Nach außen hin kam die Meldung überraschend: Jörg Böhme steht der DFB-Auswahl weder für das heutige Länderspiel gegen Kanada (19.00 Uhr/live im ZDF) in Wolfsburg noch für die beiden EM-Qualispiele in Schottland (7. Juni) und auf den Färöern (11. Juni) nicht zur Verfügung. "Er ist körperlich und geistig nicht in der Lage, uns zu helfen", wählte der sonst so diplomatische Teamchef Rudi Völler ungewohnt deutliche Worte in Richtung Böhme. Was war vorgefallen? In einem längeren Gespräch am Donnerstagabend im noblen DFB-Quartier Ritz-Carlton in Wolfsburg verständigten sich Völler und das "enfant teribble" darauf, dass der zehnmalige Nationalspieler wieder nach Hause reist. Der Schluss-Strich unter eine Karriere, die von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Vor rund einem Jahr hatte Böhme wegen einer Verletzung die WM sausen lassen müssen. Nun wurde eine leichte leichte Rückenverletzung angeführt, die aber laut Völler "nicht ausschlaggebend" für die Abreise gewesen sei. "Er wirkt oft als harter Kerl, ist aber eigentlich sehr sensibel", sagte Völler zur Gemütslage des Schalkers, ohne nähere Einblicke zu gewähren. Ein Comeback Böhmes rückt in weite Ferne, wenn überhaupt: "Er soll nächste Saison wieder angreifen, aber erst mal wieder beständige Leistungen im Verein bringen." Viel mehr ging die National-Mannschafts-Laufbahn des 29-Jährigen genau zwei Jahre nach seinem Debüt im DFB-Dress am 29. Mai 2001 in Bremen gegen die Slowakei ohne große Nebengeräusche. Während Böhme selbst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, wusste S04-Team-Manager Andreas Müller etwas über die Gedankenwelt des Ex-Bielefelders zu erzählen. "Ich habe vor ein paar Tagen mit Jörg gesprochen. Da hat er schon ernsthaft überlegt, ob es nicht Sinn macht, aufzuhören", berichtet Müller. "Dabei hat er gesagt, dass er eventuell von der Nationalelf zurück treten will. Ich habe ihm geraten, sich diese Entscheidung gründlich zu überlegen, aber er war sich ziemlich sicher. Ich hatte immer den Eindruck, dass er sich dort nur geduldet, aber nie geliebt wurde." Böhme, in jeder Hinsicht ein "gebranntes Kind", scheint sich in Zukunft nur auf Schalke konzentrieren zu wollen. Nach den vielen Querelen im vergangenen halben Jahr, die mit der Vertrags-Verlängerung bis 2006 ein gutes Ende fand, ein klares Bekenntnis pro Schalke. Andererseits muss die Frage erlaubt sein, warum Böhme einen sicheren Platz im Adler-Trikot so leichtfertig aus der Hand gibt. Mit der EM 2004 in Portugal und der WM im eigenen Land vor Augen hat die Entscheidung, nun in den Sack zu hauen, einen bitteren Beigeschmack. 2006 ist Jörg Böhme 32 Jahre alt, eigentlich ein perfekter Zeitpunkt, um dann zurück zu treten.
SCHALKE: Böhme: Geduldet, aber nie geliebt
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