Die Fans von Borussia Dortmund waren sich sicher: „Deutscher Meister wird nur der BVB!“, skandierten sie lautstark, nachdem ihre Mannschaft den 1:0 (1:0)-Arbeitssieg beim VfL Wolfsburg eingefahren und den Vorsprung gegenüber dem Rekordmeister FC Bayern München auf vier Punkte ausgebaut hatte. Die Bayern nämlich hatten nur 1:1 gespielt gegen den SC Freiburg, was dem BVB eine exzellente Ausgangsposition verschafft, bevor es in einer Woche in Dortmund zum direkten Aufeinandertreffen kommt. Auch dazu hatten die Dortmunder Anhänger Liedgut vorbereitet: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“
Damit aber brauchte man BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gar nicht erst kommen: „Uns ist egal, wie die Bayern gespielt haben“, sagte er, es ja erst einmal am Dienstagabend in der Champions League gegen Atletico Madrid (21 Uhr/Sky). Auch die übrigen BVB-Vertreter und die meisten Spieler mühten sich, die Bedeutung des bevorstehenden Aufeinandertreffens und des Meisterschaftsrennens an sich kleinzureden. Am weitesten wagte sich noch Thomas Delaney aus der Deckung: „Das ist sehr geil für uns“, sagte er über die aktuelle Konstellation. „Natürlich geht es nicht darum, in dieser Woche schon die Bundesliga oder die Champions League zu gewinnen. Aber wir sind Erster mit vier Punkten Vorsprung auf Bayern und können in der Champions League das Weiterkommen sichern.“
Zu verdanken hatten sie das einem schmucklosen, aber letztlich verdienten 1:0 (1:0)-Arbeitssieg in Wolfsburg. „Unter dem Motto kann man den heute sicher einordnen“, meinte auch Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung. Dass es ein mühsamer Erfolg war, lag sicherlich nicht an mangelndem Respekt gegenüber den Wolfsburgern, die als Tabellenzehnte in das Spiel gingen. BVB-Trainer Lucien Favre hatte die gerade wiedergenesenen Manuel Akanji, Delaney und Paco Alcácer in seine Startelf eingebaut, vertraute also auf seine nominell stärksten Spieler. Doch Alcácer blieb an diesem Tag blass: ein vergeblicher Versuch, eine Flanke zu erreichen (2.), eine Ablage auf Raphael Guerreiro im Strafraum (45.), ein kluges Durchlassen des Balls auf Jadon Sancho (51.) – mehr kam nicht.
Auch deswegen waren Torchancen Mangelware – für Wolfsburg ebenso wie für die in der bisherigen Saison so herausregende BVB-Offensive. Anthony Brooks traf mit einem Querschläger fast ins eigene Tor (3.), was lange die beste Gelegenheit blieb. Wenn Dortmund einmal gefährlich wurde, dann über Kapitän Marco Reus, der an fast allen sehenswerten Angriffen beteiligt war. So auch am Tor des Tages: Reus selbst ließ einen Pass von Jacob Bruun Larsen passieren, außen nahm Sancho den Ball auf und fand mit einer präzisen Flanke den völlig freistehenden Thomas Delaney. Dem missriet der Kopfball zwar völlig, doch Reus erfasste die Situation blitzschnell und drückte den Ball ebenfalls per Kopf über die Linie (27.). „Wenn man versucht, ein Tor zu machen, den Ball dann so mit dem Ohr trifft und dann das passiert – dann muss man ja einfach gewinnen“, sagte Delaney grinsend.
Das gelang, weil Dortmund zwar nicht glänzte, die Wolfsburger dennoch meist wirkungsvoll vom eigenen Tor fernhielt – vorne aber bei zahlreichen Kontern die Vorentscheidung vergab. So musste bis zum Ende gezittert werden – was später aber niemanden störte. „Ein 1:0 ist genauso wertvoll wie jeder andere Sieg“, meinte Kehl. Und Delaney ging noch einen Schritt weiter: „Diese Siege sind schwer und bedeuten deswegen am Ende am meisten“, meinte er. Das klang schon fast wie: Wer solche Spiele gewinnt, kann auch Meister werden. Aber eben nur fast.
Autor: Sebastian Weßling