Es war im November 2008 in der Ukraine, als Lucien Favre bereits ahnte, dass dieser Pal Dardai mal ein guter Trainer werden würde. Damals war Dardai noch Mittelfeldspieler bei Hertha BSC und Favre sein Trainer, und der hatte sich für das Uefa-Cup-Spiel beim Metalist Charkiw etwas Besonderes ausgedacht: „Wir haben ohne Vorbereitung unser System gewechselt und ein 3-5-2 gespielt“, erzählt Favre. „Er hat sofort verstanden, was er machen sollte. Da wusste ich: Er kapiert sehr schnell.“ So war es für Favre dann auch „keine Überraschung, dass er Trainer wurde“, wie er nun vor dem Wiedersehen am Samstag (15.30 Uhr/Sky) erzählt.
„Gehen Sie zu den Kindern“
Und an dem Weg, den Dardai dann einschlug, hatte Favre seinen Anteil: „Pal, gehen Sie erst einmal zu den Kindern! Da können Sie sehr gute Erfahrungen sammeln“, riet der Schweizer dem Ungarn, als dessen Spielerkarriere sich dem Ende näherte. So hatte es Favre selbst gemacht, hatte im Nachwuchs des FC Echallens angefangen. Und auch Dardai begann im Nachwuchs, erst beim Seeburger SV, dann bei der Hertha, bevor er erst ungarischer Nationaltrainer und dann Herthas Cheftrainer wurde.
Und damit einer der Nachfolger Favres, dessen Amtszeit in der Hauptstadt auf eher hässliche Art zu Ende ging: Der Schweizer hatte die Hertha bis auf Platz vier geführt, zwischenzeitlich liebäugelte der Klub sogar mit der Meisterschaft. Doch nach einer Niederlagenserie musste er gehen – und nachdem Favre eine Pressekonferenz im Hotel Adlon gegeben hatte, auf der er seine Sicht der Dinge darlegte, kündigte ihm der Klub fristlos. „Ich habe nur positive Erinnerungen an diesen Verein“, sagt Favre heute zwar, doch tatsächlich ist das Verhältnis ein kompliziertes: Auch in Berlin schwärmt man einerseits vom fußballerischen Sachverstand des Schweizers, Hertha-Manager Michael Preetz lobt: „Er ist ein Trainer mit außergewöhnlichen Qualitäten. Das wissen wir auch noch.“
Andererseits klingt durchaus Distanz durch, etwa wenn Dardai über seinen einstigen Förderer spricht: „Ich habe mir von allen Trainern immer abgeschaut, was gut ist, und auch gesehen, was vielleicht nicht so gut ist“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Daher habe ich von ihm wie auch von anderen Trainern viel gelernt.“ Zum Beispiel, „dass eine Mannschaft gut ausbalanciert sein muss. Dass der Kader ausgewogen sein muss. Dass das über vieles entscheidet. Dafür hat er ein Näschen.“
Dardais Plan gegen den BVB
Und derzeit stimmt die Balance beim BVB, der mit 20 Punkten und 27:8 Toren die Liga-Tabelle anführt. Dardai hat dennoch keine Angst vor der aktuell besten deutschen Mannschaft: „Ob Bayern oder Dortmund – seitdem ich Trainer bin, hatten wir gegen solche Teams immer einen ordentlichen Plan.“ Und wie sieht der gegen Dortmunds Hochgeschwindigkeits-Fußballer aus? „Wir versuchen, zum Beispiel ein Mittelfeld-Pressing zu praktizieren, um zu verhindern, dass gegnerische Spieler ihre Höchstgeschwindigkeit aufnehmen können.“
Gegen Bayern gelang das gut, die Hertha gewann 2:0 – und natürlich zieht BVB-Trainer Favre diese Partie nun heran, um zu warnen, dass es „sehr schwer ist, gegen Berlin zu spielen“. Wegen der vielen talentierten Spieler – und jenem Trainer, an dessen Entwicklung Favre einen so entscheidenden Anteil hatte.
Autor: Sebastian Weßling