Borussia Dortmund hat in den ersten Saisonwochen bislang einen bedeutend besseren Eindruck hinterlassen als noch in der Vorsaison. Ein Trend, der sich auch in der Tabelle abzeichnet. Mit zwölf Punkten steht man auf Rang sechs, vor den Titelfavoriten aus München und Bremen, und punktgleich mit dem Revierrivalen Schalke 04, der (noch) einen ganz anderen Anspruch verfolgt als der BVB. Dennoch gab es auch Rückschläge, wie etwas das frühe, wenngleich sehr unglückliche Ausscheiden im UEFA-Cup, oder die krasse 1:4-Pleite bei den Aufsteigern von 1899 Hoffenheim. Grund genug, die einzelnen Mannschaftsteile detailliert unter die Lupe zu nehmen.
Die Abwehr
Am Ende der vergangenen Saison stand hinten die „64“ - So viele Gegentore, und damit mehr als jedes andere Team der Bundesliga, musste der BVB in 34 Partien einstecken. Die Verantwortlichen reagierten, schickten Christian Wörns in Rente und Markus Brzenska und Martin Amedick in die Ferne, und holten dafür die Talente Felipe Santana und Neven Subotic in den „Pott“. Besonderes letzterer erwies sich als Glücksgriff. Der 19-Jährige bildete zu Saisonbeginn ein harmonisierendes Innenverteidiger-Duo mit Bayern-Leihgabe Mats Hummels, und überzeugte auch als Torjäger (drei Saisontore).
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Erwies sich als Glücksgriff: Neven Subotic. (RS-Foto: firo)
Mit Marcel Schmelzer, der den verletzten Dede ersetzte, und dem Südkoreaner. Young-Pyo Lee etablierte sich außerdem ein neues Pärchen auf den Außenbahnen, das vor allem defensiv von Partie zu Partie sicherer wurde. Das alles führt dazu, dass der BVB – trotz elf Gegentreffern nach sieben Spieltagen – den Ruf als „Schießbude der Liga“ in diesem Jahr nicht verteidigen dürfte. Entscheidenden Anteil daran hat auch Roman Weidenfeller, der sich ebenfalls von Woche zu Woche steigerte und mittlerweile wieder seine Normalform erreicht hat.
Das Mittelfeld
Personell hat sich im Mittelfeld im Vergleich zum Vorjahr nur wenig verändert. Einzig Giovanni Federico, der aktuell keine Rolle mehr spielt, wurde von Neuzugang Tamas Hajnal ersetzt. Der Ungar suchte zunächst nach seiner Rolle und wurde von Klopp als zweiter „Sechser“ in einer fl achen Vier getestet. Mittlerweile zählt der Ex-Karlsruher als Kopf einer zentralen Raute zu den absoluten Leistungsträgern des Teams. Das gleiche gilt für Jakub „Kuba“ Blaszczykowski, der in den letzten Monaten einen enormen Leistungssprung vollziehen konnte. Egal ob als hängende Spitze oder dahinter im Mittelfeld, der Pole begeistert stets mit seinem Vorwärtsdrang und brillanter Technik. Steigerungsfähig dagegen sind die Leistungen des neuen Kapitäns Sebastian Kehl sowie der früheren Leistungsträger Tinga und Florian Kringe. Während Kehl langsam wieder in Tritt kommt, baute Kringe zuletzt ab, ihm fehlt es weiterhin an Konstanz. Hoffnung macht die zweite Reihe um den Rückkehrer Nuri Sahin, der sich zu einer ernsthaften Alternative gemausert hat.
Der Sturm
Vor der Saison als Prunkstück gehandelt, verlor dieser Mannschaftsteil nach dem ersten Spieltag mit Mladen Petric einen seiner beiden Torgaranten. Dafür wechselte Mohamed Zidan nach Dortmund, der die Rolle des Kroaten bislang jedoch noch nicht gleichwertig übernehmen konnte. Zuerst fehlte ihm die Anbindung ans Dortmunder Spiel, dann verletzte er sich im UEFA-Cup so schwer, dass er wochenlang ausfiel. Dafür unterstrich Alex Frei - trotz seiner langen Verletzungspause - vom ersten Einsatz an, dass er nichts von seiner Qualität eingebüßt hat.
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Hat trotz langer Verletzungspause nicht an Qualität verloren: Alex Frei. (RS-Foto: firo)
Mit drei Treffern ist er, gemeinsam mit Subotic, schon jetzt wieder der Top-Torjäger des BVB. Dicht auf den Fersen ist ihm mit Nelson Valdez jedoch ausgerechnet ein Spieler, der schon als abgeschrieben galt. Der Paraguayer entwickelte sich unter Klopp prächtig und kann fast als Neuzugang gewertet werden. Dahinter lauern Diego Klimowicz, der seinen Ruf als Joker im Pokalspiel gegen Berlin untermauerte, und der unverbrauchte und freche Bajram Sadrijaj auf ihre Chancen, die sie bereits in der Frühphase der Saison bekamen und zumindest stellenweise auch nutzen konnten.
Die Schwächen
Am deutlichsten wurden die Schwächen des BVB zu Beginn der Englischen Wochen, als man zunächst Udinese Calcio ins offene Messer rannte und danach von Hoffenheim überrollt wurde. Zwar stehen mit Kehl, Weidenfeller, Frei, Kovac und Lee einige erfahrene Kräfte im Aufgebot, vielen Kickern mangelt es jedoch an der nötigen Erfahrung. Bei Spielern wie Subotic, Schmelzer, Sadrijaj und auch „Kuba“ sind Leistungsschwankungen deshalb zu erwarten. Die Frage wird sein, wie sie selbst und ihr Coach damit umgehen werden. Die erste Reaktion nach der Doppelpleite ging jedenfalls in die richtige Richtung. Denn nach dem Hoffenheim-Spiel legte der BVB einen Zwischenspurt ein und fuhr drei wichtige Siege in Serie ein.
Die Stärken
Nach Jahren der Abhängigkeit von einzelnen Schlüsselspielern scheint es, als wäre der Kader des BVB endlich wieder so breit besetzt, dass sich die erste Elf nicht mehr von alleine aufstellt, sondern ausreichend Alternativen bereitstehen. Außerdem ist die mannschaftliche Geschlossenheit unter Klopp enorm gestiegen. Es steht ein Team auf dem Platz, das füreinander kämpft und sich auch in schlechten Zeiten nicht zerpflückt. Bestes Beispiel dafür: Als Subotic im enorm wichtigen Pokalspiel gegen Berlin Fehler am Fließband produzierte, wurde er von seinen Mannschaftskollegen nicht angeschnauzt, sondern aufgebaut. Es folgte eine deutliche Leistungssteigerung, die letztlich mitverantwortlich für das Überwintern im Cup-Wettbewerb war.
Die Prognose
Trotz des derzeitig guten Tabellenplatzes sollte man die Leistungen der Dortmunder nicht allzu blauäugig einschätzen. Teams wie Wolfsburg, Bremen oder Bayern München sind deutlich stärker besetzt als der BVB und werden über kurz oder lang an den Schwarz-Gelben vorbeiziehen. Ein einstelliger Tabellenplatz zur Winterpause sollte das Ziel sein - und ist auch realistisch.