierten Bundesligisten VfL Bochum läuft es in dieser Saison jedoch so gut wie noch nie, und da hat er reichlich damit zu tun, die Begeisterung rund um das Ruhrstadion nicht überborden zu lassen. "Es ist unglaublich, dass die Mannschaft schon am 22. Spieltag den Klassenerhalt perfekt machen kann. Das hat es noch nie gegeben", sagte "Peter der Große" vor dem Spiel gegen Hansa Rostock am Samstag (15.30 Uhr/live bei Premiere).
Von der Teilnahme am Uefa-Cup oder gar der Champions League, die nach den Überraschungs-Coups gegen Bayern München (1:0) und bei Bayer Leverkusen (3:1) in greifbare Nähe gerückt ist, will er nichts wissen. "Der UI-Cup ist mittlerweile realistisch, von mehr reden wir hier nicht", meinte der Harley-Fahrer, der bei aller Begeisterung die Gefahr nicht aus den Augen verliert: "Es kann nicht sein, dass wir am Ende Achter werden und plötzlich jemand darüber enttäuscht ist."
36 Punkte geben allerdings momentan berechtigten Grund zur Hoffnung, dass die ehemals "graue Maus" der Liga Platz fünf noch eine Weile erfolgreich gegen die vermeintlich großen Nachbarn Borussia Dortmund (34) und Schalke 04 (32) verteidigen kann und außerdem die schwächelnden Leverkusener (36) sowie den VfB Stuttgart (39) ins Visier nimmt. Neururers Gute-Laune-Kicker, zweitbeste Rückrundenelf nach Spitzenreiter Werder Bremen, spielen in der Form ihres Lebens - so abgeklärt, zielstrebig und erfolgsorientiert wie noch nie.
Beim Blick in die Vereins-Chronik, die meist von mehr oder weniger erfolgreichen Abstiegskämpfen berichtet, träumt der VfL-Fan schon von Real Madrid. In der Saison 1996/97 erreichte der Klub zum ersten und bislang einzigen Mal einen Uefa-Cup-Platz. Damals hatte das Team zum selben Zeitpunkt der Saison 29 Punkte auf dem Konto - sieben Zähler weniger als heute.
Von derlei Zahlenspielereien will Neururer nichts wissen. Vielmehr sucht er gerade in den Stunden des großen Erfolges nach Argumenten, die alle auf dem Boden der Tatsachen hält. "Wir leben noch viel zu sehr von den Schwächen anderer, nicht genug von unseren eigenen Stärken. Die Mannschaft muss noch viel konsequenter werden", meinte der VfL-Coach nach dem Leverkusen-Spiel - und gab seinem Team am Karnevals-Dienstag kurzerhand trainingsfrei.
Für den Rest der Woche stehe dann nur noch das Thema Rostock auf dem Programm. Mit dem kommenden Gegner haben die Westfalen noch eine Rechnung offen. In der vergangenen Saison zeigte der VfL gegen Hansa eine seiner besten Leistungen im Ruhrstadion, verlor aber dennoch 0:1. Nun erwartet Neururer einen Sieg, nicht nur weil er nach der Rückkehr von Abwehrspieler Philipp Bönig (Meniskusprobleme überwunden) wieder seine Wunschelf aufbieten kann.
Dass der Trainer zuletzt verstärkt auf sonst so ungewohntes Understatement setzte, hängt wohl auch mit drei wichtigen Personalien zusammen. Der Wechsel von Nationalspieler Paul Freier nach Leverkusen ist beschlossene Sache, aber noch nicht spruchreif. Noch mehr Kopfzerbrechen dürfte Neururer Sunday Oliseh machen. Der Nigerianer, Taktgeber der Mannschaft und vor allem in der Spieleröffnung unverzichtbar, ist nur bis zum Ende der Saison von Borussia Dortmund ausgeliehen und darüber hinaus wohl nicht mehr zu bezahlen. Der Wechsel von Abwehrspieler Frank Fahrenhorst nach der Saison zu Werder Bremen ist bereits offiziell.
Auf die Personalsituation angesprochen, geht Neururer dann aber wieder wie gewohnt in die Offensive: "Keine Sorge, die Mannschaft in der kommenden Saison wird noch besser sein als die jetzige."