Inzwischen ist das legendäre 4:4 zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 fast vier Jahre her. Noch heute schwärmen die S04-Anhänger vom Jahrhundertderby und dem Ausgleich von Naldo in der Nachspielzeit nach einem 0:4-Rückstand gegen den BVB zur Halbzeit.
Genauso lange wartete ein Schalke-Anhänger auf die Löschung seines Eintrags in der Datei „Gewalttäter Sport“ durch die Dortmunder Polizei. Dieses Ziel hat er nun erreicht. Eine aus diesem Zweck anberaumte Gerichtsverhandlung in der vergangenen Woche ist aber dadurch geplatzt. Was heißt das nun für die übrigen rund 680 betroffenen Schalke-Fans?
"Die Polizei hatte mit einem Großeinsatz im Kreuzviertel 679 Schalker Fans daran gehindert, zum Stadion zu gelangen. Sie waren zuvor von zahlreichen Autos im Bereich der Kuithanstraße abgesetzt worden – mit Sturmhauben und Zahnschutz im Gepäck."
Polizei Dortmund
Zu Erinnerung: Vor dem Spiel hatte die Dortmunder Polizei eine große Gruppe Schalke-Fans im Dortmunder Kneipenviertel eingekesselt und die Personalien sichergestellt. „Die Polizei hatte mit einem Großeinsatz im Kreuzviertel 679 Schalker Fans daran gehindert, zum Stadion zu gelangen. Sie waren zuvor von zahlreichen Autos im Bereich der Kuithanstraße abgesetzt worden – mit Sturmhauben und Zahnschutz im Gepäck“, schrieb die Dortmunder Polizei anschließend in einer Pressemitteilung. „Erneut unbelehrbare Ultras aus Gelsenkirchen“ hätten das Anreisekonzept unterlaufen.
Aber ist das ein (Straf-)Tatbestand, der den Eintrag in eine Datei mit dem Namen „Gewalttäter Sport“ rechtfertigt? Und die sich auch auf Lebensbereiche abseits des Sports auswirken kann. Oder ist es eine Kollektivstrafe, die sich nicht gehört? Nicht alle dort eingekesselten S04-Fans werden schließlich bewaffnet gewesen sein. Genau diese Frage galt es vor dem Gelsenkirchener Verwaltungsgericht zu klären. Zu der für die vergangene Woche angesetzten Hauptverhandlung kam es aber nicht. Denn kurz vor dem Termin hat die Dortmunder Polizei überraschend den Eintrag des klagenden Fans gelöscht.
„Ursprung des Ganzen war, dass mein Mandant sich da ungerecht behandelt gefühlt hat. Weil er eben dort eingetragen worden ist, ohne jemals in irgendeiner Form negativ polizeilich aufgefallen zu sein“, erklärte der Rechtsanwalt des klagenden Fans Florian Beisenbusch dem Deutschlandfunk. „Er hat bislang keinerlei Voreintragungen in seinem Bundeszentralregister, hat sich nie an irgendwelchen gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt. Hat sich nie was zu Schulden kommen lassen, bis es dann eben zu diesem Vorfall in Dortmund gekommen ist, und daraufhin haben wir den Klageweg beschritten.“
Im Falle einer Einzelfallprüfung aufgrund des Klageverfahrens habe die Dortmunder Polizei sich nun dazu entschieden, den Eintrag zu löschen, schreibt der Deutschlandfunk. Ein Winkelzug? Denn bei einem Urteil zugunsten des Schalke-Fans hätten auch die anderem Einträge auf den Prüfstand gemusst. Und es wäre ein Präzedenzfall geschaffen worden. Dass das Urteil pro Kläger ausgefallen wäre, hatte das Gericht laut dem Deutschlandfunk bereits angedeutet. In einem Protokoll heißt es: „Das Gericht weist darauf hin, dass alles dafür spreche, dass die Speicherung der Daten des Klägers in der Datei Gewalttäter Sport von Anfang an rechtswidrig gewesen ist.“
"Aus unserer Sicht ist es wichtig, jetzt zu schauen, wie wir zusammen mit dem Verein Königsblaue Hilfe und dem Repressionsfonds Nordkurve möglichst viele aus dieser Datei herausbekommen können."
Markus Mau, Leiter des Schalker Fanprojekts
Dem ist die Polizei nun zuvor gekommen. Denn durch die Streichung des Eintrags für den klagenden S04-Fan ist der Klagegrund entfallen. Das Gericht musste nicht abschließend entscheiden. Eine nochmalige generelle Überprüfung und automatische Löschung der Daten der andern Betroffenen wird es somit auch nicht geben. „Aus unserer Sicht ist das Ergebnis sehr unbefriedigend, da keine Lösung für alle getroffen werden konnte“, erklärte Markus Mau vom Gelsenkirchener Fanprojekt dazu dem RevierSport. „Aus unserer Sicht ist es wichtig, jetzt zu schauen, wie wir zusammen mit dem Verein Königsblaue Hilfe und dem Repressionsfonds Nordkurve möglichst viele aus dieser Datei herausbekommen können.“ Betroffene können bei der Zentralen Informationsstätte Sporteinsätze (ZIS) eine Anfrage stellen, ob sie von einem Eintrag betroffen sind.