Bei seiner Premiere am Samstag (18.30 Uhr/Sky) wartet auf den Nachfolger von Julian Nagelsmann gleich das Bundesliga-Topspiel gegen seinen Ex-Klub Borussia Dortmund. Bei einer Niederlage ist die elfte Meisterschaft der Bayern in Serie in höchster Gefahr.
Das Problem: Tuchel hatte kaum Zeit, den Rekordmeister auf den BVB und die folgenden Wochen der Wahrheit mit dem Champions-League-Kracher gegen Manchester City einzustimmen. Seinen kompletten Kader hatte er wegen diverser Länderspiel-Verpflichtungen erstmals im Abschlusstraining am Freitag beisammen.
Große Änderungen wird es deshalb gegen Spitzenreiter Dortmund, der einen Punkt vor den Bayern liegt, wohl (noch) nicht geben. So oder so: Tuchel steht vor einigen Herausforderungen. Der SID bietet einen Überblick über seine „Baustellen“:
ZEIT: Beim ersten Training am Dienstag stand Tuchel nur ein Rumpfkader um Thomas Müller und Leroy Sane zur Verfügung. Die meisten Nationalspieler stiegen am Donnerstag ein, Alphonso Davies kam erst am Freitag zurück. Es werde deshalb „keinen großen Wechsel in der Systematik und den Abläufen geben“, sagte Tuchel. Vielleicht „quetsche“ er aber noch am Samstag „eine Einheit rein“. Zumal die Herausforderung „nicht größer sein“ könne.
PROGRAMM: Eingewöhnung? Ist nicht! Für Tuchel geht es in den „sehr, sehr heißen Wochen“ (Joshua Kimmich) gleich in die Vollen. Nach dem Liga-Gipfel gegen den BVB wartet zweimal der SC Freiburg in Pokal und Liga, dann der Champions-League-Kracher gegen Manchester City (11. und 19. April). Die Fallhöhe für Tuchel ist hoch, der Druck riesig.
KONSTANZ: Die Bayern waren in diesem Jahr konstant inkonstant. In der Liga verspielten die Münchner neun (!) Punkte Vorsprung auf Dortmund. Die Launen seiner Stars, die nur in der Champions League nach Wunsch spielten, kosteten Julian Nagelsmann den Job. Jetzt seien „alle gefordert“, sagte Leon Goretzka in Sport Bild, „es viel besser zu machen“. Die Mentalität aus der Königsklasse müsse man „viel häufiger abrufen“.
SYSTEM: Dreier- oder Viererkette? Tuchel will erst mit den Spielern sprechen, hat aber eine „Idee davon, was man machen kann“. Dabei werde er „nicht alles totreden“. Bei Chelsea bevorzugte er eine Dreierkette - und gewann die Champions League. Eins sei klar, sagte Kimmich: „Wir müssen ganz schnell zusehen, dass wir eine gute Kombination kreieren, damit wir die Spiele gewinnen.“
MÜLLER: Am Routinier und Führungsspieler schieden sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Geister. Niko Kovac scheiterte, weil er Müller für verzichtbar hielt. Auch Nagelsmann wusste oft nicht so recht, was er mit dem umtriebigen Offensivspieler anfangen sollte. Und Tuchel? Laut Bild soll er sich bewusst sein, wie wichtig Müller als Führungsspieler und Fixstern ist.
OFFENSIVE: Für drei bis vier Positionen stehen Tuchel acht Stars zur Verfügung. Dies birgt reichlich Konfliktpotenzial, zumal der Coach bei Chelsea oft nur drei Offensive aufbot. Wie lange halten gestandene Profis wie Sadio Mane, Sane, Serge Gnabry, Kingsley Coman, Jamal Musiala, Müller oder Eric Maxim Choupo-Moting still? Tuchel weiß immerhin, wie er mit Hochbegabten umgehen muss: Bei PSG kam er mit Neymar und Kylian Mbappe zurecht.
KIMMICH: Er galt als engster Nagelsmann-Vertrauter und übte an der Trennung am lautesten Kritik. Er monierte „wenig Liebe, wenig Herz“. Doch schnell schaltete der Führungsspieler in den Tuchel-Modus. „Wir wissen alle, was der Trainer kann“, sagte Kimmich. Man werde versuchen, es Tuchel „so einfach wie möglich zu machen“.
BOSSE: Tuchel gilt als kritischer Geist, einer, der sich bei seinen Vorgesetzten nicht verbiegt. In Dortmund geriet er mit Hans-Joachim Watzke aneinander, in Paris mit Sportchef Leonardo, bei Chelsea gab es Probleme mit den neuen Investoren um Todd Boehly. Bleibt abzuwarten, wie es Tuchel gefällt, wenn sich Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic einbringen - und im Hintergrund noch Uli Hoeneß mitmischt.