Vor seinem "Heimspiel" im Dortmunder Westfalenstadion gibt sich Sebastian Kehl kämpferisch. "Die Stimmung in der Mannschaft ist nicht ganz so gut. Auch bei uns liest jeder die Zeitungen. Natürlich wird auch viel diskutiert. Aber wir haben es uns selbst eingebrockt, also müssen wir die Suppe nun auch auslöffeln", berichtet der Nationalspieler von Borussia Dortmund, der wohl statt des verletzten Jens Jeremies erneut von Beginn an auflaufen wird, vor der EM-Qualifikation gegen Schottland am Mittwoch (20.45 Uhr/live in der ARD) selbstkritisch.
Turbulente Wochen für Kehl
Erst der Platzverweis im Ligapokal, dann der Ärger um die Gehälter beim BVB: Der 23-Jährige hat turbulente Wochen hinter sich, in denen er teilweise auch bewusst missverstanden wurde. "Die Rote Karte - dafür habe ich mich schon beim Schiedsrichter und den Fans entschuldigt. Das war ein Fehler von mir", räumt er ein, stellt aber mit Blick auf seine Rolle als Buhmann in der Geld-Diskussion klar: "Ich bin direkt nach dem Spiel gefragt worden, was ich von einem Gehaltsverzicht halte. Da waren meine Gedanken noch beim Spiel, war noch enttäuscht und frustriert. Da wusste ich erstmal gar nicht, was jetzt los ist. Und was ich dann gesagt habe, ist aus dem Zusammenhang gerissen worden. Ich habe von Beginn an Gesprächsbereitschaft signalisiert."
Im Mittelpunkt steht für den Youngster nämlich immer noch die runde Kunststoffkugel - und nicht das Geld. "Ich bin einfach geil auf Fußball. Wenn ich einen Tag trainingsfrei habe, brenne ich schon wieder auf den nächsten Tag. Ich freue mich dann schon wieder, die Kugel am Fuß zu haben. Das treibt mich an. Das ist sicherlich der tollste Beruf", schwärmt Kehl und seine Augen leuchten dabei.
"Habe sicherlich Fehler gemacht"
Um als abgezockter, verwöhnter "Wohlstandsjüngling" durchzugehen, ist der Hesse ohnehin viel zu bodenständig. Schließlich wird sein Auftreten auch daheim in Lahrbach genauestens beobachtet: "Wir haben einen kleinen Ort, die Leute kommen auch Sonntag morgens zum Frühschoppen bei uns ins Hotel, und da wird auch über mich diskutiert", sagt Kehl - und will sich genau deshalb nicht verbiegen lassen: "Ich habe sicherlich viele Fehler gemacht. Das ein oder andere hätte ich nicht sagen sollen. Aber an sich, glaube ich, dass ich mich ganz authentisch verkaufe, dass ich mich so präsentiere, wie ich bin."
Das erkennen auch die Teamkollegen an. "Meine Mitspieler bei Borussia, aber auch in der Nationalmannschaft wissen natürlich auch, was man für ein Typ ist. Die Jungs wissen, was los ist. Ich versuche, mit jedem gut Freund zu sein", sagt der 20-malige Nationalspieler, der sich beim BVB mit dem Dortmunder Christoph Metzelder ein Zimmer teilt. Auf einen persönlichen Berater verzichtet Kehl, seine Geschäfte hat er mit Unterstützung des Vaters selbst in die Hand genommen. Und dass er sich auch für Politik interessiert, mal ein Buch liest und insgesamt versucht, über den Tellerrand hinauszuschauen, ist auch für einen Fußballer nicht verboten. Zumal Kehl, der nebenbei noch Schirmherr der Aktion "Balance 2006", einem Fan-Projekt für Toleranz bei der WM im eigenen Land ist, auch sonst das macht, was andere in seinem Alter machen: "Ich treffe Freunde, gehe ins Kino, ab und zu mal Billard spielen - und rede einfach mal Blödsinn."