Auf den kommenden Sonntag werden Schalkes Verantwortliche sicher mit gemischten Gefühlen blicken. Einerseits freut man sich ja immer, die ganze große Familie im eigenen Wohnzimmer begrüßen zu können. Andererseits dürften deutliche Worte zu erwarten sein. Vermutlich nicht immer nur freundliche. Denn der Frust bei den Fans sitzt auch sechs Wochen nach der miserablen letzten Saison immer noch tief.
Zwar ist eine Schlammschlacht, wie sie ältere Mitglieder aus den 80er Jahren noch vor Augen haben, eher nicht zu erwarten. Aber die Diskussion darüber, wie eine solche Häufung von Fehlentscheidungen und Erwartungen möglich werden konnte, dürfte emotional und auch mal persönlich werden: Der Frust muss raus! Man spricht ja gerne von den „Verantwortlichen“. Sonntag wird sich zeigen, dass es nicht nur Spaß macht, als ein solcher bezeichnet zu werden.
Dabei sollte der Blick zurück im Zorn sich nicht nur auf die letzte Spielzeit beschränken. Seit dem unseligen di Matteo-Jahr kommt Schalke spielerisch nicht mehr auf die Beine. Der Vizetitel hat das nur kaschiert. Mittlerweile gibt es dazu auch keine zwei Meinungen mehr. Dass gleich mehrere Trainer keinen Weg gefunden haben, Schalke wieder ansehnlichen und in Maßen auch erfolgreichen Fußball spielen zu lassen, muss einfach daran liegen, dass an der Gesamtkonstruktion etwas nicht stimmt.
Eines sollte aber auch der wütendste Fan nicht vergessen: So viele Spieler der Extraklasse (Neuer, Özil, Matip, Draxler, Kolasinac, Sane, Goretzka) in wenigen Jahren zu verlieren, das schafft kein Klub ohne massiven Substanzverlust.
Doch bei aller gebotenen Aufarbeitung der Vergangenheit, sollte am Sonntag der Blick nach vorne gerichtet werden. Und jeder noch so aufgebrachte Redner sich bewusst sein, dass Schalke 04 noch immer ein großer Verein ist, der auch extrem kritische Meinungsäußerungen von Mitgliedern überhaupt noch zulässt. Im Fußball-Geschäft der Zukunft ist das eigentlich nicht vorgesehen. Weil es die Manager nur noch nervt, wenn der kritische Fan seinen Mund aufmacht.
Autor: Ulrich Homann