Roman Bürki rätselte selbst noch über das, was er da eben erlebt hatte. Über den 4:3-Sieg von Borussia Dortmund gegen den FC Augsburg, bei dem der BVB in der allerletzten Sekunde der Nachspielzeit den erlösenden Siegtreffer erzielt und zuvor gleich zweimal einen Rückstand egalisiert hatte.
Wie schon beim 4:2-Sieg gegen Bayer Leverkusen in der Woche zuvor, wie beim 1:1 bei der TSG Hoffenheim, wie beim 4:1-Sieg gegen RB Leipzig und dem 2:1 nach Verlängerung im DFB-Pokal beid er SpVgg Greuther Fürth. Viermal hat der BVB nach Rückstand noch gewonnen, einmal unentschieden gespielt, kein einziges Mal verloren. „Es ist schwer zu sagen, woran es genau liegt“, sagte Bürki nun. „Aber letzte Saison hätten wir die Hälfte der Spiele, in denen wir in Rückstand lagen, nicht gewonnen.“
Tatsächlich ist dies wohl der augenfälligste Unterschied zur teilverkorksten Vorsaison: Die BVB-Mannschaft gibt kein Spiel verloren, bis zum Ende rennt sie an, glaubt an sich und den möglichen Sieg. Mentalität – das ist schon jetzt das meistverwendete Wort der noch jungen Saison und das war ja auch das, was die Bosse im Vorjahr so vermisst haben. „Kompliment an die Mannschaft für den unbedingten Willen, das Spiel zu gewinnen und für die Entschlossenheit, die sie demonstriert“, lobte Sportdirektor Michael Zorc.
Warum dies aber so schnell schon wieder funktioniert, mochten auch die Verantwortlichen nicht recht erklären: „Es muss auch eine gewisse Gier in der Mannschaft stecken“, meinte Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung. „Das kann man nicht alles von außen hereintragen, das muss sich selbst entwickeln.“
Aber wie? Die Dortmunder boten am Samstag unterschiedliche Erklärungsmodelle an: „Es ist darauf zurückzuführen, dass wir das erste Spiel in Fürth so gewonnen haben, durch ein Tor in letzter Minute“, mutmaßte Bürki. „Das war auch ein gutes Zeichen für uns, dass zeigt, dass man bis zum Schluss an sich glauben muss. Das sieht man jetzt, wenn wir in Rückstand geraten, da gibt es keinen, der den Kopf in den Sand steckt.“
Dieses Selbstvertrauen half, weitere Spiele zu drehen, die wiederum halfen, das Selbstvertrauen zu stärken. „Solche Siege helfen natürlich, immer wieder dran zu glauben“, so Kehl. „Wir haben ja schon etliche Spiele gedreht.“ Einen Hauptverantwortlichen aber machte Kehl aus: „Den größten Anteil hat natürlich der Trainer“, meinte er. „Denn er ist derjenige, der die Dinge vorgibt.“
Einig immerhin waren sich alle, dass die Mentalitäts-Beweise der vergangenen Wochen durchaus ihren Preis hatten: „Uns haben ein paar Körner gefehlt, wir haben Tribut zollen müssen für die Aufholjagd in Leverkusen und das schwere Spiel gegen Monaco“, meinte Zorc. „In so einer Situation darfst du nicht in Rückstand geraten, da kommt die Hitze und du hast noch das Mittwochspiel in den Beinen.“
Deswegen war der Sportdirektor auch heilfroh, dass nun die Länderspielpause ansteht, dass die Bundesliga erst in zwei Wochen wieder den Betrieb aufnimmt: „Wir können nicht weiterspielen, es ist gut, dass wir eine kleine Pause haben“, sagte er. Ähnlich sah es Bürki: „Die Müdigkeit ist eher im Kopf“, meinte er. „Und es tut den Spielern gut, die nicht zur Nationalmannschaft fahren, mal den Kopf lüften. Und für die anderen ist der Tapetenwechsel gut.“
Autor: Sebastian Weßling